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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 20
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Thomas, Bertha: Die Londoner Kunstausstellung
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Von Dresdener Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0355

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Vr. 20


309

(in der New Sallery) ſind charakteriſtiſche Ceiſtungen,
haben aber nach dem, was wir in jener Sonder-
Ausſtellung ſahen, ein klein wenig enttäuſcht. ;

Der Mangel an Initiative, an Griginalität und
Sielbewußtſein, der die engliſche Kunſt am freien
Aufſchwung hindert, macht ſich auf keinem Gebiet ſo
fühlbar, wie auf dem der Plaſtik. Die Skulpturen-
Abtheilung iſt dürftig beſchickt in dieſem Jahr, und
abgeſehen von einer prächtigen Bronzegkuppe von
Zwan „Knabe mit Bärenſungen“ und deſſelben
Künſtlers „Verwundeter Leopard“ iſt nichts von Be-
deutung da. Vor Uurzem hat eine kleine Ausſtellung
von Statuetten in der „Geſellſchaft für die ſchönen
Künſte“, Bond Street, ſtattgefunden; nebenbei be-
merkt, ein höchſt löbliches Unternehmen, deſſen
Wiederholung nur zu wünſchen wäre. Aber kein noch
ſo voxeingenommener Patriot hätte zu leugnen ver-
mocht, daß jedes durch höhere künſtleriſche Qualität
ausgezeichnete Stück von einem Ausländer herrührt.

Wer ſich an den franzöſiſchen Meiſtern des
18. Jahrhunderts zu erfreuen liebt, über die man im
hieſigen Publikum überhaupt wenig unterrichtet iſt,
findet dazu Gelegenheit in der Guildhall, wo eine
zum großen Theil dieſen Werken gewidmete Aus-
ſtellung zuſammengebracht iſt. Boucher, Frago-
nard, Nattier, Chardin, watteau, £a Trin-
queffe repräſentiren die Kunſt ihrer Zeit hier, und
ihre Gemälde geben ein treues Spiegelbild des Ge-
ſchmacks und der Ideale einer entſchwundenen Ge-
ſellſchaftsepoche. Der Raum geſtattet mir nicht mehr,
als dieſen Vermerk über eine Ausſtellung, in welcher
die franzöſiſche und die engliſche Schule jener -Zeit
nebeneinander ſtudirt werden kann, und die eime
Beſprechung im Einzelnen recht gut lohnen würde.

**

von Dresdener Kunst.
Ein Aückblick.

2
8 or einiger Zeit prangte unter den Tages-

broſchüren der Buchläden der ſenſationelle Titel:

„Münchens Niedergang als Uunſtſtadt“, und
vermochte wenigſtens für eine Weile die Gemüther über
dieſe Frage ſtark zu erregen. Eine ſtattliche Zahl von
Antworten bei einer Enquete hierüber waren darin zu-
ſammengeſtellt, und wenn auch, wie ſtets in ſolchen Fällen,
ein bündiges Beſultat natürlich nicht gefunden war, ſo
ward doch der Anlaß gegeben, das Intereſſe für eine all-
gemeinere Betrachtang und Bewerthung der wahrhaft
verwirrenden Maſſe künſtleriſcher Produktion, wie ſie in
nie dageweſenem Umfange für unſere Zeit charakteriſtiſch
iſt, von Venem zu wecken, und konnte zu dem Verfuche
anregen, das Uunſtſchaffen und -leben auch anderer
deutſcher Städte einmal unter einem umfaſſenderen Ge-
ſichtspunkte, als dem der bloßen Tageskritik, zu über-


genen Halbjahres vermag immerhin ſchon eher hierzu
Gelegenheit zu geben, als die geſonderte und ſofortige
Beſprechung deſſen, was die Kunſtſalons und Kunftvereine
in raſchem Wechſel ausſtellen und was Denkmals-lon-
kurrenzen und Plakatausſchreiben ununterbrochen in die
Welt ſetzen. Denn gerade auf dieſe kommt es hier an
Sie ſind vielleicht in noch höherem Maße, als die großen

