Die Kunst-Halle — 7.1901/1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0338
DOI Heft:
Nr. 19
DOI Artikel:Pudor, Heinrich: I. internat. Ausstellung für moderne dekorative Kunst, [1]
DOI Artikel:Imhof, Franz: Grosse Berliner Kunstausstellung 1902, [2]
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Vr. 19
haben Jakob Soulek und die Möbelfabrik Sigm.
Deutſch und Co. (Brünn) vorgeführt. Ebenſo ſind
die freilich in der Muſterung etwas veralteten Kiſſen
der Frauenerwerbsſchule von Iſchl und Ebenſee, die
trefflichen Entwürfe Prof. R. Hammels, Wien, aus-
geführt in der Krainiſchen Kunſtwebeanſtalt und die
Arbeiten der Kunſtgewerbeſchule für Kunſtſtickerei in
Wien zu erwähnen. Prächtige Tiſchlampen in Bronze
und Silber hat der Wiener Bildhauer Guſtav
Gurſchner ausgeſtellt. Gurſchner hat manchmal etwas
Verwandtes mit Vallgren. So zeigt ein Beleuchtungs-
körper von ihm drei an einem Gewand zum Licht em-
por ſich ringende weibliche Geſtalten, bei einem
anderen liegt der Glühkörper in einer Muſchel, die
von einer Frauengeſtalt mit Fiſchleib gehalten wird.
Auf dem Gebiete der Goldſchmiedekunſt hat Geſter-
reich wenig Erwähnenswerthes ausgeſtellt. Die Ent-
würfe zu den von Turiet und Berdach ausgeſtellten
Schmuckarbeiten ſind keines Lobes werth. Die Manu-
faktur von Max Schwarz in Wien ſtellt Glasgeſchirr,
das ſehr leicht mit Silber montirt iſt, aus. Berechtigt
iſt dieſe Verbindung von Silber und Glas in der
Begel nur bei Gläſern, die für heiße Getränke be-
ſtimmt ſind, die man, wenn unmontirt, nicht anfaſſen
könnte. Allerdings iſt hierbei der Bichtung, welche
einſeitigen Linienkultus pflegt, bei dieſer Art von
durchbrochener Arbeit beſte Gelegenheit gegeben, ſich
auszutoben. Der junge Wiener Architekt Gtto
Prutſcher hat die Entwürſe zu Schmuckgegenſtänden
für den Juwelier John Souval geliefert; erwähnens-
werth iſt etwa die Gürtelſchnalle mit dem Schmetter-
lingdekor, eine für den vorliegenden Zweck ſehr nahe-
liegende, aber wenig benutzte Idee. Endlich ſind die,
treffliche, keramiſche Arbeiten enthaltenden Vitrinen
der K. K. Fachſchule in Teplitz und der Amphora-
Werke zu erwähnen.
Einen prächtigen Eindruck macht die Schwediſche
Ausſtellung, die von dem Architekten Boberg, einem
der bedeutendſten Künſtler der Gegenwart, organiſirt
iſt. In der That ſtehen heute die Schweden auf
den verſchiedenſten Gebieten der Kunſt und des
Kunſtgewerbes in der vorderſten Beihe. Was zum
Beiſpiel die ſchwediſche Glasinduſtrie betrifft, ſo war
dieſelbe bisher bei uns vorzugsweiſe, ſoweit die Glas-
manufaktur Koſta in Frage kommt, bekannt. Dieſe
Firma iſt auch in Turin mit einer Ditrine vertreten,
welche die durch die Stockholmer Ausſtellung 1897
bekannten Erzeugniſſe in den charakteriſtiſchen leb-
haften, kräftigen Farben, durch welche ſie ſich von
den im übrigen verwandten Produkten Gallés unter-
ſcheiden, enthält. Die Entwürfe rühren von Wenner-
berg her. Ferner hat das Stockholmer Etabliſſement
Mar Sachs gute geſchliffene Gläſer nach Entwürfen
Ferdinand Bobergs ausgeſtellt. Vor Allem iſt die
Vitrine der Beijmyre Aktiengeſellſchaft zu erwähnen,
welche prächtige Gläſer in originellen Formen und
Farben enthält. Dieſe Vitrine gehört in der That
zu den „attractions“ der ganzen Ausſtellung. Und
zwar ſind dieſe Gläſer ſämmtlich geblaſen, während
diejenigen von Koſta Glasbruk geſchliffen ſind. Die
Technik iſt ziemlich ſchwierig: während des Blaſens
werden die verſchiedenfarbigen Glasflüſſe eingeſetzt.
