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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 21
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Ein neues Schutzmittel für Gebäude
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0379
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Nr. 2s

4- Die Au nst-Halle —-

33s

rahmen die einzelnen Theile desselben an den Ecken bis
zn einein Zoll weit auseinandergetrieben. Daß dadurch
die Bildfläche mit Brüchen und Sprüngen in Mitleiden-
schaft gezogen werden muß, liegt aus der pand. Bei
alten Bildern hat der beständig wiederkehrende Prozeß
des Zusammenziehens und Ausdehnens der Leinwand die
harte Bildfläche in zahllose Fagetten zerbrochen und da-
durch die bekannten Eraqueluren erzeugt. Wie bei hartem
Malgrund und hart gewordener Farbe sich das Zusammen-
ziehen der Leinwand bei Nässe in Brüchen äußert, so
äußert es sich bei frischer, noch geschmeidiger Malerei in
Sprüngen, Rissen. Die Malerei ist scheinbar zerplatzt, und
die Bildfläche ist von einem Netz weißer Linnen durchzogen.
Je nach der Mahl der Farbenbeimischung bleibt der
Farbenauftrag länger oder kürzer geschmeidig. Die Ge-
schmeidigkeit, eine gewisse Weichheit der Farbe, kann Jahr-
zehnte vorhalten. Zieht sich nun bei einem solchen Bilde
die Leinwand zusammen, so wird die Farbe in sich zu-
sammengeschoben- Bei der Wiederausdehnung reißt die
Farbe und bildet zwischen sich die trennenden Linien, die
sich immer mehr vergrößern und ausbilden, je länger sich
das Zusammenziehen und wiederausdehnen der Leinwand
wiederholt. Diesem Nebel sind zahlreiche Bilder, darunter
Kunstschöpfungen von Menzel, Knaus, Defregger, zum
Opfer gefallen. Am meisten treten die verheerenden Ein-
flüsse der Feuchtigkeit bei Bildern auf, die in ungeheizten
Räumen hängen. Die im Winter in das Mauerwerk ge-
drungene Kälte äußert sich im Frühjahr durch das soge-
nannte „Ausschlagen", wobei die wände buchstäblich naß
werden. Der hierdurch entstehende Ueberschuß an Feuch-
tigkeit wird nun begierig von der Leinwand aufgesogen,
und die Folgen davon sind die in solchen Gallerten zahl-
reich auftretenden Verwitterungen, Risse, Sprünge, Brüche,
Zerknitterungen und Verbeulungen.
Das Material befindet sich durch seine hygroskopische
Eigenschaft in fortwährender Arbeit an dem Ruin der
Bilder, wie Leinwand sich in nasser Luft zusammenzieht
und in trockener wieder ausdehnt, so verhält sich Polz um-
gekehrt. Das Straffziehen der durch Feuchtigkeit an und
sür sich zusammengezogenen Leinwand wird noch unterstützt
durch das Ausdehnen des hölzernen Rahmens, auf den die
Leinwand gespannt ist; und das Ausdehnen und Faltig-
werden der Leinwand vermehrt andererseits das Zusammen-
ziehen des trocken werdenden polzes. Die Veränderung
in der Ausdehnung des polzes ist keine so gewaltsame wie
bei Leinwand. Sie äußert sich beim polz auch mehr in
der Breitfaser und weniger in der Längsfaser; für den
hölzernen Rahmen kommt aber hauptsächlich die Längs-
faser in Betracht, so daß der wesentliche Antheil beim
Gespanntsein und Faltigwerden der Bilder immer in der
Leinwand liegt, pat diese einmal ihre hygroskopische
Eigenschaft verloren, so verhält sich das Bild so gut wie
gleichmäßig, unbedingt gleichmäßig aber, wenn auch das
polz des Blendrahmens durch das Bestreichen mit dem
Schutzmittel unveränderlich gemacht wird.
Bei polzbildern tritt eine Verwitterung der Bildfläche
seltener auf, weil diese durch die dicke polzschicht gegen
das Eindringen der Feuchtigkeit von der Rückseite geschützt
ist. Die bei polzbildern entstehenden Schäden haben ihre
Ursache meist in dem verbiegen der Polzplatte. Da polz
sich bei Feuchtigkeitsausnahme ausdehnt und diese nur auf
die Rückseite wirkt, weil Farbe und Firniß die Vorderseite
dagegen schützen, dehnt sich die Rückseite in der Breitfaser

