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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 19
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Pudor, Heinrich: I. internat. Ausstellung für moderne dekorative Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0337

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Vr. 19


ſchon wiederholt geſchehen und hier in Turin hat es
Billing in ſeinem Kaiferfaal aufs Neue gethan. Dieſe
Welleſilinie ſpukt in unſerer modernen Kunſt, wie die
Kartouche in der Barockzeit, und die königlich däniſche
Porzellanmanufaktur kann die Ehre für ſich in An-
fpruch nehmen, eine Schutzmarke zu führen (drei
parallele Wellenlinien), die zugleich die Handelsmarke
— wenn man mir dieſen Ausdruck hier geſtatten
will — der modernen Uunſt bildet.

Innerhalb der Ausſtellung machen, abgeſehen
von Deutſchland, den am meiſten geſchloſſenen Ein-
druck Holland, Schweden und Ungarn. In der
holländiſchen Abtheilung iſt die K er amik heſonders
gut vertreten. An erſter Stelle iſt hier der königlichen
Manufaktur Rozenburg Erwähnung zu thun, welche
im Hauptraum auf zwei Etageren ihre Erzeugniſſe
aufgeſtellt hat. Auf der einen derſelben finden wir
die Fayencen, durch die ſie berühmt geworden iſt, in
glänzend brauner Färbung, einigermaßen an die
Bootwood-Erzeugniſfe erinnernd, auf der anderen die
in jüngſter Zeit hergeſtellten Porzellane in hellgrau-
blauen und gelbgrauen Tönen nach Entwürfen des
großen holländiſchen Malers H. W. Mesdag. Dies
Porzellan iſt ſehr leicht, die Formen ſind originell,
zum Theil nach Art des alten Delfter Porzellans.
Für die meiſten Liebhaber wird das Dekor nicht
plaſtiſch genug wirken, vielmehr macht es einen etwas
verſchwommenen Eindruck. Künſtleriſche hervor-
ragendeThonfiguren, dem Entwurf nach von ſatiriſchem
Beigeſchmack, hat Mendes da Coſta, Amſterdam, aus-
geſtellt. Amſtelhoek, Amſterdam, hat Thonwaaren und
Geſchirr ausgeſtellt, welche in eigenartiger Weiſe den
angeſtammten holländiſchen Geſchmack, in Verbindung
mit orientaliſchen (egyptiſchen und aſſyriſchen Motipen
zeigen. Mit Vorliebe wendet er für den Teller das
einfache Motiv der Parallelkreiſe, gewöhnlich in weiß
auf braunem Grunde, an, auch wohl die Spirale,
das Mäanderband 2c. Die Linien werden dabei in
einer Sgrafitto-Manier vertieft (er ſelbſt nennt es
inerustéj. Beſonders ſchön ſind die großen Vaſen,
welche in dieſer Technik den Kampf von zwei Stieren
als Dekor von alterthümlicher Wirkung zeigen. Aehn-
liche Arbeiten ſtellen Brouwer aus Leiderdorp und
van der Hart (De Wekker) aus Haag aus. Das
Beſtreben, die Baſen für den Gebrauchszweck mög-
lichſt dienlich zu machen, z. B. durch Anbringung von
Cöchern an den Wandungen zum Hineinſtecken von
Blumen, iſt dabei anerkennenswerth und nachahmens-
werth. Lüſtrirtes Porzellan ſtellt Joſt Theeft aus,
Biskuitporzellan mit farbiger Porzellanerde (Schlicker)
bemalt, die alte berühmte Delfter Firma Joſt Thooft
und Labouchére; das Dekor iſt durchgängig in gold-
umrändertem Grün auf weißem Grunde gehalten.
Dieſe Arbeiten machen einen veralteten und ziemlich
unerquicklichen Eindruck.

Ebenſo bedeutend iſt dasjenige, was Holland
auf dem Gebiete der Möbelarchitektur ausgeſtellt
hat. Seine Wohnungseinrichtungen zeichnen ſich durch
Solidität, durch einen behäbigen, kernhaften, geſunden
und ausgeſprochen germaniſchen Charakter aus. Die
Möbel ſind ſämmtlich in genannter ſichtbarer Kon-
ſtruktion gearbeitet, derart, daß jeder Nagel — und
es handelt ſich hier nur um Holznägel — zu Tage
liegt und herausgenommen werden kann. Die meiſten
und beſten Entwürfe rühren von Berlage her. Das
Holz iſt zum Theil Djatti von der holländiſchen
Kolonie Java. Sehr anerkennenswerth iſt das Be-
ſtreben, jedes Holz in ſeinem natürlichen Charakter
und in ſeiner Naturfarbe zur Geltung zu bringen.
Auf die Anpaſſung für den Gebrauchszweck iſt

