Die Kunst-Halle — 7.1901/1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0193
DOI Heft:
Nr. 11
DOI Artikel:Dworaczek, Wilhelm: Vom Wiener "Hagenbund"
DOI Artikel:Gustav, Leopold: Frühjahrs-Ausstellung der Münchener Sezession
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0193
—
meiſt manirirt, verrathen gutes Geſchick, aber nach meinem
Gefühl ebenſo viel innere Unwahrheit. — Ganz vortrefflich
treten die Landſchaften des, Hagenbund“ auf. Einige Tempera-
bilder von Ameſeder, namentlich die „Baumlandſchaft in
Geſterreich“, gehören zu dem Beſten und Ereieſten, das ich
von dem Künſtler, der eine eigene Note beſitzt wie wenige
— geſehen habe. Kasparides hat einige ſeiner etwas
ſtiliſirten, ſich aber der Naturwakrheit immer mehr
nähernden Stimmungen ausgeſtellt, welche als feine Farben-
probleme der Natur angenehm wirken. Ganz friſch und
geſund, ohne abſonderliche Eigenart, frei beobachtet und
keck hingemalt ſind die Landſchaften von Hans Wilt.
Sehr gewachſen iſt Ranzoni, und beſcheidener, aber ſehr ehr-
lich wirkt Joſef Straka. Duppantſchitſch iſt wie immer
graphiſch ſehr fein in milden Farben und voll liebens-
würdiger Nobleſſe. Sehr tüchtig ſind Bamberger,
Germela und Joſef Baper, voll feiner Stimmung
Goltz' „Rübenernte“ und „April“, während ſein großes
Bild „Lenzluft“ mir nicht zu ſeinen beſten zu gehören
ſcheint. Die Kompoſition iſt nicht einheitlich durchgeführt,
und auch koloriſtiſch hat der ſonſt feine Geſchmack des Künſtlers
diesmal zuweilen danebengegriffen. Ludwig Ferd. Graf,
ein ſo feiner Koloriſt, vermag aus einer gewiſſen zwiſchen
Einfachheit und Geziertheit pendelnden Manier nicht recht
herauszukommen. Xn der Landſchaft ganz für ſich muß
Hegenbarth (München) genannt werden, deſſen breite,
ſaftig hingeſtrichene Manier, die Licht und Sonne mit
ſicherer Kunſt einfängt und feſthält, ihn in die Reihe der
Beſten ſtellt. Gleich nach ihm müſſen die Münchener
Hans v. Havek und Hoffmann v. Peſtenhoff, ſowie der
treffliche Prager Hudecek genannt werden. Auch Rudolf
konopa, der ſich immer mehr zur Perſönlichkeit empor-
gerungen, ſoll nicht vergeſſen ſein. Leopold Burger, der
einen ſtarken und ernſten volksthümlichen Zug beſitzt, hat
ein paar feine und ſtimmungreiche Studien geſchickt,
während Walter Hampels großes Bild „Eva“ — ein Akt
von feinſt abgetöntem Inkarnat und prächtiger Modellirung
der Formen — eine ſehr beachtenswerthe Leiſtung darſtellt.
Franz Thiele hat ein paar flott hingemalte luſtige Land-
ſchaften und ein großes Oelgemälde „Helden“ ausgeſtellt,
in dem unleugbar ein ſtarker Zug zum großen Galleriebild
im guten Sinne ſteckt. Die Akte ſind zum Theil virtuos
gezeichnet. Die Kompoſition geſchloſſen und voll
zeichneriſcher Findigkeiten, das Kolorit mit ſtarken und
ſicheren Wirkungen abgeſtimmt. Ein Wort beſonderer
Erwähnung muß dem jungen Fritz v. Radler gezollt
werden, der in den Bildern „Kinderreigen“ und „Balan-
zirende Kinder“, eine aus aller Konvention heraustretende,
durchwegs eigenartige Begabung bekundet. Die Plaſtik iſt
ſehr ſpärlich, aber durchwegs vollwerthig vertreten.
Guſtav Gurſchner, der hochbegabte Kleinplaſtiker, tritt
diesmal mit einer Marmorgruppe „Liebe und Neid“ auf
den Plan, die voll künſtleriſcher Feinheiten iſt, und den
eigenartigen modernen Stimmungsgehalt, welcher die
Kleinarbeiten des Künſtlers auszeichnet, aufs Glücklichſte
auch ins Große überträgt. Ein kleines Silberſtatuettchen
deſſelben Künſtlers erweiſt deſſen ſchon bekannte und ge-
Ya Arr Der 7Kup‘ vonm Hetnrich Sra Mr voll
Temperament in der Auffaſſung und entzückend modellirt.
