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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 10
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Meyer, Bruno: Noch einmal: zur Frage des Schulzeichnens
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National oder International
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0173

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anstalteu, also auch auf den höheren Lehranstalten,
nicht bloß eine fakultative Stellung haben darf,
sondern zu den obligatorischen Lehrgegenständen ge-
hören muß. Aber aus der Natur des Gegenstandes
geht hervor, daß man, wie in allen Unterrichts-Dis-
ziplinen so auch hier diejenigen Seiten hervorkehren
muß, welche ohne besondere Begabung, ohne eigent-
thümliches Talent mit einigem Fleiße nach Begriff
und Fertigkeit in das Bereich jedes Schülers gebracht
werden können und daß vom Zeichnen diejenigen
Richtungen vor allen Dingen ins Auge zu fassen
sind, welche auch der in dem kaiserlichen Erlaß an
die Spitze gestellten Aufgabe am meisten entsprechen.
Beide Erwägungen führen gleichmäßig darauf
hin, daß das geometrische Zeichnen im weitesten
Umfange die Grundlage und den Ausgangspunkt
für den Zeichenunterricht zu bilden hat, wobei die
Projektionslehre mit Einschluß der Perspektive sich
ganz von selber als Lehrgegenstand ergiebt und
Streifzüge in die graphische Statik so nahe liegen
und so leicht sind, daß sie kaum ausgelassen werden
können. Nur daneben und in solcher Leitung, daß
auf der einen Seite dem Unbegabten nichts Ueber-
mäßiges zugemuthet, auf der anderen Seite den
Talentvollen Gelegenheit zur Entfaltung gegeben
wird, kann vom Freihandzeichnen gesprochen werden.
Daß einige Uebung in diesem von Jedem zu ver-
langen ist, liegt auf der Hand, und Veranlassungen
dazu sind bei verständiger Auswahl der Aufgaben,
die im Zeichenunterrichte den Schülern gestellt werden,
leicht passend zu finden. Auf die Methode, die hier-
bei zu befolgen ist, kann an dieser Stelle, wo der
Raum allzu beschränkt ist, kaum eingegangen werden.
Das wesentliche ist, festzustellen, daß als obligato-
rischer Lehrgegenstand in allgemeinen Bildungs-
anstalten das Zeichnen vorzugsweise von Seiten
seiner wissenschaftlichen Begründung und Bedeutung
angefaßt wird, und daß das spezifisch Künstlerische
hier zurücktreten muß, weil erfahrungsgemäß dazu
einmal besondere Befähigung, und zweitens eine sehr
viel größere Uebungszeit gehört, als die allgemeinen
Bildungsanstalten für diese Zwecke anfzuwenden im
Stande sind.
Scheint der Zeichenunterricht in dem hiermit
angedeuteten beschränkten Umfange für die ästhetische
Bildung des Blickes und des Geschmackes nicht aus-
reichend — was ich auch keineswegs behaupten will,
— so ist zu diesen: Zwecke mit weniger Zeitaufwand
und größerem, nämlich allgemeinerem Erfolge, eine
Ergänzung des Zeichenunterrichtes durch kunstge-
schichtliche Vorführungen und Belehrungen zu
empfehlen. Es ist von den Lehrkräften der Anstalten
in Folge dessen in den Prüfungen eine Befähigung
zur Erfüllung dieser Aufgabe nachzuweisen, und zwar
unter den von Jeden: zu fordernden Gegenständen
der allgemeinen Bildung und nur mit dem Unter-
schiede gegen die meisten anderen derartigen Fächer,
die in den Prüfungsordnungen vorgesehen sind, daß
an dieser Stelle die Anforderungen erheblich
höber als in Betreff jener anderen Fächer gestellt
werden.
Ueberhaupt muß bei allen Anläufen zur Reform
des Unterrichtswesens den beiden Grundwahrheiten
vor Allem Rechnung getragen werden, erstens, daß
der Unterricht den stets wachsenden Anforderungen
und stets neu zuströmenden Materialien durchaus
ohne wesentliche Steigerung der Ansprüche an Zeit
und Kraft der Lernenden zu genügen hat, was nur-
geschehen kann durch stetige Vervollkommnung der

