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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 9
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Böcklin, Arnold [Gefeierte Pers.]: Arnold Böcklin †
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4- Di' Kunst-Halle -r-

Nr. 9

PO

Bei Böcklin, der so aus den: Vollen seiner
strotzenden Phantasie gestaltete, kann es dem Nekrolog-
schreiber in den ersten Augenblicken wohl leicht an
den rechten packenden Ausdrücken fehlen, um all das
hineinzulegen, was den Schmerz der Leidtragenden
— und die sind wohl nicht die allein, welche hinter
seinem Sarge in Fiesole schritten — den Verlust, den
die Kulturmenschheit, die Kunst erlitten, zu offenbaren
vermag. Glücklicherweise trocknet die Thräne der
Trauer; und es tröstet, daß nicht nur der Ueber-
lebende, sondern auch das Lebende Recht behält.
Und dieses Lebende ist die nicht verglühende, die un-
sterbliche Seele seines imposanten „Werkes". Böcklins
Gemälde werden gleich den Musikdramen Richard
Wagners für uns zu den theuersten Vermächtnissen gehö-
ren, die dem Genius des Germanenthums einen durch
die Jahrhunderte kräftig und weithin vernehmbaren
Flügelschlag verleihen werden. Entblößen wir an-
gesichts dessen unser Haupt und widmen wir fortan
dem Gedächtniß des Künstlers feurigen Dank für eine
Gabe, die unser Volk glücklich und stolz macht.
Arnold Böcklins Entwicklung und Künstlerthum
zu schildern, ist im Rahmen eines kurzen Nekrologs
ebenso schwierig, wie es überflüssig erscheint, seine
äußern Lebensschicksale durch Daten zu geben. Es
sind Bücher und lesenswerthe Abhandlungen über den
Schweizer Meister gedruckt worden, der, am Okt.
s827 in Basel geboren, den Weg zur steilen Höhe
seiner herrlichen Laufbahn unter erschwertesten Um-
ständen fand und dessen Ruhm unlängst so laut
erklang, als man Z897) seinen 70. Geburtstag in
allen deutschen Gauen feierte. Mit das Beste, was
damals über ihn und die Eigenart seiner Werke
gesagt und reflektirt wurde, hat F. H. Meißner im
„Künstlerbuch" zu Papier gebracht. Dort und ander-
wärts kann ein Zeder, den es drängt, bequem Auf-
schluß und edle Anregung suchen. Es lohnt sich aus
dem letzten Abschnitt des Büchleins ein paar Sätze
hier zu wiederholen:
„Das Werk von Arnold Böcklin ist eine kultur-
geschichtliche That. Er bietet als Mensch packende
Probleme. Seine Laufbahn ist nebenher eine Fund-
grube für Zeit- und Menschenkenntnis. Man lernt
aus seinen: Leiden die Menschheit nicht gerade höher
achten und ein Züngerer kann leicht davon zum
bitteren Verächter werden. Denn an dem Künstler,
dessen erster großer Erfolg schon l857 stattfand und
ihm eine kleine treue Gemeinde schuf, hat die Menge
mit Unverstand und Beschränktheit Unglaubliches
gesündigt. Sein Hochkomme«: war ein Verzweiflungs-
kampf, — ein Greis erst stand als Sieger auf der
Wahlstatt. Nicht umsonst ist ein so herausfordernder
Zug in seinen früheren Selbstbildnissen . . .
Wo eine Welt von Widerstand überwunden
ward, tosende Begeisterung litterarhcher Zugendkraft
sich nicht ersticken ließ und ein wirkliches Ergebniß
der Popularisirung vorliegt, da darf der Künstler

und seine engere Gemeinde die Kritik der Geschichte
gelassen erwarten. Die Böcklin-Verehrung wird in
künftigen Tagen vor anderen Zukunftserscheinungen
an Leidenschaft verlieren, — die Böcklin-Bewerthung
muß bleiben, ob unser Zahrhundert gleich dem
(Quattrocento ein Aufweg zu noch größerer Blüthe
sein wird, — ob es einen Gipfel gleich dem Cinque-
cento schon erklommen hat. Zn beiden Fällen würde
ohne Böcklin eine Lücke vorhanden sein . . . Nichts
fast ist Zufall bei ihm, — Alles nahezu ein Gesetz,
dessen Anfänge um mehr als ein Zahrtausend zurück-
liegen. Sicher und unwiderstehlich trieb ihn der
Künstlerinstinkt auf die von Winckelmann begonnene
Bahn einer Neugeburt der Antike, — was Carstens,
Genelli, Preller, Feuerbach angelegt und weiter-
geführt, — das gipfelt bei ihm. Goethes tiefsinnige
Absicht, als er in seiner Tragödie zweiten Theil Faust
mit Helena — den deutschen Genius mit dem
hellenischen — vermählte, schwebt ihm als Wegweiser
wie die feurige Wolke mit dem Herrn vor Zsrael in
Meer und wüste voran: aus der Verschmelzung vom
Germanischen mit dem Antiken zu einer Neuromantik
wächst ihm seine schönheitsselige Kunst. Es ist ein
fester und für heute letzter Punkt in einer geschicht-
lichen Bahn.
Er dürfte noch mehr bedeuten. Er hat seit
Rubens das mächtigste Naturgefühl und die leben-
strotzendste Gestaltungskraft offenbart, — er ist als
Maltechniker der Ersten in der Geschichte einer. . . .
Ein eigenes Zeichen aber ist die lebendige Weiter-
wirkung. So belanglos seine unmittelbare Schule in
seinen Söhnen und ein paar talentvollen Schweizern,
in jährlich sich inehrenden Nachahmern bis heute
blieb, — so tief hat er «nächtige Geister befruchtet!" —
So lautete das Urtheil vor einigen Zähren. So
wird es heute überall wiederholt werden, wo man
im Banne der großen Persönlichkeit steht und die
eigenartige dichterische Kraft seiner Schöpfungen zu
würdigen weiß.
Was sterblich an Arnold Böcklin war, ruht nun
in der winterlichen Erde des Südens. Lin Telegramm
meldete kürzlich, daß das Begräbniß des Meisters
von seiner idyllischen Villa zu Fiesoie aus stattfand.
Die Musikkapelle des Ortes eröffnete den Leichenzug;
dann folgte der in Kränze gehüllte Leichenwagen.
Hinter dem Sarge schritte«: die Verwandten, zahlreiche
Bekannte des Verewigte«:, die Vereine von Fiesole
nut ihren Bannern. Zhnen schloß sich ferner eine
große Zahl Wagen mit Trauerkränzen an. Der
Beisetzung selbst wohnte auf Wunsch der Familie nur
ei«: enger Kreis vo«: Freunden bei. Zn jene«: Tage«:
liefen bei der Familie aus allen Gegendei: überaus
zahlreiche tiefempfundene Beileidstelegramme ein,
darunter auch solche vo«: italienische«: und auswärtige«:
Akademien.
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