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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 24
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Meyer, Bruno: Gr. Berliner Kunstausstellung: IV. Das Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0431
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Nr.

Die Aunst-Halle

377

ponold, Berlin. Auch diese sind in den Grundformen
von einer verblüffenden Einfachheit, und doch haben sie
eine gewissermaßen verhaltene Gliederung von so ein-
leuchtender Richtigkeit und Solidität, daß sie dadurch den
Beschauer fesseln. Dagegen können die Gewaltsamkeiten,
wie sie z. B. das Lckmöbel-Arrangement von Permann
Lipke zeigt, wirklich nicht Anspruch darauf machen, als
eine normale Fortentwicklung brauchbarer Möbelformen zu
gelten, sondern diese unnöthig geschwungenen Stützen, Um-
rahmungen, Theilungen u. s. w. tragen doch zu offen-
kundig den Stempel einer vorübergehenden Modelaune.
Auch Franz Bothes Standuhr würde in ihrer Einfach-
heit als eine ganz befriedigende Leistung anzuerkennen
sein, wenn sie sich nicht durch die beiden gänzlich un-
motivirten und über die Maaßen unschönen freistehenden
Ausladungen zu den Seiten des Zifferblattes entstellt
hätte. Fast unbedingt erfreulich kann man die wand mit
Ramin und zwei Gewehrschränken von Franz Aschenbach
nennen; namentlich auch die in polz geschnitzten Reliefs
sind von vortrefflicher Komposition und guter dekorativer
Wirkung. Als ein nicht umzubringendes Material, inan
mag ihm Stilformen abverlangen, wie man will, bewährt
sich auch setzt wiederum das Schmiedeeisen; namentlich ein
Ofenvorsetzer mit einem getriebenen Relief „Segelnder
Dreimaster" von Wilhelm Arndt erfreut durch gediegene
Arbeit und gefälligen Aufbau. Noch möchte ich den
Waldbrunnen von Georg Gerspacher hervorheben, mit
einen: reizenden Relief, Knabe und junges Mädchen aus
einer Brunnenschale trinkend, mit sehr geschickter Be-
nutzung eines bekannten antiken Terrakottamotivs.
Dem Verein „Mrnament" benachbart, sind eine An-
zahl von Zimmern ausgestellt, zunächst von Karl Eduard
Bungert das „Arbeitszimmer eines Tondichters", Pier
wie auch in den meisten anderen Zimmern wird vor-
nehmlich durch eigenartige Raumgliederungen und durch
höchst raffinirte Beleuchtungen gewirkt, die an dieser
Stelle noch durch ganz moderne Glasmalereien gesteigert
werden. Untersucht man aber die Sachen näher, so er-
giebt sich ein unglaublicher Mangel an wirklicher Er-
findung und vor allem an Formenschönheit, und zieht
inan vollends ab, was an entlehnten Zuthaten sich darin
befindet, so bleibt wenig als eigentliche Leistung übrig.
Das Beste an dem Zimmer ist unfehlbar das große Kamin-
relief „Feuerzauber" von G. Elster in Berlin. Im
übrigen fehlt es vollständig an dem, was gerade das
Zimmer eines Tondichters haben müßte: warmwohlige
Stimmung. Ls ist mit allem Raffinement auf eine ge-
wisse Unbehaglichkeit losgearbeitet, die uur zu gut erreicht
worden ist, einem aber vor der hier etwa entstehenden
Musik im vornherein Grauen beibringen könnte.
Fürchterlich ist ein sogenanntes „Musezimmer" —
reete Musikzimmer — von Arthur Biberfeld. Der Ge-
danke z. B., einem mitten über dem Notenpult eines
pianinos die Beethovensche Todtenmaske entgegenstarren
zu lassen, ist in der Empfindung von einer solchen Bruta-
lität, daß es genügt, zur Lharakterisirung des Ganzen
dieses eine Detail hervorzuheben. Thatsächlich sind z. B.
auch die fabelhaft ausgeklügelten Beleuchtungskörper von
einer unsagbaren Plumpheit, und die Erfindung eines
Ecksofas, dessen Seitenlehnen in runde Tische übergehen,
so daß man zwischen ihnen kaum zu dein Sitz gelangen
kann, gehört zu dem Abstrusesten, was sich wohl ausdenken