Unterrichtsmethode mit Einschluß ihrer Hilfsmittel;
und zweitens — was allerdings streng genommen
auch zur Methode gehört, aber so wichtig und be-
deutend ist, daß es noch neben derselben einer be-
sonderen Hervorhebung bedarf, weil es leider mehr
als alles übrige hier Einschlägige in der Praxis ver-
nachläsfigt wird —: Ls ist nothwendig, daß jeder
Lehrer mit den Schülern arbeitet und in un-
mittelbarer geistiger Produktion den Lehrstoff in der
geeigneten Form vor ihnen entstehen läßt. Ohne
eine solche intensive Thätigkeit der Lehrkräfte sind
die gesteigerten Anforderungen an die Leistungen des
modernen Unterrichtes, oder anders ausgedrückt: an
den nothwendigen Umfang einer ausreichenden
modernen Bildung, nicht zu bewältigen.
Daß auf diese weise aufreibende Arbeit von
den Lehrern verlangt wird, darf nicht davon ab-
schrecken, gerade auf dieser Forderung vor allen
übrigen zu bestehen und die Lehrkräfte lediglich
nach ihrer Befähigung und Geneigtheit, derartige
Arbeit zu lesten, zu klassifiziren. Aber man muß
dem selbstverständlich auch dadurch Rechnung tragen,
daß man diese aufreibende Thätigkeit nicht wie die
des Holzhackers oder Steinklopfers in einem zeitlichen
Umfange fordert, der mit einer menschlichen, auf der
Höhe ihrer Leistungsfähigkeit durch Jahre zu er-
haltenden Kraft nicht zu vereinbare:: ist. Einfach
als Schmach und Schande muß es gebrandmarkt
werden, wenn bei einer solchen allerobersten Ange-
legenheit des öffentlichen Wohles von dem damit ver-
bundenen Kostenpunkte überhaupt als von einer m
Betracht kommenden Schwierigkeit gesprochen wird.
Brnno Meyer.
X
National ocier International?
ine nachträgliche Glossirung der auch von uns bereits
ausführlich besprochenen Eingabe der Dresdner
Bildhauer schließt die „Dresdner Zeitung" vom 9. Februar
an leitender Stelle mit folgenden, sehr zu beherzigenden,
allgemeinen Betrachtungen, denen wir gern Aufnahme ge-
währen :
„wer sich in den Kunstzeitschristen umsieht, der kann
als Deutscher seine Helle Freude haben daran, wie stark
heutzutage der nationale Standpunkt in Literatur, Kunst
und Kunstgewerbe betont wird — aus dem Papier! Alles,
was eine Feder führt, ist damit einverstanden, daß es keine
höhere Ausgabe giebt für eine vernünftige Kunstsörderung,
als die pflege des Nationalen — aus den: Papier! Volks-
kunst, Heimathkunst, Bodenständigkeit der Kunst, wo man
hinkommt, schallt es einem entgegen — ans dem Papier!
In der Wirklichkeit sieht es ganz anders aus! Wan
braucht nur die Schaufenster moderner Kunsthandlungen
zu betrachten, um wahrzunehmen, daß wir tiefer in der
Ausländerei stecken, als je zuvor, trotz aller Phrasen von
Heimathkunst. wo man hinsieht, ausländische Erzeugnisse,
französische und belgische Bronzen, französische Zinnsachen,
französische Kunstgläser, französische Töpfereien, Kopen-
hagenerporzellane, englische Möbel, englische Dekorationen,
das ist, was den Markt beherrscht? Und wie könnte es
auch anders sein? Unter den Augen und vielfach auf An-
regung derselben, die so treffend vom Nationalen in der
Kunst zu sprechen wissen, ist ja das deutsche Publikum seit
 
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