Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

DOI Heft:
Nummer 12
DOI Artikel:
Wirth, Robert: Zur Thier-Aesthetik: von Robert Wirth, Plauen i. D.
DOI Artikel:
Rücklin, R.: Eine amerikanische Zeichenlehrmethode
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0212

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
(82

4- Die Aun st-Halle -4-

Nr. (2

Bilde wohl zu bemerkende Ringelschwänzchen sagt
Möbius: „Der kleine, zierlich gekrümmte Schwanz
drückt Behagen aus. Das Winden erscheint als eine
durch innere Kräfte bewirkteGeste." Wir haben hier
neben den rohen Linien des Leibes einen Ansatz zum
Ornament.
Rian kann sagen, daß ästhetische Thierbetrachtung
nur in einer gewissen Entfernung und Objektivität
zum Thiere möglich ist. Aesthetische Gefühle ihm
gegenüber entstehen nur dann, wenn das Gefühl der
Sicherheit vor ihm besteht. Werthgefühle für schön
oder häßlich gegenüber einem Lebewesen werden
sofort abgelöst oder überhaupt niedergehalten durch
das beunruhigende Gefühl seiner Gefährlichkeit.
Aesthetische Urtheile auch nur über die Säuge-
thiere können ins Ungemessene erweitert und vermehrt
werden. Wan betrachte die vorstehenden Bemerkungen
als eine Anregung dazu.
X
kine ammkankcbe Leicben-
lebrmelboae.
Don R. Rücklin, Pforzheim.
^D^d^s ist in diesen Blättern in der letzten Zeit
mehrfach von Zeichenunterricht die Rede ge-
wesen. Ich hoffe, es wird nicht als ein All-
zuviel in dieser Richtung empfunden werden, wenn
in Nachstehendem dieses Thema nochmals angeschnitten
wird; es soll kein neuer Lehrgang empfohlen und
keine Schulverordnung angeregt werden. Ich möchte
nur an der Hand einer neuen Publikation (Neue
Wege zur künstlerischen Erziehung der Jugend, von
I. L. Tadd, Philadelphia, R. Voigtländers Verlag,
Leipzig) untersuchen, ob nicht vielleicht unser praktischer
Vetter jenseits des großen Wassers in dieser Be-
ziehung etwas gefunden hat, woraus auch wir, trotz
unserer angeborenen, nationalen Schulmeisterbefähi-
gung, nützliche Winke entnehmen könnten.
Das Buch gehört zu dem Interessantesten, was
ich je über künstlerischen Unterricht gelesen habe.
Schade ist, daß der unleugbar interessanteste nnd
werthvollste Theil schon im Anfang enthalten ist,
d. h. bei der Behandlung der Anfangsgründe des
Zeichnens, was über das ornamentale Zeichnen
und Entwerfen, über Naturstudien u. s. w. gesagt
wird, fällt dagegen entschieden ab. Ebenso könnte
auch von dein sehr reichlichen Illustrationsmaterial
ein guter Theil weggeblieben sein, ohne daß das
Buch an ernsthaftem Werth verloren hätte. Was
da z. B. Alles als künstlerische Erzeugnisse ameri-
kanischer Schülerhände abgebildet ist, kann man un-
möglich in jedem Falle für baare Münze nehmen.
Den Werth des methodischen Grundprinzips aber,
welches L. Tadd vertritt, können diese vereinzelten
Ausstellungen in keiner weise schmälern.
Dieses methodische Grundprinzip aber, in einem
deutschen Sprüchwort ausgedrückt, würde lauten:
„Uebung macht den Meister." Das ist nichts Neues,
gewiß nicht; und es ist nur ein Beweis von der
Gesundheit der Methode, daß sie auf einem so

