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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 15
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Galland, Georg: Die Berliner Geschichtsmalerei vor Menzel
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0266

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230

4- Die Runst - Halle -4

Nr. s5

da sie Sterbeszenen geben: Der Tod des Königs und
der Tod des ertrunkenen Herzogs Leopold von Braun-
schweig. Von letzterem Gemälde — ebenso von Node's
„Fürstenbund" — enthält die Publikation der
akademischen Hochschule, die zur Jubelfeier s896 er-
schien, kleine aber gute Abbildungen. Die Situation:
wie Herzog Leopold von Schiffern aus dem Wasser
gezogen und erkannt wird, bekundet so viel Glaub-
haftigkeit, daß man vor solchem kräftigen und durch-
aus modernen Realismus des Berliner Meisters des
s8. Jahrhunderts allen Respekt haben muß.
Rode's Schüler Frisch, der liebenswürdige und
zaghafte Frisch, wie ihn Schadow mit Hochachtung
nennt, war gleichfalls Historienmaler und trat mit
seinen vaterländischen Stoffen, seinen friderizianischen
Bildern ganz in die Fußtapfen seines Lehrmeisters.
Lins seiner Hauptwerke, „Der Tod Schwerins" in
der Schlacht bei Prag von f787, erinnert ebenfalls an
senes Vorbild des amerikanischen Meisters West. Der
Kupferstecher Berger hat später eine zweite gelungene
Komposition von Frisch „Seydlitz in der Schlacht bei
Roßbach", l.795 ausgestellt, als Pendant zu dein
Schwerinbilde auf Kupfer übertragen; beide Stücke
sind in der genannten Festschrift im kleinsten Format
reproduzirt . . . Die Kunstausstellung von s78f)
brachte wiederum ein historisches Gemälde von
Tuningham: „Friedrich II. in der Schlacht bei
Hochkirch", wo Keith und andere preußische Generale
fallen, ohne daß des Königs Muth und Kaltblütig-
keit nur einen Augenblick in's Wanken kommen. Die
Beschreibung in: Katalog lobt die Wahrheit und die
Kraft des Ausdrucks aller Gruppen und Einzel-
figuren und resümirt die Vorzüge des Bildes durch
die drastische Bemerkung, daß dem Beschauer die
Geschichte hier bis zur Täuschung nahegeführt sei.
Die Künstler schrieben sich also damals ihre Kritiken
selber, und sie waren seb^r zufrieden damit.
Das Berliner Publikum scheint den historischen
Stoffen übrigens wirkliches Interesse entgegen-
gebracht zu haben, sonst würden sie kaum sich dauernd
behauptet haben. Selbst Daniel Thodowiecki, der
bisher wohl nur vereinzelt Friderizianisches produzirt
hatte, wie jene Anekdote vom alten Ziethen, der vor
Friedrich einnickte, und die Potsdamer Wachtparade
von s777 mit dem König zu Pferde, bietet in diesen
Zähren Vaterländisches in Hülle und Fülle, mit dem
er die verschiedenen Almanache schmückt: Hervor-
gehoben sei nur der Berlinische genealogische Kalender
auf s79^, welcher zwölf Thaten Friedrichs II. illustrirt,
und der Lauenburgische Kalender desselben Zahres
nut den Verbildlichungen von sechs friderizianischen
Anekdoten.
Dem s8. Jahrhundert und kürzere Zeit dem
Berliner Künstlerkreise gehörte auch der berühmte
Däne Asmus Tarstens an, der gedankenreiche erste
Klassizist unter den Malern, dessen ideale Ausdrucks-
weise bekanntlich das Gewand des künstlerischen

Griechenthums und des Cinquecentos trug. Zm
Jahre s79s hat er als einziges Beispiel der vor-
liegenden Gattung „Die Schlacht bei Roßbach" als
„Zeichnung in Braun" ausgeführt; er sandte sie,
zugleich mit einer Argonautenskizze, auf die nächste
Berliner Ausstellung. Näheres darüber berichtet
Schadow in den „Kunstansichten": „Tarstens, ein
Künstler, den Kennern in wertstem Andenken wegen
des hohen Stils in seinen Trayon-Entwürfen, erhielt
den Auftrag, König Friedrich II. in der Schlacht von
Roßbach mit Gefolge zn zeichnen; es siel so aus wie
das von B. Rode, nämlich ganz unbrauchbar." .. Mit
- den ästhetischen Grundsätzen der klassischen Richtung
war freilich bei solchen Aufgaben nichts anzufangen.
Die Schlacht im Hintergründe ist nicht allzu aufregend
geschildert; während vorn rechts der König zu Roß
mit vorgestrecktem Krückstock einem General Befehle
ertheilt, so gemächlich wie auf einer wachtparade,
und zwar einer „aus der guten alten Zeit", nach den
„Fliegenden" . . . Tarstens starb 1798 in Rom, ihm
war Rode um ein Zahr voraufgegangen, Tuningham
lebte damals längst nicht mehr und Thodowiecki folgte
nach kurzem Direktorat im Zahre s80s.
So begann die Historienmalerei im neuen Zahr-
hundert mit für uns großentheils neuen Persönlich-
keiten. Zunächst brachte die Kunstausstellung von
f800 gleich eine ganze Sammlung von Historien, eine
Gallerte vaterländisch-historischer Darstellungen in
Malerei, Stich und Handzeichnung, die —. wie man
im Katalog liest — „größtenteils auf Befehl S. Mas.
des Königs angefertigt" waren. Friedrich II. nach
der Schlacht bei Leuthei:: jene bekannte Szene
„Ron soir, LIssslknrs", die ja auch Ad. Menzel später
packend schilderte, war ein Kupferstich von Daniel
Berger nach der Zeichnung des Dresdener Professors
Schubert. Friedrich II. bei Tollin war ein Gemälde
von Frisch, Friedrich der Große an: Sarge des
Großen Kurfürsten ein Werk von Puhlmann, der
Große Kurfürst mit Gemahlin bei der Belagerung von
Anklam, lautete der Titel einer Malerei von Prof.
F. G. weit sch, der aus Braunschweig stammte und
an die Berliner Akademie berufen war. Ferner sah
man auf jener Ausstellung von s800 vaterländische
Historien von Meil d. Aeltern, Thodowiecki, H. A.
Daehling, Rosenberg, Grätsch, Tollmann, Karl
Kretschinar, Karl Kolbe, dein Kupferstecher Meno
Haas, Prof. H. Schumann u. a. Lehrern und Mit-
gliedern der Akademie.
Diese Ueberfülle von Werken der einen Gattung,
deren Vereinigung auf der Kunstausstellung von s800
also einer besonderen Veranlassung und dem könig-
lichen Wunsche, der Jahrhundertfeier, zu danken war,
konnte daher unmöglich als ein Beweis für die Ein-
seitigkeit des Berliner Kunstschaffens jener Epoche
überhaupt gelten. Wer die Kataloge der ersten
akademischen Ausstellungen aufmerksam durchblättert,
wird vielmehr herausfinden, daß schon damals in
 
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