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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 24
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Rücklin, R.: Zur gegenwärtigen Lage in der Kunstindustrie
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Thomas, Bertha: Londoner Ausstellungen 1901
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0428

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37^ -—Die Aunst-Halle -r -^- Nr. 2(s

"geschäftlichen Krisis, die gegenwärtig auf so weiten Ge-
bieten gewerblichen Schaffens lastet, nicht vorübergeben,
ohne auch ihren Einfluß zu würdigen, den man jeden-
falls nicht allzu gering anschlagen darf. Die Her-
stellung neuer Modelle ist für die Kunstindustrie keine
so einfache Sache, wie der Laie sie sich gewöhnlich
vorzustellen pflegt, denn es handelt sich dabei in
erster Linie nicht nur um den graphischen oder-
plastischen Entwurf, sondern um die Vorrichtungen,
die zu dessen mechanischer Vervielfältigung nothwendig
sind. Unendlich viel Arbeit, Zeit und Geld müssen
aufgewendet werden, bis nur die Fabrikation be-
ginnen kann, die, sobald es sich um neue Formen
handelt, doch stets mehr oder weniger auf Risiko
unternommen werden muß. Es darf nicht Wunder
nehmen, wenn in Zeiten geschäftlicher Flauheit der
dazu gehörige Unternehmungsgeist erlahmt, wenn
man ängstlicher als sonst sich an die als sicher er-
kannten Geschmacksäußerungen des Publikums klam-
mert, — und wenn man endlich der neuen Kunst-
richtung die Schuld zuschiebt, wo ungünstige Um-
stände geschäftlicher Art zusammengewirkt hatten.
Menn die gegenwärtige geschäftliche Depression
überwunden und die Kauf- und Unternehmungslust
wieder frischer sein werden, dann wird sich die neue
dekorative Kunst fraglos neben ihrer rein künstlerischen
Bedeutung auch zu einem sehr bedeutsamen wirthschaft-
lichen Faktor für unsere Kunstindustrie entwickeln.
Neues wird verlangt und Neues wird in ihr sich
bieten. Melcher Art dieses Neue sein wird, darüber-
läßt sich jetzt weder etwas Bestimmtes sagen, noch
wird es für alle Käuferkreise das Gleiche sein. Mas
wir jetzt unter modernen: Ornament, unter moderner
Dekorationskunst verstehen, das sind die künstlerischen
Aeußerungen einer verhältnißmäßig geringen Zahl
begabter, selbstständiger und eigenwilliger Künstler-
naturen. Daraus wird ein typisches, dem Geiste
unserer gesummten Kulturentwickelung entsprossenes
und breitesten Schichten unserer Bevölkerung ver-
ständliches und vertrautes Ornament sich entwickeln
müssen, wenn wir anders je von einer wirklichen Zeit-
und Volkskunst werden sprechen dürfen.
Mie weit wir von diesem Ziele noch entfernt
sind, zeigt wohl nichts deutlicher, als das, was in den
letzten Zähren von unserer Kunstindustrie an „mo-
derner^ Maare auf den Markt geworfen worden ist,
und das in seiner Mehrzahl alle Verzerrungen und
Auswüchse zeigte, die nur eine wild ins Kraut ge-
schossene Neuigkeitenhetze zeitigen kann, wenn jetzt
neben der geschäftlichen noch eine Geschmackskrisis
auszubrechen scheint, insofern, als man daran zweifelt,
ob man auf dem einmal betretenen Wege weiter-
gehen dürfe, so kann das nur von segensreichen
Folgen begleitet sein, von einer ernsthaften Ge-
fährdung der neuen Kunstrichtung in der Industrie
durch eine solche Schwankung kann gar nicht mehr

die Rede sein; und wenn dadurch eine etwas be-
scheidenere und überlegtere Handhabung der neuen
Formen bewirkt wird, so können wir das ja nur mit
Freuden begrüßen.
Der Bericht des Aeltestenkollegiums der Berliner
Kaufmannschaft, von dem unsere Betrachtung aus-
ging, ist, soweit er die Aussichten des modernen Stils
in der Kunstindustrie anbelangt, also jedenfalls zu
pessimistisch gehalten. Er ist aber auch noch von
einer andern Seite interessant zu betrachten, die ich
noch kurz streifen möchte, wenngleich sie nicht in den
engeren Rahmen unseres Themas fällt. Das ist
die überaus geringe Kenntniß in Kunstangelegenheiten
allgemeinster Art, welche sich in dem Berichte aus-
spricht, in jeder Einzelheit desselben, soweit es sich
um Kunst handelt: Zn dem Urtheil über die Pariser
Weltausstellung, in der Art, wie die historischen Stil-
arten bezeichnet werden, in dem absprechenden Tone,
in dem von moderner Kunst gesprochen und über ihre
Zukunft geurtheilt wird. Es ist wohl angebracht,
auch das einmal auszusprechen: Menn der Kaufmann
die Leitung der Kunstindustrie beansprucht, so sollte
er sich doch wenigstens soviel um Kunst bekümmern,
daß ihn: solche Verstöße nicht unterlaufen; sonst
könnte man versucht sein, anzunehmen, daß der bis-
herige geringe Erfolg der modernen Kunst in der
Industrie davon herrührt, daß die Leiter dieser nichts
von jener verstehen.
Londoner Ausstellungen iyoi.
von B. Thomas, London.
(Schluß.)
f em Galaporträt der Königin Viktoria von
Benjamin Tonst ant, in: pariser Salon sslOO
und jetzt hier in der Akademie ausgestellt, ist seitens unserer
Kritik kaum die ihm gebührende Würdigung zu Theil
geworden. Aufgabe des Künstlers war hier nicht
die malerische Darstellung der Königin als Frau in
diesen: oder jenem Lebensmoment; sie bestand vielmehr
darin, die Majestät als solche zur Anschauuug zu
bringen, derart etwa, wie es eine Verewigung der
Herscherin auf einer Denkmünze erfordern würde,
mithin in symbolischer oder idealer Auffassung der
hohen Persönlichkeit als Monarchin. Und dies ist
den: Maler recht wohl gelungen, wozu sich noch der
Vorzug einer ungemein feinfühligen Farbenharmonie
gesellt. Auch kann denen, die sich der Königin aus
ihrem mittleren Lebensalter erinnern, dieses Bild im
Punkt der porträtähnlichkeit besser genügen, als
manche von denen, die nur eine völlig treue Wieder-
gabe der Person anstreben. Einige unserer Maler-
haben uns Darstellungei: vom Leicbenbegängniß der
Königin geboten, indessen ohne irgendwie etwas von
einem stimmungsvollen Ton zu schaffen, wozu diese
ergreifende Zeremonie wohl hätte inspiriren können.
Immerhin ist z. B. LH arlton eine malerisch wirksame
Schilderung des Londoner Zuges gelungen.
Unter der: wenigen südafrikanischen Kriegsbilderi:
ist Miß Kemp Welchs „In Sicht", Lord
 
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