läßt. Das scharfe Gelb der Ueberzüge in seinem Gegen-
satz zu der dunklen Packung des ganzen Raumes kann nur als
ein beabsichtigter Schlag gegen das Gefühl des Beschauers
oder Bewohners aufgefaßt werden. — Traulich und durch
eine ganze Anzahl praktischer Kleinigkeiten in den Ein-
richtungen ausgezeichnet ist das Arbeitszimmer für einen
Ingenieur von Albert Geßner. Aber freilich kann ein
solches Nippexemplar von einem Zimmer wohl von
Niemandem schlechter als von einem Ingenieur gebraucht
werden. Auch sind die zum Theil ja überraschend netten
Einrichtungen in der Form meist recht wenig geglückt.
Kimbel hat ein Frühstückszimmer geliefert, das durch die
Einfachheit seiner Erfindung etwas Bestechendes hat,
namentlich auch die zierlichen Flachreliefs naturalistischer
pflanzentheile machen einen vorzüglichen Eindruck. Aller-
dings läßt sich nicht verkennen, daß hier von Erfindung
eigentlich erstaunlich wenig zu reden ist, die Wirkung be-
ruht auf dem erprobten Mittel hölzerner Wandbekleidungen,
und sie wird nicht gestört durch die Abwesenheit alles
Eigenartigen. — In der wand eines Damenzimmers ist der
Versuch gemacht, zierlich zu werden, was aber an der
nicht überwundenen Steifheit scheitert. Namentlich ist es
ja ein allgemeiner Fehler der neuesten „hochkünstlerischen"
Zimmer- und Möbelentwürfe, daß sie Sitzmöbel produziren,
bei denen einem das Kreuz schon weh thut, wenn man sie
bloß ansieht mit dem Gedanken, daß man sich darauf
setzen müßte. Außerdem ist hier ein einzelnes Motiv mit
einem Fragezeichen zu versehen, weil solche komplizirten
Anordnungen, die die Arbeit erstaunlich erschweren, dabei
gar keinen Sinn und auch künstlerisch keinen Zweck und
keine Wirkung haben, entschieden verworfen werden müssen.
In dem Mbertheile eines Schrankes sind die kleinen
Thüren mit Verglasung vertieft gelegt, d. h. sie befinden
sich nicht in der Vorderfläche des Schrankes, sondern
die beiden seitlichen gehen etwas schräg zurück, so
daß die mittlere etwas nach hinten gerückt sich befindet.
Man überlegt vergebens, was damit wohl beabsichtigt
werden mag. Von dem eben schon genannten ponold ist
noch eine Salon-Einrichtung in einem stark modernisirten
Stile Louis XVI ausgestellt, deren Zierlichkeit den Erfolg
begreifen läßt, den sie auf der Ausstellung gehabt hat.
wer tiefer geht, sieht wohl, daß der Grund dieser Wirkung
in dem Entlehnten liegt und das Pinzugethane eben nur
gerade bescheiden genug ist, um die erprobte Wirkung des
guten Alten nicht aufzuheben. Wunderliches Zeug sieht
man in einem Kabinett mit verschiedenen Ausstellungs-
stücken von Eduard Siedle, und ein kleiner Tisch mit
abenteuerlich gebildeten, das Sitzen an ihn: nach Möglich-
keit unmöglich machenden Füßen belebt die Kaminecke zu
einem Damenzimmer von Permann werle, die im
übrigen an sich nicht ganz ohne Reiz ist.
Die Gesammtübersicht über diese größeren Aus-
stellungen zeigt deutlich, daß unsere Künstler bei dieser Art
von Entwürfen im Ganzen sich auf falscher Fährte be-
finden. Sie erfinden technische Schwierigkeiten und unnütze
Arbeit in Massen, wodurch die Sachen enorm vertheuert
werden, aber weder an Schönheit, noch Brauchbarkeit, noch,
was die Pauptsache ist, an Stimmung irgend etwas ge-
wonnen wird, wenn man früher auf Ausstellungen kost-
bare Zimmer vorgeführt sah, dann lag stets der Schwer-
punkt auf den darin aufgestellten Möbeln, die nicht erst
dadurch möglich, verständlich und annehmbar wurden, daß
 
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