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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 20
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Dresden: Internationale Kunstausstellung 1901
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Dworaczek, Wilhelm: Wiener Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0359
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Nr. 20

4- Die Kunst-Halle -s——>

3s3

ersten gepflückten Blüthen hinab ins Thal tragen
lassen, wo unter wehenden Bäumen Kinder im Reigen
tanzen: es ist viel Naturpoesie im Vorwurf und in der
farbigen Gestaltung. Unter den Landschaften fällt,
neben Fischer-Gurigs Abendstimmung nach dem Ge-
witterregen, einem vortrefflichen Bilde, die „Winter-
sonne" von Bernhard Schröter, ein feines kleineres
Bild von R. Sterl, einige Landschaften aus dem
Riesengebirge von dem begabten Müller-Breslau und
kleinere Bilder von Franz Kunz auf.
Von den Bildern des fleißigen Thiermalers
Franz Hodmanu ist der Schafhirt, der, bei sinkender
Nacht an seinem Karren sitzend, seine pfeife in Brand
setzt, hervorzuheben. Ferner seien erwähnt das Küchen-
interieur aus Danzig von Ldm. Körner, eine koloristisch
reife Arbeit, das große Bild „Nordseefischer" von
Otto Nossow, von dem mit Recht dasselbe zu sagen
ist, ein farbig geistvolles Pastell „via cruLi8" von
Moritz Heidel und die in ihrer Art über der Kritik
stehenden drei Interieurs von Gotthardt Kuehl: be-
sonders die Andacht im Waisenhaus in Danzig ist
ein überaus seines Bild, und nächstdem der „Artus-
Hos in Danzig", ein Innenraumbild ohne Figur, her-
vorragend durch die erstaunliche Wahrheit der
Wirkung, die seine Abstufung der Töne und die
virtuose Wiedergabe aller Einzelheiten, die sich dem
Ganzen unterordnen. Von den Werken von Georg
Lührig, die stets bei denen Theilnahme erwecken
werden, die sich gerne in die Eigenart eines Künstlers
versenken und nicht von vornherein krittelnd an
Äußerlichkeiten hängen bleiben, muß gesagt werden,
daß sie neben dem Respekt vor der eminenten Arbeits-
leistung, die in dieser getreuen eingehenden Durch-
führung liegt, höchste Achtung vor der Selbstständig-
keit in der Naturwiedergabe erzwingen: es ist Alles
selbst geschaut und durchdrungen, nichts nachgemacht
und anempsunden. Daß einem die Bilder trotzdem
unsympathisch durch die ausdringliche Häßlichkeit
mancher Form, manchen Gesichtes sein können, kommt
hier nicht in Betracht.
Die anschließenden Berliner Säle zeigen ein
ruhiges harmonisches Bild, eine Folge sehr geschickten
Häufens. Zunächst fällt die Mondnacht von
Skarbina durch ihren schönen Ton aus, sodann
von G. H. Engel eine wahre Abendstimmung „beim
Dorschangeln", das „Altsrauenhaus in Leyden" von
Max Liebermann und ein prächtiges Thierstück von
G. Frenzel. Das Bild „Waldesschauer" von M.
Brandenburg ist mit viel Gefühl für phantastische
Naturempfindung gemalt, und die Erfindung der
absonderlichen Waldbewohner ist glücklich. Erwäh-
nenswerth sind ferner die Bilder von L. von Hof-
mann, die diesmal wieder kräftigere Akkorde an-
schlagen, als in letzter Zeit, und das Feierabendläuten
von Ludw. Dettmann. Der so begabte p. Baum
erweckt mit seiner Ansicht des Hafens von Neapel
das Bedauern, daß er in so undeutschen Experimenten
hängen bleibt, die er unter Ausgabe feder Eigenart
den Belgiern nachmacht. München ist stattlich ver-
treten auch mit der Kunstgenossenschast; da steht
F. A. Kaulbach mit zwei wundervollen Porträts, dem
eines Kindes und dem einer Dame (in rundem For-
mat) obenan: Lenbach könnte besser vertreten sein,
prächtig ist aber das meisterhaft gemalte Porträt
eines Herrn von Walther Thor, sein die Interieurs
von Karl Blos und die Kaninchen von W. Geffken.
Auch das schon viel besprochene „Ocki prvfanum vol-
ZU8 st arsso" von N. Schuster-Woldau, das farbig
ein Meisterstück ist, finden wir hier neben dem gleich-