durchgängig Aückſicht genommen — Holland baut
keine rein dekorativen Möbel, ſo wenig, als es
Amerika thut. Der Einfluß des Orients auf das
europäiſche Kunſtgewerbe iſt hier bei Holland am '
wenigſten zu ſpüren. Alles dies ſteht in Einklang zu
dem betonten ſoliden und geſunden Charakter der
holländiſchen Ausſtellung. Von den Firmen nennen
wir J. Th. Underwijk & Co. im Haag, welche eine
von ihrem Architekten Wegerif entworfene pracht-
volle Halle ausſtellt: das Hauptſtück darin iſt ein
gewaltiger Kamin, zu deſſen oberem Theil vom Fuß-
boden aus drei ſtarke, vierkantige Strebebalken führen,
die unten den Kamin umrahmen und zugleich den
Zweck haben, daß man ſich, beiſpielsweiſe beim
Kaffeetrinken nach Tiſch, an ſie lehnen kann. Gffen-
bar wendet nämlich der holländiſche Künſtler ſeine
Phantaſie vorzugsweiſe darauf an, Einrichtungen und
Möbel zu erſinnen, die den denkbar größten Komfort,
Bequemlichkeit und Behaglichkeit ermöglichen —
während die übrigen europäiſchen Völker, unter dem
Einfluß des englifch japaniſchen Kunſtgewerbes
ſtehend, hierauf leider viel zu wenig Rückſicht nehmen.

In der ungariſchen Abtheilung iſt es eben-
falls wieder die eramik, die den bedeutendſten Ein-
druck macht. Im Mittelpunkt dieſer Ausſtellung ſteht
natürlich Zfolnay, der alles Neueſte und Beſte nach
Turin geſchickt hat, nicht nur ſeine berühmten, nach
der Göftin der Morgenröthe benannten Eoſingeſchirxe,
fondern auch reines Majolika, Majolika mit Lüſtex
und ſeine neueſte Erfindung Gres mit Eoſin und
Cüſter. Unter den Majoliken mit Lüſter erwähnen
wir die praͤchtvolle Orchideenvaſe, unter den Arbeiten
in reinem Majolika die reizvolle Vaſe mit Darſtellung
des Märchens vom Froſchkoͤnig. Seine letzte techniſche
Neuheit iſt das ſogenannte „Labrador“ in lichtblauer
Färbung. In der That giebt es keinen Farbenreiz,
den Zſölnaß nicht herzuſtellen verſtände; den vor-
nehmften und auch am meiſten künſtleriſchen Eindruck
macht ſein Gres in matten Tönen. Uebrigens mag
nicht unerwähnt bleiben, daß Zſolnap ſeine techniſchen
Errungenſchaften zum Theil dem Budapeſter Prof.
der Clemie Wertha verdankt, welcher ebenfalls eine
vitrine mit intereſſanten Vaſen m Lüſter und Art du
feu - Technif ausgeſtellt hat. Die Budapeſter Glas-
hütte Maximilian Both hat Wandverkleidungen in
Moſaik mit Verwendung Zſolnayſchen Eoſins aus-
geſtellt, das recht gut wirkt, einigermaaßen im
Tharakter der Tiffanvſchen Erzeugniſſe. In Ungarn
hat man auch eine Anſtalt für Banerntöpferei ge-
gründet, welche den Zweck hat, letztere nach der
künſtleriſchen Bichtung zu beleben Gepflegt wird
beſonders die Sgrafitto-ANanier. Charaktexiſtiſch für
dieſe auch in Tuͤrin ausgeſtellten Erzeugniſſe iſt das
ſogenannte Bohnenmuſter. Auch Prof. Horti, der
Grganiſator der Ungariſchen Ausſtellung, hat
intereffante keramiſche Arbeiten ausgeſtellt, die er in-
deſſen einſtweilen nur als Experimente angeſehen
wünſcht. Endlich mag der Budapeſter Heramiker
vögeri erwähnt werden, welcher treffliches gres aus-
geſtellt hat.

Die Geſterreicher bereiten, obwohl ſie einen
eigenen Pavillon errichtet haben, eine Enttäuſchung.
Die Londoner Ausſtellung für öſterreichiſches Kunſt-
gewerbe und die Düſſeldorfer Ausſtellung haben hier
offenbar Turin ſtarken Abbruch gethan. Von der
böhmiſchem Glasinduſtrie iſt faſt nichts zu ſehen. Die
Edelmetallinduftrie iſt ſehr ſpärlich vertreten. Selbſt
von der bedeutfamen jungen Wiener Spitzen Induſtrie
iſt verhältnißmäßig nur wenig zu ſehen. Harmoniſch.
und ſtimmungsvoll wirkende Simmer in Mahagoni
 
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