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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 3
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Neues zur Kunstgeschichte
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P., R.: Düsseldorfer Kunstbrief
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Garnier, Charles [Gefeierte Pers.]: Charles Garnier: zu seinem 75.Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0050

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38

4- Die Kunst-Halle

Nr. 3

gesichts dieses Blattes scheint der große Streit, ob
Rubens selbst Stecher gewesen oder nicht, mit einem
Schlage entschieden zu sein.
X
Llmlez garnier.
Zu seinem 75. Geburtstage.

er berühmte pariser Baumeister vollendet
am 6. November sein fünsundsiebenzigstes
Lebensjahr. Nur selten hat ein Bau-
künstler, dem in späteren Zähren alle nur denkbaren
Auszeichnungen durch angesehene Körperschaften und
durch seine Fachgenossen zu Theil wurden, mit so
niederdrückenden Schwierigkeiten zu kämpsen gehabt
wie Lharles Garnier zu Ansang seiner Lausbahn.
Diese Laufbahn mit ihren vielen interessanten Einzel-
heiten erzählte Gustave Larroumet in einer am
ch November vorigen Jahres stattgehabten Fest-
sitzung der pariser Akademie der Schönen Künste.
Garnier war, nach dem in der „Boss. Ztg." damals
veröffentlichten Bericht über jene Vorlesung, soweit
sie sich auf den Bau der Oper bezieht, ein ver-
hältnißmäßig unbekannter 35jähriger Baumeister im
Dienste der pariser Stadtverwaltung, als f86f ein
Wettbewerb für ein Opernhaus ausgeschrieben
wurde. Er erinnerte sich, daß er dreizehn Zahre
vorher, s8st8, Sieger bei der Verleihung des großen
Nömerpreises der Baukunst gewesen. Sein Ehrgeiz,
den er im harten Kampf ums tägliche Brod hatte
zurückdrängen müssen, bäumte sich wieder auf, und
er beschloß, an dem Wettbewerbe theilzunehmen. Er
hatte etwa 200 Nebenbuhler. Sein Entwurf erhielt
den fünfter: Rang angewiesen, und in Folge dessen
durfte er sich an dem engeren Wettbewerb betheiligen,
zu dem nur die fünf ausgezeichneten -Theilnehmer
am großen Wettbewerb zugelassen wurden. Diesmal
blieb er Sieger. Die Nachricht ging ihm in einer
ärmlichen Wohnung, fünf Treppen hoch, zu und
brachte Glück und Sonnenschein in sein Leben. Zm
Zahre s867 wurde die Schauseite enthüllt, leiden-
schaftlich gepriesen und verunglimpft. Zin Zanuar
s875 wurde das Haus feierlich geweiht und erregte
diesmal fast einstimmige Bewunderung. Vierzehn
Zahre seines Lebens arbeitete er an diesem Werke,
und er war ein Fünfziger, als ihm die Welt nach
dessen Vollendung den Lorberkranz auf die Stirn
drückte. Der Bau kostete 33 Millionen, von denen
ihm statt der sonst üblichen 3 nur 2 v. H. als
Honorar zugewendet wurden. Er erhielt also im
Ganzen 660 000 Fr., wovon er sfl Zahre lang leben,
viele Hilfsarbeiten bestreiten und sich den Alters-
pfennig ersparen mußte. Zum Weihefeste der Oper
erhielt er eine Loge zweiter Klasse mit der Auf-
forderung, dafür den Preis von s20 Fr. zu bezahlen.
Für diese Rauhbeinigkeit der Verwaltung entschädigte
ihn das Publikum, das ihm, als er die herrliche
Treppe nach der Vorstellung herabkam, einen un-
erhörten Triumph bereitete. Eine sehr schmerzliche
Demüthigung hatte er sich vor allem Anfang ge-
fallen lassen müssen. Sein Voranschlag betrug genau
33 Millionen und wurde in der Folge nicht über-
schritten. Das Kaiserreich liebte aber die Wahrheit
nicht. Das zuständige Ministerium mochte von den:
gesetzgebenden Körper, trotz seiner unbegrenzten Ge-
fügigkeit, die 33 Millionen nicht auf eiumal ver-