falls vortrefflichen Bilde seines Bruders Georg Sch.-
woldau, dem unheimlichen Waldgeist mit Kindern.
Mit der reizender: Madonna von Engeln umgeben
von Firle, einigen schönen Landschaften von Küstner
und Urban (Eintagsschnee) und dem im Ton außer-
ordentlich seinen Kirchenbild von Karl Seiler hätten
wir sodann in Kürze das Hauptsächlichste erwähnt
und kommen nun in den Karlsruher und Stuttgarter
Saal. Dort fällt sofort eiu prächtiges großes Bild,
ein Viehherde von dem genialen V. Weishaupt, aus,
zwei Bilder von Kollmorgen, von denen besonders das
der Arbeiter, die sich im Boot an die Arbeit aus der
Werst begeben, vortrefflich ist, eine schöne Landschaft
von p. von Ravenstein, die beiden etwas gar zu derb
hingestrichenen, aber doch des koloristischen Reizes
nicht entbehrenden Bilder von Otto Reiniger, ein
sehr schönes Porträt eines älteren Herrn von Tasxar
Ritter und die eigenartig ausgesaßte Pieta von
A. von Otterstedt. In den kleinen Nebenkabineten
finden wir dann noch, mit Bedauern wegen des
schlechten Platzes, einen außerordentlich gut gemachten
Wintermorgen von Wilh. Nagel. Zum Schluß
bleibt noch aus einem kleinen Nebensaale der linken
Seite ein vortreffliches Bild „Abfahrt der Schiffer"
von Severin Kroyer, ein seltsam sein durchgesührtes,
harmonisch wirkendes größeres Waldbild von Henri
Biva und die bereits bekannte Bretonin von Viktor
Schars zu erwähnen. Hier schließt sich der Wiener
Saal an mit der vielbesprochenen Philosophie von
Klimt. Ich darf annehmen, daß alle Leser bereits
so viel über dies Bild gehört und gelesen haben, da-
sern sie es nicht selbst sahen, daß Beschreibung und
näheres Eingehen nicht nöthig ist: konstatiert sei nur,
daß es, selbst in geringer Deckenhöhe angebracht,
kaum klar und schmückend als Bild wirken wird: es
ist eine geistreiche koloristische Leistung, an der die
Fachleute viel bewundern werden, die aber nur als
schöner farbiger Fleck wirken kann; und ob damit
der Zweck des schmückenden Deckenbildes, das die
Philosophie darstellen soll, erfüllt ist, scheint zweifel-
haft: so viel man hineindeuten kann, es sagt von
selbst wenig. Sehr schön ist von demselben Künstler
die Surporte „Schubert", zwar nahe an's Süß-
liche streifend, aber doch noch die Grenze einhaltend.
Von den andern Wienern fallen besonders Fer-
dinand Andri mit seinen originell geschauten kräftigen
Pastellen aus dem Landleben, Karl Moll mit den
prächtigen Ansichten der Kais. Bibliothek in Wien,
und der talentvolle Emil Orlik mit einem fein ge-
zeichneten Bildniß in Pastell aus. T. M.
Berichtigung: Im letzten Studien-Bericht, Nr. (6
ist zu lesen aus Seite 2fl8, erste Spalte, Zeile 7 v. u.
Stil statt Thik und aus der zweiten Spalte, Zeile (2
v. u. Hölbe statt Hölte und Zeile 8 v. u. Telcs statt
Teles.
Di
Wiener s^uystbriek
von Paul Wilhelm.
sehr interessante Ausstellung ist gegenwärtig
im Saale Ronacher zu sehen. Alexander
Sochaczewski, ein polnischer Maler, der durch
22 Jahre in sibirischer Gefangenschaft schmachtete, hat
einen Zyklus von Gemälden und Studien unter dem Titel
„Sibirien und seine Gpser" zur Ausstellung gebracht. Die
Gemälde gehören in die Kategorie der Tendenzmalerei
 
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