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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 12
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Gustav, Leopold: Münchener Brief
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Meyer, Bruno: Berliner Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0214
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Die Aun st-Halle

Nr. f2


^üycsteyep Ni-iek.

^-1 m j2. März feierte Prinzregent Luitpold von
Bayern den achtzigsten Geburtstag. Auf den
Pfaden feines königlichen Vaters Ludwig I-, seines Bruders
und Neffen fortwandelnd, hat es der greise Herrscher stets
als eine seiner vornehmsten Pflichten erachtet, München
seine hervorragende Stellung unter den Pflegstätten
deutscher Kunst zu erhalten, wenn es dem Regenten auch
nicht vergönnt ist, die Künstler in so reichem Umfange zu
beschäftigen, wie seine Vorgänger, da er nicht selbst die
Krone trägt und deren Vortheile genießt, so hat er doch
stets das Seine dazu beigetragen, Förderer und Freund
der Kunst zu sein. Fast täglich erscheint er in einem der
Ateliers, nicht nur solcher, denen es durch die allgemeine
Werthschätzung ihrer Leistungen gelungen ist, sich Paläste
zu bauen, welche würdig sind, Fürsten zu empfangen.
Nein, oft steigt der greise Herr die windschiefen vier
Treppen hinauf in die bescheidenen Werkstätten ringender
junger Talente. Der Regent bevorzugt nicht eine „Richtung"
zum Nachtheil der anderen. Neben den Künstlern, deren
Verdienste bereits die Kunstgeschichte gebucht hat, weiß das
feinsinnige Kunstverständniß des hohen Herrn auch in dem
ungebärdig schäumenden Most das Zukunftsverheißende
herauszufühlen. Und so hoffen wir, daß der greise
Herrscher „seinen,, Malern und Bildhauern, wie der ge-
jammten deutschen Kunstwelt noch recht lange erhalten
bleiben möge. —-
Die Gallerie Heinemann hat vor Kurzem eine
Frühlingsausstellung eröffnet, welche einen im Ganzen
künstlerisch hochstehenden Eindruck gewährt. Ein Melbild
Menzels: Fackelzug zu Ehren Friedrich Wilhelm IV. (^85y)
ist geradezu famos in der Wiedergabe der im feuchten
Dunst schwelenden Pechfeuer; Lenbach bringt das viel-
bekannte Jugendporträt Paul Heyses, eine Bismarckskizze
aus dem Jahre ^887, den fein herausmodellirteu Kopf
eines Prinzen und ein farbenbestechendes Frauenporträt.
Von Stuck sehen wir eine lauschende Nymphe; was soll
man immer dasselbe sagen, es ist ein mittlerer Stuck von
den bekannten koloristisch-dekorativen Vorzügen. Adolf
Lchtler bringt uns eine Bajadere, ein farbig recht inter-
essantes Werk. Dem etwas süß verklärten Gesichtsausdruck
nach, scheint der Gott der Bajadere nahe zu sein. Nonnen-
bruchs Mädchenbild trägt das Motto: wir sinnen und
sehnen in seliger Lust; auch hier mehr malerische Vor-
züge, als Vertiefung der gestellten schwierigen Aufgabe.
Haar und Gewand sind mit eleganter Technik hingestrichen.
Gabriel Max' „Himmelwärts" ist ein von dem Künstler
oft gemaltes Motiv schwärmerischen Traumverlorenseins.
„Zeit und Raum, Lebenstraum" zeigt in der Malerei
Reize vornehm abgewogener Pinselführung. Die stets fo
famos gezeichneten Araberpferde und der feinsinnige
Kolorismus Adolf Schreyers treten auch in der Skizze
„Zur Truppenschau" angenehm zu Tage. Defreggers
Dorfvorsteher ist ein fein charakterisirtes, liebenswürdiges
Werk; Grützner weiß immer noch Mönche zu bringen,
ohne sich zu wiederholen. Von Knaus sehen wir dessen
famosen Alpenjäger; Firle bringt eine liebenswürdige
Madonna im Garten, ein Bild der Unschuld, ohne Süß-
lichkeit. Unser verstorbener Leibl ist mit dem Porträt
einer Kellnerin und der Studie eines sitzenden Jungen