In dieſem jungen Uünſtler ſteckt eine ſtarke Begabung.
Der Bagenbund darf mit dieſer Ausleſe heimathlicher-
Kunſt wohl zufrieden ſein. Hoffentlich verfällt er nicht in
den Fehler der Sezeſſion — daß die unter idealen Geſichts-
punkten ins Leben gerufene Dereinigung ſich in Bälde in
eine bloß unter gemeinſamer „Schutzmarke“ arbeitende
Geſchäftskompagnie verwandelt! . .
%.
Frühjahrs-Ausitellung
enn man mit beſcheidenen Erwartungen die
der IIlünchener Sezellion.
Don Leopold Guſtav.
72 Frühlingsausſtellung durchſchreitet, wird man
mit den gewonnenen Eindrücken nicht unzu-
frieden ſein. Uhdes lichtdurchtränktes Bild ſeiner Tochter
kann der Mehrzahl der ausgeſtellten Gemälde in Bezug
auf die künſtleriſchen Probleme, denen ſie nachſtreben, als
Motto dienen. Da iſt, um die talentvolle Jugend vorweg
zu nehmen, Albert Weisgerber zu nennen, der mit
einem ſehr flott hingeſtrichenen Selbſtportrait, dem Bild
ſeiner Mutter und einem halben Dutzend Gelſtudien ver-
treten iſt. Sein Kolorismus iſt oft noch übermäßig un-
ruhig, in Lichtproblemen das Beſondere geradezu auf-
ſuchend; jedenfalls aber ſind ſeine Geſtalten keck erfaßt
einen Blick für das Weſentliche und intimes Verhältniß
zur Natur. Eugen Wolff iſt über das Experimentale
hinaus. Mit wenigen Strichen giebt er die Lichtſpiegelung
im Ententeiche; noch ausgereifter und abgeklärter iſt das
„Interieur“. Schramm-Zittau bringt neben ſeinem
famos gemalten Federvieh, auch Gänſerupferinnen, ein
mehr techniſch intereſſantes Stück flackernder Farben. Ein
innig erfaßtes Stück Landſchaft mit fein geſehenem
Wolkenzug hätte noch gewonnen, wenn der Himmel nicht
ſo übergroß wäre im Verhältniß zu dem Fleckchen Erde.
Veben einem Jägerporträt zeigt das mit Leibl-ähnlicher
Naturtreue geſehene Bild eines Bauernbürgermeiſters, daß
Schramm auch außerhalb ſeines gewohnten Motivbereiches
mit Erfolg bemüht iſt. Rudolf Nißls blaugrüne, licht-
erhellte Interieurſtudie „Die Leſende“ iſt von feinem Reiz;
auch in ſeinem Selbſtbildniß zeigt er, trotz aller Farben-
kontraſte, Geſchmack. Der Anblick des an der Staffelei
ſtehenden Künſtlers iſt von frappanter Lebenswirkung,
wenn auch die maleriſchen Beflexſpiele die individuelle
Ausgeſtaltung der Züge zurücktreten laſſen. Auch von
Mar Köppens Selbſtbildniß wäre letzteres zu ſagen; dieſer
Maler iſt übrigens ſehr flott und ſicher im Strich und
Zeichnung.