langen, sondern fälschte einfach Garniers Anschlag.
Es forderte die Bewilligung von s6 Millionen, ohne
sich an Garniers verzweifelten Einspruch zu kehren,
und ließ sich die fehlenden s7 Millionen in mehreren
Nachträgen bewilligen. Der Zrrthum bei der ersten
Forderung, die sortwährenden Neuforderungen wurden
Garnier in die Sckuhe geschoben, und dieser mußte
dazu schweigen, um es mit der allmächtigen kaiser-
lichen Regierung nicht zu verderben, was hatte
der arme Künstler nicht sonst noch alles hinunter-
zchchlucken! Als Garnier mit seinem preisgekrönten
Entwurf in die Tuilerien kam, ward ihm ein eisiger
Empfang zu theil. Die Kaiserin betrachtete die aus-
gebreitete Zeichnung und rief: „was ist das für
Stil? Das ist gar kein Stil. Das ist weder griechisch
noch Ludwig XV., noch Ludwig XVI." Garnier
war keine Höflingsnatur, und er war nervös.
„Nein", knurrte er, „nein. Diese Stile sind abge-
nutzt. Dies ist hier Napoleon III. Und darüber
beklagen Sie sich?" Die Kammerherren zitterten.
Der Vorsteher des Oberbauamtes, Herr de Tardaillao,
war bestürzt und suchte den Künstler zum Schweigen
zu bringen. Allein der Kaiser, schwermüthig und
ergeben, flüstert Garnier schüchtern zu: „Lassen Sie
sich das nicht anfechten. Sie hat keine Ahnung von
diesen Dingen." Die üble Laune der Kaiserin hielt
übrigens nicht an. Bald darauf empfing Garnier
eine Einladung uach Tompisgne, und die Kaiserin
war sehr gnädig gegen ihn. „Geben Sie zu,
Monsieur Garnier", sagte sie zu ihm, „daß ich sehr
unfreundlich gegen Sie war. Jetzt thut es mir
leid." Garnier machte diesmal eine Anstrengung,
einmal recht byzantinisch zu sein, und erwiderte:
„Allerdings, Madame; Euere Majestät haben mich
schändlich behandelt!!" Die Kaiserin hielt es nicht
für nöthig, die Unterhaltung fortzusetzen . . .
L
Düsseläoickei- ^ayskb^isk.
och haben die großen Bilder, welche Professor Fritz*)
" Roeber für die Aula der Akademie in Münster ge-
malt hat und über welche die „K.-H." neulich eine Notiz
brachte, das Atelier des Künstlers nicht verlassen, und
schor: kann über ein anderes monumentales Werk berichtet
werden, das in Düsseldorf der Vollendung entgegengeht.
Ls ist das der Theil einer Ausmalung der hiesigen prote-
stantischen Friedens-Kirche, welche Ld. v. Gebhardt
unter Zustimmung der Gemeinde vom Staat übertragen
worden ist.
Mit dieser Arbeit hat Gebhardt, der Reformator der
deutschen christlichen lllalerei, einen bedeutsamen Schritt vor-
wärts gethan zum Ausbau seines Lebenswerkes, das nichts
Geringeres anstrebt als eine Neugeburt der religiösen
Monumentalkunst, die seit der Reformation in den Händen
der katholischen Kirche verblieben war, hier aber, aus
Mangel an künstlerischem verständniß vielleicht auch an
Mitteln, seit einem halben Jahrhundert, wie es scheint,
hoffnungslos dahinsiecht. Die Anstrengungen der Düssel-
dorfer Nazarener waren nicht genügend gewesen, ihr
eine auch nur künstliche Lebenskraft zu erhalten.
*) Der Bericht in Nr. 2 nennt, ebenso wie die Köl-
nische Zeitung, unrichtig den Bruder des Künstlers, Ernst,
als Autor der Münsteraner Bilder.
 
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