vertreten. In beiden Bildchen sehen wir die absolute
Wahrhaftigkeit dieses nichts verschönenden großen Wirk-
lichkeitskünstlers. Ludwig v. Löfzt bringt einen krafvoll
herausmodellirten Schmied und eine feine, weiche Land-
schaft, in der das Bächlein famos gemalt ist; ein Stillleben
von Gysis ist vornehm und wirkungsvoll in den Farben;
man schätzt diese seintonigen Bilder des verstorbenen
Meisters noch lange nicht nach Gebühr. Brütts Bahn-
hofsbild ist trotz manchem farbig malerischen Detail doch
durch seine Größe stellenweise illustrativ und etwas nüchtern.
Raphael Schuster-Woldan hat wieder einen seiner scharf-
geschnittenen Frauenköpfe gesandt, flott und elegant in der
Malweise.
Sehr viel Gutes bringt der landschaftliche Theil; vor
Allem zwei schlichte, innig erfaßte Schwarzwaldthäler vor:
Hans Thoma, ein prächtiger willroider, wengleins düstere
und stimmungstiefe Hochmoor bei Tölz; dann Strietzel und
Bürgel. Eanal bringt eines seiner seintonigen Mühlen-
bilder. Ehr. Baers Krautgarten ist flott hingehauen.
Die feinen Bildchen des alten Spitzweg geben einen
interessanten Rückblick. Zwei kleine Eorot, Boulard psrs
et üls, Dagnan und Decamps vervollständigen die interessante
Kollektion. Leopold Gustav.
X
Aeisiiyel- AusskelluyAey.
I. Die Koner-Ausstellung der Akademie.
^^as Interessanteste für den Menschen bleibt doch
immer der Mensch I Diesen Gedanken wird man
schwerlich los, wenn man diese stattliche Reihe von
Bildniß-Darstellungen auf sich wirken läßt, welche herbe
Willkür des Schicksals, einen Mann, der Solches leisten
konnte, so in der Blüthe der Jahre hinwegzuraffen. Nur
mit tiefster Wehmuth kann man in die liebenswürdigen
Züge des Meisters blicken, wie sie in einem Bilde von
der Hand seiner Gattin aus einem Walde von Kränzen
und Blumen, Spenden reicher Liebe, uns entgegenblicken.
Und er mochte wohl sagen — wie Goethe von seiner
Trippelschen Büste: Ich habe nichts dagegen, daß die Vor-
stellung, als habe ich so ausgesehen, auf die Nachwelt
kommt. Männliche Beschauer werden vielleicht den Zug
markiger Energie etwas vermissen, der dem lebhaften
Geiste des Meisters entsprach. Gleichwohl kann man sich
dieser Darstellung als einer wahrhaft Liebe heischenden
Verherrlichung des Heimgegangenen, wie Liebe sie ja ge-
schaffen hat, innig erfreuen.
Koner selbst tritt uns in den weit über hundert
Bildern und Studien als ein Meister entgegen, dem eben
nur noch die Zeit der Ernte gefehlt hat, um zu den ganz
vollendeten zu zählen. So, bei dieser brüsken Beendigung
seines Lebensganges vor der Zeit, läßt sich leicht die
Einheit und Sicherheit eines ausgeprägten Stiles ver-
missen. Nur in Einem, dem Grundlegenden, ist er eigent-
lich von Anfang an fertig: er packt die Menschen in
ihres Wesens Kern. Er stellt sie als abgerundete Indi-
vidualitäten vor uns hin, ohne sie über das Prokrustes-
bette einer eigenen Art zu sehen, zu spannen, — ein
Fehler, von dem bekanntlich selbst ungeheuer Große in
Vergangenheit und Gegenwart nicht frei sind. Be-
 
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