Bei Leo Putz wirkt das Licht immer noch übertrieben,
ob er ein Mädchen beim Lever in der ſonnbeglänzten
Schlafſtube malt, oder im Kahn ſitzend, Thauwetter oder
Herbſtlandſchaft; man hat den Eindruck eines temperament-
reichen, nicht immer geſchmackvollen Malers, der experi-
mentirt. Aehnlich iſt noch Ernſt Stern, der jedoch in
einigen Sachen („Plein air“) ſchon gezügelter und deshalb
künſtleriſcher erſcheint. Hermann Groeber bringt neben
virtuoſen Farbenkunſtſtücken, wie die Kinder am Waſſer
auch weniger grell gemalte Bilder, von denen 3. B. die
Frau mit Ziege durch die lebensvolle Erfaſſung der
Bäuerin feſſelt; ähnlich wie dieſer zeigt ſich Karl Kern-
ſtock mit ſeinen rothblauen Geſtalten bei Sonnenuntergang
auf grüner Wieſe; übrigens auch mit ſehr reſpektablem
Können gemalt. Landesberger bringt das früher ſchon
meiſt manirirt, verrathen gutes Geſchick, aber nach meinem
Gefühl ebenſo viel innere Unwahrheit. — Ganz vortrefflich
treten die Landſchaften des, Hagenbund“ auf. Einige Tempera-
bilder von Ameſeder, namentlich die „Baumlandſchaft in
Geſterreich“, gehören zu dem Beſten und Ereieſten, das ich
von dem Künſtler, der eine eigene Note beſitzt wie wenige
— geſehen habe. Kasparides hat einige ſeiner etwas
ſtiliſirten, ſich aber der Naturwakrheit immer mehr
nähernden Stimmungen ausgeſtellt, welche als feine Farben-
probleme der Natur angenehm wirken. Ganz friſch und
geſund, ohne abſonderliche Eigenart, frei beobachtet und
keck hingemalt ſind die Landſchaften von Hans Wilt.
Sehr gewachſen iſt Ranzoni, und beſcheidener, aber ſehr ehr-
lich wirkt Joſef Straka. Duppantſchitſch iſt wie immer
graphiſch ſehr fein in milden Farben und voll liebens-
würdiger Nobleſſe. Sehr tüchtig ſind Bamberger,
Germela und Joſef Baper, voll feiner Stimmung
Goltz' „Rübenernte“ und „April“, während ſein großes
Bild „Lenzluft“ mir nicht zu ſeinen beſten zu gehören
ſcheint. Die Kompoſition iſt nicht einheitlich durchgeführt,
und auch koloriſtiſch hat der ſonſt feine Geſchmack des Künſtlers
diesmal zuweilen danebengegriffen. Ludwig Ferd. Graf,
ein ſo feiner Koloriſt, vermag aus einer gewiſſen zwiſchen
Einfachheit und Geziertheit pendelnden Manier nicht recht
herauszukommen. Xn der Landſchaft ganz für ſich muß
Hegenbarth (München) genannt werden, deſſen breite,
ſaftig hingeſtrichene Manier, die Licht und Sonne mit
ſicherer Kunſt einfängt und feſthält, ihn in die Reihe der
Beſten ſtellt. Gleich nach ihm müſſen die Münchener
Hans v. Havek und Hoffmann v. Peſtenhoff, ſowie der
treffliche Prager Hudecek genannt werden. Auch Rudolf
konopa, der ſich immer mehr zur Perſönlichkeit empor-
gerungen, ſoll nicht vergeſſen ſein. Leopold Burger, der
einen ſtarken und ernſten volksthümlichen Zug beſitzt, hat
ein paar feine und ſtimmungreiche Studien geſchickt,
während Walter Hampels großes Bild „Eva“ — ein Akt
von feinſt abgetöntem Inkarnat und prächtiger Modellirung
der Formen — eine ſehr beachtenswerthe Leiſtung darſtellt.
Franz Thiele hat ein paar flott hingemalte luſtige Land-
ſchaften und ein großes Oelgemälde „Helden“ ausgeſtellt,
in dem unleugbar ein ſtarker Zug zum großen Galleriebild
im guten Sinne ſteckt. Die Akte ſind zum Theil virtuos
gezeichnet. Die Kompoſition geſchloſſen und voll
zeichneriſcher Findigkeiten, das Kolorit mit ſtarken und
ſicheren Wirkungen abgeſtimmt. Ein Wort beſonderer
Erwähnung muß dem jungen Fritz v. Radler gezollt
werden, der in den Bildern „Kinderreigen“ und „Balan-
zirende Kinder“, eine aus aller Konvention heraustretende,
durchwegs eigenartige Begabung bekundet. Die Plaſtik iſt
ſehr ſpärlich, aber durchwegs vollwerthig vertreten.
Guſtav Gurſchner, der hochbegabte Kleinplaſtiker, tritt
diesmal mit einer Marmorgruppe „Liebe und Neid“ auf
den Plan, die voll künſtleriſcher Feinheiten iſt, und den
eigenartigen modernen Stimmungsgehalt, welcher die
Kleinarbeiten des Künſtlers auszeichnet, aufs Glücklichſte
auch ins Große überträgt. Ein kleines Silberſtatuettchen
deſſelben Künſtlers erweiſt deſſen ſchon bekannte und ge-
Ya Arr Der 7Kup‘ vonm Hetnrich Sra Mr voll
Temperament in der Auffaſſung und entzückend modellirt.