aus, die Bildfläche krümmt sich nach innen und zerplatzt
in der Richtung der Längsfaser. Die meisten alten polz-
bilder weisen diese Brüche und, damit verbunden, heraus-
gedrängte und abgexlatzte Stellen der Malerei auf. Durch
die Aufhebung der hygroskopischen Eigenschaft des polzes
werden diese Schäden dauernd vermieden.
Ungleich stärker als durch das Aufsaugen der atmo-
sphärischen Feuchtigkeit wirkt das direkte Naßwerden der
Rückseite der Bilder, und diesem sind Leinwandbilder aus-
gesetzt, wenn sie gewaschen werden müssen. Lin anderes
waschen als durch Wasser und etwas Seife ist so ziem-
lich Unding. Der gewissenhafte Restaurator wird sich
scheuen, an neueren Bildern, die lediglich durch Jahrzehnte
langes pängen unansehnlich geworden sind, seine Tätig-
keit auszuüben, denn er weiß, daß durch das bloße
waschen, welches dem Bilde nöthig ist, demselben ein
Schaden zugefügt werden kann, der größer ist, als die
wohlthat feiner Reinigung, wie dringend nöthig es
aber ist, Bilder von Zeit zu Zeit zu waschen, kann inan
sich dadurch überzeugen, wenn man sich vergegenwärtigt,
wie ein Spiegel etwa aussehen würde, der einige Jahre
ungewaschen geblieben ist. Durch die Niederschläge der in
der Luft zertheilten Staub- und Rauchtheilchen werden
Farbenglanz und Feinheiten der Malerei derart beein-
trächtigt, daß ein gewaschenes Bild manchmal kaum als
dasselbe wiederzuerkennen ist und unter ungewaschenen in
vorteilhaftester weise auffällt; es sieht eben neu aus.
So einfach das waschen erscheint, so vielseitig sind dabei
die Anforderungen an Aufmerksamkeit und Vorsicht. Gegen
das Naßwerden der Rückseite ist es sehr schwer, sich zu
schützen. Durch unsichtbare Brüche und mikroskopisch kleine
Löcher wird sich auch bei großer Achtsamkeit Wasser in
die Rückseite einsaugen. An solchen Stellen wird durch
das Zusammenziehen der Leinwand die Farbschicht zu-
sammengepreßt und im Zusammenhang mit dem Mal-
grund gelockert. Jede einmal naß gewesene Stelle der
Rückseite wird sich früher oder später im Bilde markiren,
sei es durch Brüche mit aufgestandenen Rändern, Beulen
oder losgelöste und mit der Zeit abfallende Stellen der
Malerei.
Die wichtigste Errungenschaft der letzten zo Jahre
für die Konservirung alter Bilder ist das M. von petten-
kofersche Verfahren, das darin besteht, verwitterten Firniß
durch verdunstenden Spiritus neu zu beleben. Dadurch,
daß weder ein neuer Auftrag auf das Bild kam, noch ein
früherer von dem Bilde entfernt wurde, blieb das Bild
intakt und entging somit den sehr häufig schädlichen Ein-
fluß mit sich führenden Restaurirungsmethoden, wonach
entweder der alte Firniß gewaltsam entkernt, oder neuer
aufgetragen wurde. Mit beiden find oft die Originalität
entstellenden Uebermalungen verbunden gewesen. Zur
Unterstützung seines Verfahrens empfiehlt M. von Petten-
kofer, die Bildfläche nöthigenfalls mit Kopaivabalsam ein-
zureiben, und in besonders hartnäckigen Fällen die Rückseite
damit zn tränken. Nun ist immerhin der Auftrag von
Kopaivabalsam auf die Bildseite ziemlich gleichbedeutend
mit einer neuen Firnißschicht, wogegen die Tränkung der
Rückseite den großen Vorzug hat, daß sich in die mikro-
skopisch feinen Luftwege der Verwitterung gerade soviel
Kopaivabalsam einzieht, als zu ihrer Ausfüllung nöthig
ist, während der große Rest rückseitig in der Leinwand
verbleibt. Der Grundgedanke des Pettenkoferschen Ver-
fahrens ist, daß jedes Bild, ehe zu seiner Restaurirung
 
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