und internationalen Ausſtellungen, geeignet, über den
wahren Stand der Dinge Aufſchluß zu geben. Jene
Rieſen-Bildermärkte mit ihrem Prinzip einer Anordnung
nach Ländern und Kunſtzentren, bei dem jede Abtheilung
mit der benachbarten konkurrirt und ſich bemüht, in ihrer
Geſammtheit für ſich einen beſonders hervorſtechenden
Eindruck zu machen, haben der urſprünglichen einfachen
Beziehung zwiſchen Künſtler und Kunſtwerk noch als neues
Moment das Ausſtellungspublikum und das jeweilige Aus-
ſtellungsmilien angegliedert und dieſes ſogar ſtark in den
Vordergrund gerückt. Die Hängekommiſſionen müſſen hier-
zwiſchen laviren, und die dekorative Ausſtattung der ein-
zelnen Säle, neuerdings mit Recht in weit höherem Maße
berückſichtigt, die Auswahl und Anordnung in Hinſicht auf
das, was gerade auf Ausſtellungen gut wirken und die
Nachbarabtheilung womöglich ſchlagen wird, ſchaffen dort
ein Bild von dem künſtleriſchen Nivean einer Stadt, das
ſich durchaus nicht immer mit der Wirklichkeit zu decken
braucht. Dieſe ſpiegelt ſich im Gegentheil oft mit mehr
Anſpruch auf Bichtigkeit eben in jenen minder auffälligen
Zeugniſſen und Aeußerungen des täglichen Kunſtlebens ab,
die noch nicht unter dem Zeichen der großen Sommeraus-
ſtellungen ſtehen.

Hinter „Dresden eine Uunſtſtadt“ iſt das Fragezeichen
diesmal nicht geſetzt worden; ſeine gegenwärtige Bedeutung
als ſolche iſt ja, im Gegenſatz zu dem von jeher feſt
wurzelnden Ruhme Münchens, noch ſo jung, daß man
kaum ſchon Zeit gefunden hätte, ſie wieder anzuzweifeln.
Immerhin ſind ſeit jener Berliner Ausſtellung, mo Dresdens
überraſchend erfolgreiches Auftreten mit einem Schlage zu
einem großen Ereigniſſe ward, nunmehr 6 Jahre ver-
floſſen, in denen die ſchwierigere Aufgabe zu erfüllen blieb,
dem friſch erworbenen guten Benommé auch treu zu
bleiben, wo es galt, den Beſitz der jungen Lorbeeren zu
behaupten, die damals um ſo bereitwilliger geſpendet
wurden, als ſie einen plötzlichen, ſprunghaften Fortſchritt.
bedeuteten. Stand doch damals die ruhmreiche Vergangen-
heit, deren Denkmäler, als Zwingerbau, Gemäldegallerie
und ſächſiſches Porzellan, noch das Intereſſe des kunſt-
ſinnigen Beiſepublikums aus allen Theilen der Welt auf
das Elbflorenz konzentrirten, in bedenklichem Widerſpruch
zu dem kaum nennenswerthen zeitgenöſſiſchen Kunſtſchaffen.
Heute hat ſich das Blatt gewendet, und ſehr zum Beſſeren.
Dresden hat ſeinen Akademie-„Prachtbau“, deſſen architek-
toniſche Hohlheit zum Glück in erfreulichem Gegenſatze
ſteht zu ſeinen muſtergültigen Studienbedingungen, wie ſie
an Beichthum und Bequemlichkeit in Deutſchland aner-
kanntermaßen ihres Gleichen ſuchen. Es genügt, unter
den Lehrern Namen wie Kuehl, Prell, Bantzer, Guß-
mann, Bob. Diez, Wallot, Treu, zu nennen, zu denen
ſich nach Prellers Tode noch Eugen Bracht geſellt hat.
Der ſtädtiſche Ausſtellungspalaſt an der Stübelallee hat
gleichfalls alljährlich innerlich wehr gehalten, als er von
außen zu verſprechen ſchien, und ſogar den Spezialruhm
erworben, daß man dort eine weniger erdrückende Bilder-
menge als anderswo, in beſonders ſtrenger Auswahl und
beſonders geſchmackvoller und intimer Aufſtellung zu ſehen
bekam, und daß dort eine nähere Bekanntſchaft mit mo-
derner franzöſiſcher Kunſt und belgiſcher Plaſtik, als je
zuvor in Deutſchland, vermittelt wurde. Und zum Glück
hat mit dieſer ehrenvollen Repräſentation nach außen hin
auch die eigene Produktion wacker Schritt gehalten. Die
Jungen, die ſich damals in Berlin bewußt von den Alten
 
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