In dieſem jungen Uünſtler ſteckt eine ſtarke Begabung.
Der Bagenbund darf mit dieſer Ausleſe heimathlicher-
Kunſt wohl zufrieden ſein. Hoffentlich verfällt er nicht in
den Fehler der Sezeſſion — daß die unter idealen Geſichts-
punkten ins Leben gerufene Dereinigung ſich in Bälde in
eine bloß unter gemeinſamer „Schutzmarke“ arbeitende
Geſchäftskompagnie verwandelt! . .
%.
Frühjahrs-Ausitellung
enn man mit beſcheidenen Erwartungen die
der IIlünchener Sezellion.
Don Leopold Guſtav.
72 Frühlingsausſtellung durchſchreitet, wird man
mit den gewonnenen Eindrücken nicht unzu-
frieden ſein. Uhdes lichtdurchtränktes Bild ſeiner Tochter
kann der Mehrzahl der ausgeſtellten Gemälde in Bezug
auf die künſtleriſchen Probleme, denen ſie nachſtreben, als
Motto dienen. Da iſt, um die talentvolle Jugend vorweg
zu nehmen, Albert Weisgerber zu nennen, der mit
einem ſehr flott hingeſtrichenen Selbſtportrait, dem Bild
ſeiner Mutter und einem halben Dutzend Gelſtudien ver-
treten iſt. Sein Kolorismus iſt oft noch übermäßig un-
ruhig, in Lichtproblemen das Beſondere geradezu auf-
ſuchend; jedenfalls aber ſind ſeine Geſtalten keck erfaßt
einen Blick für das Weſentliche und intimes Verhältniß
zur Natur. Eugen Wolff iſt über das Experimentale
hinaus. Mit wenigen Strichen giebt er die Lichtſpiegelung
im Ententeiche; noch ausgereifter und abgeklärter iſt das
„Interieur“. Schramm-Zittau bringt neben ſeinem
famos gemalten Federvieh, auch Gänſerupferinnen, ein
mehr techniſch intereſſantes Stück flackernder Farben. Ein
innig erfaßtes Stück Landſchaft mit fein geſehenem
Wolkenzug hätte noch gewonnen, wenn der Himmel nicht
ſo übergroß wäre im Verhältniß zu dem Fleckchen Erde.
Veben einem Jägerporträt zeigt das mit Leibl-ähnlicher
Naturtreue geſehene Bild eines Bauernbürgermeiſters, daß
Schramm auch außerhalb ſeines gewohnten Motivbereiches
mit Erfolg bemüht iſt. Rudolf Nißls blaugrüne, licht-
erhellte Interieurſtudie „Die Leſende“ iſt von feinem Reiz;
auch in ſeinem Selbſtbildniß zeigt er, trotz aller Farben-
kontraſte, Geſchmack. Der Anblick des an der Staffelei
ſtehenden Künſtlers iſt von frappanter Lebenswirkung,
wenn auch die maleriſchen Beflexſpiele die individuelle
Ausgeſtaltung der Züge zurücktreten laſſen. Auch von
Mar Köppens Selbſtbildniß wäre letzteres zu ſagen; dieſer
Maler iſt übrigens ſehr flott und ſicher im Strich und
Zeichnung.
Bei Leo Putz wirkt das Licht immer noch übertrieben,
ob er ein Mädchen beim Lever in der ſonnbeglänzten
Schlafſtube malt, oder im Kahn ſitzend, Thauwetter oder
Herbſtlandſchaft; man hat den Eindruck eines temperament-
reichen, nicht immer geſchmackvollen Malers, der experi-
mentirt. Aehnlich iſt noch Ernſt Stern, der jedoch in
einigen Sachen („Plein air“) ſchon gezügelter und deshalb
künſtleriſcher erſcheint. Hermann Groeber bringt neben
virtuoſen Farbenkunſtſtücken, wie die Kinder am Waſſer
auch weniger grell gemalte Bilder, von denen 3. B. die
Frau mit Ziege durch die lebensvolle Erfaſſung der
Bäuerin feſſelt; ähnlich wie dieſer zeigt ſich Karl Kern-
ſtock mit ſeinen rothblauen Geſtalten bei Sonnenuntergang
auf grüner Wieſe; übrigens auch mit ſehr reſpektablem
Können gemalt. Landesberger bringt das früher ſchon