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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 6
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Marasse, Margarete: Santa Cecilia in Trastevere
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Beyer, Johann: Dötlingen und der Maler Georg Müller vom Siel
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0101

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zetti im Campoſanto von Piſa iſt undenkbar. Auch
an den Seitenwänden des Chors fand man Fragmente
von Darſtellungen aus dem alten und neuen Teſta-
ment, die derſelben Künſtlerhand zuzuſchreiben ſind.
Jakobs Traum, Eſau am Bette Iſaaks, eine Ver-
kündigung, der Torſo eines rieſigen Kriegers, höchft
wahrſcheinlich eines San Chriſtoforo, laſſen alle ein
und denſelben Pinſel erkennen.

Es handelt ſich zweifellos um Pietro Cavallini,
von dem alte Schriftſteller viel Lobenswerthes be-
richten, von dem jedoch der Nachwelt ſo viel wie
nichts erhalten blieb. Vaſari erzählt, daß Pietro
Cavallini „nobilissimo maestro dipinse tutta di sua
mano Santa Cecilia in Trastevere“. Dieſem Anek-
dotenerzähler iſt nicht immer ganz zu trauen, aber
die Aehnlichkeit der neu aufgefundenen Kompoſitionen
mit den Moſaiken der Tribuna von S. Maria in
Traſtevere und denen der beſprochenen Kirche von
S, Cecilia in Traſtevere iſt ſo auffallend, daß ſie
auch dem Taien in die Augen ſpringt.

Pietro Cavallini war ein direkter Vorgänger
Giottos und hat, wie man heute allgemein annimmt,
unter Cimabue an der Ausſchmückung der oberen
Uirche zu Aſſiſi mitgewirkt. Als Vertreter zum Ueber-
gang einer neuen Kunſtweiſe galt er ſchon lange. Die
Fresken von Santa Cecilia jedoch ſprechen von einer
künſtleriſchen Geſtaltungskraft, die uns mächtiger er-
ſcheinen will als die Leiſtungen ſeiner berühmten
Zeitgenoſſen. Schon entbrennt ein wilder Kampf der
Uunſtkritiker um die Fresken, noch ehe die Kirche, zu
welcher ein Frauenkloſter gehört, ihre friedlichen
Pforten dem großen Publikum wieder geöffnet hat.
Vita brevis, ars longa, dies alte Wort illuſtrirt auch
Pietro Cavallini, deſſen in ſo geringer Menge er-
haltenen Kunſtäußerungen noch heute begeiſtern, und
von deſſen Erdenwallen ſo gut wie nichts bekannt
iſt. Bei dem ſo kurzen Leben erſcheint uns die per-
ſönliche Gehäſſigkeit, mit der ſich die Herren Profeſſoren
hier bekriegen, kein lieblicher Zeitvertrieb. Auch
dürfte die himmliſche Heilige mit der ſüßen Stimme
und göttlichen Ueberredungskunſt kein ſonderliches
Gefallen daran finden. —

*

Mit dem großen und geſchmackvollen Schau-
gepräge, das der katholiſchen Kirche eigen iſt, wurde
das reich renovirte Gotteshaus am 22. Vovember
dem Publikum übergeben. Der Kardinal Bampolla
leitete ſelbſt die Feier; ſeine ſtolze, ſtattliche Geſtalt
imponirte dem feſtlichen Gewoge, und auch die,
welche nicht zur alleinſeligmachenden Kirche gehörten,
mußten bewundern, was er geſchaffen.

Die Sarkophage mit den Körpern der heiligen
Cäzilie und anderer Märtyrer aus der Zeit Mark
Aurels ſtanden bisher in einer dunklen, feuchten
Krypta, die dauernd durch das eindringende Waſſer
des Tibers geſchädigt und bedroht war. Die neue
Krypta, die Seine Eminenz durch den Architekten

G. Batt. Giovenale herrichten ließ, wird nicht nur
durch die Kunſt der Ingenieure ſicher vor den Fluthen
des Tibers geſchützt, ſondern ſie gleicht wirklich einem
Kämmerlein im heiligen Paradieſe.

Im Licht unzähliger elektriſcher Flämmchen
ſchimmerte der koſtbare Marmorſchmuck der Wände,
der fein vergoldete Stuck, die Edelſteine an den Campen,
die ſchlanken Säulchen, der moſaizirte Fußboden.
Profeſſor Aureli, der Spezialbildhauer des heiligen
Vaters und ſeiner frommen Werke, hat dazu eine
neue Statue der jungfräulichen Heiligen geſchaffen.
Die römiſche Ariſtokratin ſteht nun wieder in weißem
Marmor in ihrem einſtigen Wohnhauſe, ſie blickt
nicht auf die irdiſche Menge der Schaubegierigen, ſie
ſchaut zum Himmel und ſcheint den Heerſchaaren der
Engel und Cherubime zu lauſchen, das Gewand fällt
in einfachen Falten um die keuſchen Glieder, die
ſchöne Märtyrerin erinnert ein wenig an die
Raffaeliſche Idealgeſtalt.

Eins bleibt ſchmerzlich zu bedauern, die ſo wert-
vollen, neu aufgefundenen Fresken ſind nur mit einem
Permeſſo vom Miniſterium oder von Sua Em. il
Cardinale Rampolla ſelbſt zu beſichtigen. Wer Bom
beſucht, um. neu entdeckte Kunſtwerke zu ſtudiren, der
wappne ſich mit guten Empfehlungen!

P
Dötlingen und der Maler
Georg Müller vom Siel.

von Johann Bever, Bremen.

DNer Nordweſten Deutſchlands mit ſeinen
7 großen Haide- und Moorflächen iſt keines-

7 wegs jedes landſchaftlichen Beizes bar, als
welcher er ſehr zu Unrecht verſchrieen iſt. Er beſitzt
ſeine eigenartige maleriſche Schönheit, oft voll tiefer
Poeſie. Man muß nur Auge und Sinn dafür haben.
Es giebt ſogar „Paradieſe der Haide“, wie die herr.
liche Lieth bei Fallingboſtel in der Lüneburger Haide.
Wer einmal zur Sommerszeit die Haide durchwanderte,
vergißt ſie nie wieder. Soweit der Blick reicht, eine
rothſchimmernde, blühende Fläche. Kein Laut ringsum!
Nur das Summen und Sirpen zahlloſer Inſekten, die
die rothen Erikaglocken umſchwirren! Hinweggerückt
vom Lärm des Alltags kann man hier in der Stille
der Natur träumen, ſtundenlang träumen, wie es am
beſten wohl der Norddeutſche vermag, deſſen ruhige,
im gewiſſen Sinne etwas träge Natur mit der Stille
und Melancholie ſeiner heimathlichen Erde aufs
Innigſte harmoniſirt. Die blühende Haide übt auf
das empfängliche Gemüth einen eigenartigen Sauber,
dem ſich Herz und Sinn leicht gefangen geben. Ganz
anders ſieht die Haide im Herbſt und Winter aus,
wenn der Sturm über die weite dunkle Fläche fegt.
Dann erwacht die Phantaſie des einſamen Haide-
wanderers: Die altersgrauen Steindenkmäler und
 
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