Es iſt daher nothwendig, daß die Arbeiter
künſtleriſch geſchult ſind. Im Allgemeinen bevorzugt
auch Beijmyre lebhafte, friſche, kräftige Farben,
wie ſie ja für das maaßgebende ſchwediſche Kunſt-
gewerbe charakteriſtiſch ſind. Da iſt z. B. eine Vaſe,
deren Dekor ein Stück Meeresgrund zeigt, auf den ſich
eine Qualle niedergelaſſen hat: in Folge deſſen ſteigen
Luftbläschen auf, die in genialer Weiſe dargeſtellt
ſind. Die verſchiedenen Färbungen des Meereswaſſers,
wenn der Lichtſtrahl hindurchfällt, bilden einen be-
ſonders heliebten Darſtellungsgegenſtand der Raffinerie
von Beijmyre. Auch Ueberfanggläſer im Gallé-
Charakter hat ſie ausgeſtellt. Die beiden Stockholmer
Porzellanfabriken Rörſtrand und Guſtafberg, welche
in jüngſter Zeit auch in Deutſchland bekannt und
beliebt geworden ſind, haben prächtige Arbeiten,
aber nicht viel Neues ausgeſtellt. Aber auch auf
dem Gebiete der Kunſtſchmiedearbeiten iſt Schweden
ſehr gut vertreten, vor Allem durch die von dem er-
wähnten Architekten Boberg entworfenen Kronleuchter,
ausgeführt von der Aktiengeſellſchaft Förenade konſt-
juterierna in Ztockholm. Die Formengebung iſt bei
den Bobergſchen Arbeiten modern aber maßvoll,
kräftig und klar. Zwei kleinere graziöſe Bronzekron-
leuchter hat Architekt Borgſtedt ausgeſtellt, Alice
Nordin hat bei den ihrigen, die in der Kompoſition
originell ſind und vortrefflich wirken, Darſtellungen
aus der altſchwediſchen Götterſage verwendet. Vor
Allem ſind aber nun die Arbeiten der „Handarbetets
Vänner“ (der Freunde der Handarbeit) und die Aktien-
geſellſchaft „Svensk Uonſtſlöja-Utſtilling“ (Uunſt-
handwerksausſtellung) zu nennen. Letztere fabrizirt
beſonders Gobelins, zu denen der Maler Alf Wal-
lander die Entwürfe zeichnet. Die Handarbetets
Vänner hatten es ſich zur Aufgabe gemacht, die alt-
ſchwediſche, bäuerliche Webekunſt, wie ſie namentlich
in den Provinzen Skane und Dalarne zu Hauſe war,
neu zu beleben. Theils erſann man neue Muſter,
um auch ſie in Applikationsſtickerei auszuführen.
Weitere Artikel folgen.)
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Crosse
Berliner Runstausstellung looꝛ.
Von Franz Imhof.
ie diesjährige Große Ausſtellung bringt auch
8 eine Anzahl guter Porträts zur Geltung,
die ſich nicht als gewöhnliche Bilderaufträge
mit dem ausſchließlichen Zweck der Modellähnlichkeit offen-
baren, ſondern die eine wirkliche künſtleriſche Abſicht mit
ihrer Entſtehung verbinden. Der hier zu konſtatirende
Einfluß der Moderne hat ſich in mancherlei Aeußer-
lichkeiten lediglich des Erauenbildniſſes, in der Extravaganz
des Koſtüms, der übertriebenen Schlankheit und in mono-
toner Helligkeit ſo ziemlich erſchöpft, während das Männer-
bildniß bezüglich der Vertiefung der Charakterſchilderung
garnichts gewonnen hat. Bugo Dogels prächtige Figur
eines bekannten Kanzelredners könnte in der beherzten
Haltung, hielte die Linke nicht die Heilige Schrift, ſondern
das Strafgeſetzbuch, weit eher einen ſchneidigen Gber-
ſtaatsanwalt als einen Gottesmann charakteriſiren; zur
Höhe eines Typus iſt das zweifellos ſehr individuell auf-
gefaßte Bildniß mithin nicht gehoben. Das gilt auch für
den ſitzend dargeſtellten Miniſter von Maybach, dem es ſo-
wohl an Lebendigkeit der Auffaſſung, wie an Aehnlichkeit
mit dem berühmten Bavené-Bildniß von L. Knaus nicht
fehlt. Bei Friedrich Stahls roth ornirter, bäueriſch derb
zugehauener Figur des Kardinals Vannutelli muß man vor
Allem jegliche Erinnerung an die edlen Kardinalsgeſtalten