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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 21
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Venedigs Glockenthurm von San Marco
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Pudor, Heinrich: Nordische Kunstausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0371

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Vr. 2


lommeo Buon erhielt nunmehr den Auftrag, den
oberen Aufbau des Thurmes, der bis dahin aus
Holz beſtanden hatte, in Stein und höher als vorher
wieder aufzuführen. Am 26. März 1511 war man
ſo ziemlich fertig mit der Steinſpitze, da ſtürzte der
obere Theil in Folge eines Erdbebens auf die eben
im Bau begriffene Loggetta herab. Im Gktober
war dieſe wieder aufgemauert; 1512 bis 1516 wurde
endlich auch die Thurmſpitze vollendet, und 1517
wurde die aus Holz modellirte und mit Kupfer be-
legte Koloſſalfigur eines Engels, die das Ganze
krönte, aufgeſetzt. Jene Loggetta Sanſovinos, die
ſich vor dem Unterbau in einer Arkadendreizahl
offnet, war urſprünglich zu einem Verſammlungsraum
des Patriziates beſtimmt; 1569 aber wurde ſie als
Dienſtlokal dem wachthabenden Prokurator von San
Marco angewieſen, wo ſich dieſer als Kommandant
der Palaſtwache während der Senatsſitzungen aufzu-
halten hatte. Einen außergewöhnlichen Beiz beſaß
ſie in den von ihrem Erbauer herrührenden plaſtiſchen
Zuthaten, den Bronzeſtatuen des Friedens, des Apoll,
des Merkur und der Pallas, ſowie der Beliefdar-
ſtellungen am Sockel. Von prächtiger Wirkung war
auch das aus ſpäterer Zeit herrühende barocke Bronze-
gitter, das die Loggia ſchloß.“

Von der zuerſt aufgetauchten Anſicht, daß die
Urſache des Suſammenſturzes in dem ſchlechten
Suſtande der Fundamentirung zu ſuchen ſei, ſcheint
man nach Uenntnißnahme früherer Baugutachten
von Sachverſtändigen doch abgekommen zu ſein.
Im Jahre 1885 wurde das Fundament des Cam-
panile gründlich unterſucht, indem man durch einen
Schacht bis zu den Piloten hinabdrang, die auf
einem ungemein harten Thon ſtehen. Ueberall in
Venedig bildet dieſe harte Thonſohle der Lagune
den eigentlichen Boden, auf dem die Häuſer ſtehen.
Man fand die Piloten aus Weißpappel gut erhalten,
aber nicht verſteinert. Die Pilotenköpfe ſind durch
einen Boſt aus Eichenbalken verbunden, deſſen Hokz
geſchwärzt und zerſetzt iſt. Darauf ruht ein 5'/3 m
hohes Steinfundament. Dieſes Steinfundament reicht
bis zur Höhe des alten, aus dem 15. Jahrhundert
ſtammenden Ziegelpflaſters des Markusplatzes, das
72 Sentimeter unter dem gegenwärtigen, ſeit 1722
beſtehenden Quadernbelag liegt. Das Ergebniß der
damaligen Unterſuchung gab keinen Anlaß zu bau-
polizeilichen Bedenken, und auch die kaum merkliche
Neigung des Thurmes gegen den Eingang der
Merceria hat niemals eine Beſorgniß hervorgerufen.

Voch unter dem unmittelberen Eindruck des ge-
waltigen Ereigniſſes haben die maßgebenden Faktoren
in Venedig den Beſchluß einer Wiederherſtellung des
Campaniles gefaßt. Sie haben dadurch dem leiden-
ſchaftlichen Wunſche nicht nur der dortigen Bevöl-
kerung, ſondern der ganzen gebildeten Welt Folge
gegeben. Man ſpricht auch ſchon von großen Geld-
ſpenden, die aus Nah und Fern zu dem gedachten

Zwecke ſofort herbeigeſtrömt ſeien. Während anderer-
ſeits im Lande der gute Wille vorzuherrſchen ſcheint,
die Beſtauration eines ſolchen Baudenkmals ganz
mit eigenen Mitteln, die ſich nach dem Voranſchlage
freilich auf ca. 6 Millionen Lire zu belaufen hätten,
auszuführen. Der gute Wille iſt erfahrungsgemäß
nicht immer ſtark genug, um alle Schwierigkeiten zu
überwinden. Und ſo wäre es wohl verkehrt, von
vornherein auch die Theilnahme des Auslands und
den Rath zu verſchmähen, bei der Wahl der Per-
ſönlichkeiten für den Plan der Wiederherſtellung des
Campaniles ſich nicht auf einen zu engen Kreis von
Fachleuten zu beſchränken.



*
Krefeld;
Nordiiche Kunſtausſtellung.

Von Dr. Heinrich Pudor.

s war einſehrſchätzenswerthes und anerfennens-

werthes Unternehmen des Direktors des

Kaifer Wilhelm-Muſeums in Krefeld, in einer
Kolleftivausftellung nordiſcher Kunft einen „Ueberblick
über die Kunſtentwickelung der ſkandinaviſchen Völker“
zu geben. Denn obwohl dieſe Völker uns ſtammver-
waſidt ſind und uns ihrem Fühlen und Empfinden,
ihrem Sinnen und Denken nach viel näher ſtehen als
diejenigen Völker, die in den letzten Jahrzehnten tiefen
Einfluß auf unſer Kunſtſchaffen ausgeübt haben, alſo
außer den romaniſchen Völkern die orientaliſchen, in
erſier Linie die Japaner, und obwohl dieſe nordiſchen
völker ſehr bedeutende Leiſtungen, auf einigen Ge-
bieten diejenigen aller anderen übertreffend (ver-
gleiche die ſchwediſche Architektur), aufzuweiſen haben,
haben wir uns verhältnißmäßig ſehr wenig mit ihrer
bildenden Kunſt beſchäftigt, geſchweige daß ſie einen
nennenswerthen Einfluß oder auch nur eine Anregung
auf die unſere ausgeübt hätte.

Aber freilich iſt die Ausführung etwas hinter
den guten Abſichten des Direktors (Or. Deneken)
zurückgeblieben. Denn die Architektur iſt überhaupt.
nicht, die Plaſtik ſo gut wie garnicht vextreten, und
unter den großen nordiſchen Malern fehlen die beſten
Namen enſweder ganz (3. B. Liljefors, Axel Gallén
u. a.) oder ſie ſind in ſehr ärmlicher Weiſe vertreten
(3. B. P. S! Kroyer). Wir meinen, wenn es der
Direktion des Muſeums darauf ankam, wirklich einen
„Ueberblick über die nordiſche Kunſtentwickelung“ zu
geben, hätte ſie ſich zum Mindeſten, was Architektur
und Plaſtik betrifft, mit Photographien behelfen
müſſen und wenigſtens die wichtigſten Werke, wie
die moderne Stockholmer Architektur, das neue Kopen-
hagener Rathhaus, die Sindingſche Plaſtik etc, in
Photographien dem Publikum zur Anſchaung bringen
follen. Zie Krefelder aber — das wollen wir auch
betonen — können ſich zu einer ſolchen Direktion
gratuliren, die erſt eine Ausſtellung für künſtleriſche
Frauenkleider, dann eine „Farbenſchau“, und nun
dieſe nordiſche Kunſtausſtellung organiſirt hat.

Wer in der Lage iſt, in den ſkandinaviſchen
Cändern ſelbſt die nordiſche Kunſt genoſſen und auf
der Turiner Ausſtellung dieſes Jahres die hervor-
 
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