uralten und selbstverständlichen Prinzips ruht. Aber
die Art seiner Anwendung ist eine so durchaus neue
und originelle, daß sie der allgemeinsten Aufmerk-
samkeit und des eingehendsten Studiums der be-
teiligten Meise würdig erscheint.
Ehe ich diese Anwendung hier erörtere, möchte
ich einmal erst die Frage aufwerfen: Ist denn bei
uns, in unserm bisherigen Zeichenunterricht, die
Uebung nicht auch Grundlage und Ziel? wird denn
das Zeichnen und künstlerisches Darstellen in unseren
Lehranstalten, je nach den verschiedenen Zielen der-
selben, nicht auch auf die eine oder andere weise
„geübt"?
Gewiß geschieht das; aber ich glaube doch
nachweisen zu können, daß bei der Art, wie wir den
Unterricht in: Zeichnen betreiben, die Uebung, die
erreichte Fertigkeit etwas sozusagen Unbewußtes,
etwas nebenher Erlangtes ist. Das Ziel, nach dem
wir allein mit Bewußtsein streben, ist die fertige
Arbeit und der erfüllte Lehrgang. Das ist tat-
sächlich so; denn sonst müßte man von Seiten der
Schulbehörde Zeichenprüfungen veranstalten, um ein
Urtheil über den Unterricht sich zu bilden, anstatt
sich mit der Inspektion der gefertigten Zeichnungen
oder deren öffentlicher Ausstellung zu begnügen.
Jede an irgend einer Lehranstalt gefertigte Zeichnung
entsteht unter der selbstverständlichen und pflicht-
genräßen Mitarbeit des Lehrers; je eifriger und
künstlerisch gewandter dieser aber ist, desto stärker wird
sein persönlicher Antheil an der fertigen Arbeit sein,
desto weniger geübt braucht der Schüler zu sein, um
damit fertig zu werden. Und Niemand wird es dem
Lehrer verargen können, wenn er möglichst viel von
seinem persönlichen Rönnen dazu giebt, denn seine
Thätigkeit wird nach dem Aussehen der fertigen
Arbeit und nicht nach dem beurtheilt, was der
Schüler daran gelernt hat. Und das aus dem ein-
fachen Grunde, weil Niemand daran denkt, sich über
dieses letztere ein genaues Urtheil zu verschaffen.
Ich glaube, wir legen zu viel Werth auf den
methodisch geordneten Lehrgang. Ein bestimmter
Lehrgang ist ja ganz selbstverständlich für jeden
Unterricht, also auch für den in irgend einer Kunst -
übung, unumgänglich nothwendig. Aber ebenso
selbstverständlich scheint es mir, daß die einfache
Durcharbeitung eines Lehrganges nicht genügt, weil
sie allein noch keine Garantie bietet, daß der Schüler
auch wirkliche Fortschritte gemacht und praktisch ver-
werthbare Fertigkeiten dabei erworben habe. Man
könnte ja das Abhalten von Zeichenprüfungen Vor-
schlägen, um diesem Mangel entgegenzutreten. Aber
es würde dabei schwerlich viel mehr herauskommen,
als die Ueberzeugung, daß bei unserer gegenwärtigen
Methode allerhand nützliche Kenntnisse und An-
schauungen verbreitet werden, daß aber die Uebung,
die zum unverlierbaren Eigenthum gewordene Fertig-
keit, dabei zu kurz kommt.
Hier, an diesem Punkte, setzt unser amerikanischer
Gewährsmann, L. Tadd, ein, indem er die mechanische
Uebung der Handfertigkeit als Grundlage alles
künstlerischen Unterrichtes einsetzt und ihre gründliche
Durchbildung vor allem Andern verlangt, während
unsere deutsche Zeichenlehrmethodik besonders darin
exzellirt, auf das verständniß des Lernenden für die
ihn: vorgeführten Formen einzuwirken, also ihn
„sehen" zu lehren, läßt der Amerikaner Auge und
Verständniß zunächst ganz bei Seite und übt einfach
die Hand. Und zwar laufen alle seine Uebungen
darauf hinaus, die Hand zur gehorsamen und ge-
 
Annotationen