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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 22
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Marasse, M.: Moderna
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Jessen, Jarno: Glasgow: Internat. Kunstausstellung 1901
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0393
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Nr. 22

Die Aunst-H alle -D

3^3

liche Reliquie, nämlich einen alten Eimer, die Beute
einer Schlacht gegen die Bolognesen im Jahre (325.
Der Dichter Alessandro Tassoni, dem man in der
stattlich breiten Via Emilia ein Standbild gesetzt hat,
verfaßte ein in Italien sehr berühmtes komisches
Epos: „Da ssLobia rapita". (Der geraubte Eimer.)
Darin heißt es:
lVla la Zscokia fu 8ubito 8srrata
bis la Dorre muMor, ckovs amor 8tu88i
In allo per trolso pO8ta, s IsZata
Oon ana Zrun catsna u'eurvi 8L88i.
Z'sntra per einque Ports ov' e Zuarclata,
D rioo s savalisr, ede cli la pa88i
bis peUeZrin cki eooto, il quäl non voZlia
Vscksr 8i cksZna s ZIorio8L 8poAlia.
(Aber der Eimer wurde sofort eingeschlossen in
dem hohen Turm, wo sich die Trophäe noch befindet,
oben, und befestigt mit einer großen Rette an ge-
bogenen Steinen. Durch fünf Thore kann man an
den Bewahrungsplatz gelangen, und der ist kein
Kavalier, kein ernst zu nehmender Pilger, der hier
vorbeizieht ohne den Wunsch, eine so würdige, so
glorreiche Beute zu sehen!)
Ein englischer Dichter, Samuel Rogers, ein fein-
sinniger Ropf, der in seiner Lebenszeit — (762—(835
— mit allen großen Geistern seiner Heimath in Verkehr
stand, verlegt den Schauplatz seiner gruseligen Ballade
„Genevra" nach Modena. Das Gedicht beginnt also:
„Ik tdou 8kou1ä8t evsr Lome to lVloäsna
8top atu palaes nsar tks RsZAio' Oats,
Ovvslt in ok olck one ok tb>s Or8ini ste.
Wir aber halten uns fern von phantastischer
Poesie, lieben die Wahrheit auch in der Kunst und
schließen mit dem guten Rath: „Wanderer, steigst Du
über die Alpen, betrittst Du italienischen Boden nut
dem Ausruf: Ickase S8t Italia cln8 8aera!, so gehe
auch an Rtodena nicht vorbei und mache Dein
Kompliment vor Guido Mazzoni und Antonio
Begarelli!"
Llargow;
Internat. ^unZtausstellung iyoi.
von Jarno Jessen.
ie Glasgower Kunstausstellung blickt den Rei-
senden mit einer Art Sphinxantlitz an. Wer-
den weiten Weg nicht scheute, um die schottische
Kunst einmal in geschlossener Darbietung auf sich
wirken zu lassen, wird enttäuscht fragen müssen, ob
es sich um ein Dokument der Selbstverleugnung oder
der Selbstanklage handelt; denn alles Schottische ist
dem Oberbegriff einer großen brittischen Zentenale
untergeordnet worden. Von den vornehmen Garten-
blüthen der Romney und Lawrence, den Haus- und
Gemüsepflanzen der Wilkie und Faed und pettie,
den Treibhausgewächsen der Präraffaeliten und
Anglo-Hellenen und der schnellwuchernden Saat mo-

derner Impressionisten ist eine reiche Auslese zu-
sammengestellt. Gb die Schotten eine partikularistische
Absonderung gerade als Hausherren in ihrer Glas-
gower Ausstellung meiden wollten, ob sie sich nicht
stark genug fühlten, eine Nationalität zu repräsentiren,
muß eine offene Frage bleiben. Uns wäre ihr Selbst-
bewußtsein hier besonders dankenswerth erschienen,
denn vor allem der Schotten wegen kommen wir
nach Schottland. ' Die wiege der Glasgow Boys
lehrt, daß dem Impressionismus auf brittischem
Boden nur ein sehr dürftiger Spielraum gestattet
wird, wie Luzifer genügt auch ihm aber nur ein
Schlüsselloch zum Durchschlüpfen. Er kommt in
England als ziemlich glatt gestriegelter Homunkulus
hervor, und trotz der etwas stärkeren Zottigkeit unter
den Schotten steht er auch hier durchaus hinter aka-
demischen Erscheinungen zurück. Die Glasgower-
Sturm- und Drangbewegung beginnt mehr und mehr
ein Begriff von gestern zu werden. Immer noch
steht auch hier wie in England auf dein Tempel-
giebel der Kunst der Leitsatz Ruskins: „Ie mehr
Ausführung, je mehr Wahrheit". Der Besuch der
Glasgower Ausstellung wird trotzdem demjenigen
gewiß nicht bedauerlich erscheinen, der gern einmal
gewisse Meisterstücke, vor allem der präraffaelitischen
Schule, die sonst in Privatbesitz oder provinzgallerien
geborgen hängen, zu studiren. Madox Brown,
Rossetti, Burne-Iones, Hunt, Brett und Paton sind
mit geradezu klassischen Beispielen vertreten. Das
Ausland bietet nur eine umfassende Sammlung der
Barbizonisten, einige Holländer wie Mauve, Maris,
Israel und Bosboom, und vier deutsche Bilder von
Firle, Knaus, der unerhört schlecht gehängt ist,
Lenbach und Kiesel, der hier im Katalog als Keisel
genannt wird. Für die königlichen Empfangsräume
sind nur alte Meister gewählt. In dieser sogenannten
internationalen Glasgower Ausstellung betont sich
also der brittische Nationalismus auf das Stärkste.
Ein Vergleich mit dem großartigen Nebeneinander-
aller Nationen auf der pariser Weltausstellung kann
garnicht in Frage kommen.
Als König unter den Meistern früherer schottischer
Porträtmalerei ragt Raeburn mit seinem breiten
Styl, echt malerischer Behandlung und starker Tha-
rakteristik hervor. Thalmers schreitet in seinen
prachtvollen Schöpfungen auf Rembrandts Spuren
und wirkt zuweilen wie ein verflüssigter Leibl. Den
Beginn älterer schottischer Genremalerei bedeutet
Wilkie. In den hier gebotenen Schöpfungen zeigt
sich stark Teniers Einfluß, trotzdem Land und Leute
deutlich den Charakter der schottischen Heimath tragen.
Mit weniger mikroskopischem pinsel, aber vertieftem
Gemüthspathos berührt uns der verwandte Faed.
Glückliche Beispiele seines lachenden Farbensinns und
etwas flamboyanten Stils finden sich von John
Philipp, und in den anekdotischen Schöpfungen John
petties ist eine Fülle dramatischen Lebens mit herr-
licher Zeichnung und koloristiscber Delikatesse gepaart.
Die schottische Landschastsmalerei ist von ihren italie-
nisch gefärbten Anfangsstadien in Alexander Nasmyth
und seinem Sohn Patrick, dem „englischen Hobbema",
der freilich mehr an Ruysdael anklingt, zu verfolgen,
wir sehen dann den Appell der Natur an die
Künstlerherzen in werken Harveys, Macculochs,
Alexander Frasers. Dje Glasgower Donald und
Docharty überzeugen mit ihrem echten Realismus.
Besonders der Letztere weiß das feine Detail seiner-
köstlichen Farbensymphonien bis zu wahrhaft pathe-
tischen Wirkungen zu steigern.
 
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