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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 8
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Garschagen, L.: Düsseldorfer Kunst
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Gustav, Leopold: Die Winterausstellung der Münchener "Sezession"
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0140

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ling die Hand zum Schwur erhoben. Im Hintergrunde
wird der gefeſſelte Verbrecher von einfallenden, grellen
Lichtſtrahlen geblendet. In dieſer Lichtfluth erſcheint der
beflügelte Genius der Wahrheit und wirft ſcheinbar mit
einem großen Brennglas die gebrochenen Strahlen auf den
mörder, der ſich mit erhobenem Arm davor zu ſchützen
ſucht. In einem gleichzeitig ausgeſtellten anderen Ent-
wurf wirft der Genius mit einer Fackel das Wahrheits-
licht in den dunklen Gerichtsraum. Das Amtsgeſicht des
eifrig protokollführenden Gerichtsſchreibers iſt treffend ge-
geben; die Henkersgeſtalt hingegen iſt mit der üblichen
Geiernaſe und den fürchterlich rollenden Augen traditionell
aufgefaßt. Die Gruppen ſind maleriſch klar und verſtänd-
lich angeordnet; die reine, edle Junglingsgeſtalt und der
Urheber mit den Schrecken ſeiner That kontraſtiren wir-
kungsvoll.

In demſelben Saale hingen die Werke dreier eng
verwandter Meiſter der Landſchaft, Jernberg, H. Lieſe-
gang und Eugen Kampf. Die Herbſtnatur der weſt-
phäliſchen Landwege iſt von Erſterem in ihrem heiteren,
friſchen Farbenreichthum geſehen und ebenſo friſch und
flott gemalt. Mit Vorliebe ſchüttelt ſein ſäubernder Wind
im klaren Sonnenlicht die bunten, wirbelnden Blätter. —
Lieſegangs Natur ruht und träumt. Er bringt auch eine
Herbſtſtimmung, aber ſeine Bäume am Weiher neigen ſich
müde zur Erde, und ihr grelles Laubwerk iſt Leichenputz.
Die fahle Hoffnungsloſigkeit oder das bunte, grelle Todes-
fieber der Natur vermag der Künftler ergreifend zu
ſchildern. Auch ſein „Gehöft im Schnee“ entſpricht dieſer
Schwermuth-Poeſie. Hier verräth die einſame, graue
Troſtloſigkeit und das froſtige Leuchten der weiten Schnee-
felder wieder das feine Gefühl für Stimmung. Sonniger iſt
der dunſtige Seehimmel über ſeinem „Dorfe in den Dünen“
und die ſtille Sommerſchwüle, in der ſein „niederrheiniſches
Städtchen“ ſchlummert, oder der neſtelnde Fiſcher auf
weitem, einſamem See in ſeinem „Am frühen Morgen“.

Eugen Kampf vertieft ſich mit einer ähnlichen, melan-
choliſchen Neigung in die dunſtverſchleierten Reize des
niederdeutſchen und benachbarten holländiſchen Flachlandes.
Aus der feuchten Dämmerluft, wohinein er ſeine verlaſſene
Strohhütte taucht, leuchten tiefe, zartgeſtimmte Farbentöne.
Auch Beinrich Herrmanns ſchließt ſich dem poetiſchen
Empfinden der Obengenannten in ſeiner Winterlandſchaft
und dem Vorfrühling an. Die Bäume in ſeinem lenzesfrohen
Walde recken und dehnen ſich förmlich nach langem Schlafe
in der endlich ernſtmeinenden, belebenden Sonne. — Ernſt
Gerhards Idylle ſchwelgen in ihrem magiſchen, grün-
blauen Abendſchein, und auch ſein Mondſchein hüllt die
Landſchaft in gleichen farbigen Dunſt. Die ſeelenvolle
Stimmung des Abendfriedens in ſeinem „Bretoniſchen
Dorfe“ wirkt durch die naive Innigkeit des Beobachters.
Dieſes zufriedene Dörfchen, deſſen Giebel von den letzten
Sonnenſtrahlen vergoldet werden, und der biedere, heim-
kehrende Burſch' mit ſeinem Mädel erſcheinen unzertrenn-
lich. Fein beobachtet iſt auch das mondbeglänzte, grüne
Seeleuchten mit dem einſamen, auf ſanften Wellen wiegen-
den Segler in ſeinem „Abend auf dem Meere“.

Ein komiſch heiteres Temperament ſpricht aus Jul.
Bergmanns treuherziger Gänſehüterin am „Flußufer“.
Dieſer humoriſtiſchen Seite der Düſſeldorfer Kunſt gehört
auch die frohe Bosheit Philippis in ſeiner immergrünen
Eulalia. A. Hamacher ſtellte ein durch Ungezwungenheit

in der Haltung ausgezeichnetes, farbenkräftiges Damen-
porträt aus. Die plaſtiſche Wirkung deſſelben iſt der tech-
niſchen Bichtung entgegengeſetzt, welcher Neven Du
Mont in ſeinen zahlreichen Studien und Porträts huldigt.
Letzterer ſtimmt meiſtens auf einen Ton, und zwar jedes-
mal den koloriſtiſchen Eigenthümlichkeiten des Porträts
entſprechend. Die dargeſtellte Perſon erſcheint gewiſſer-
maßen verſchleiert in einem dunkel gehaltenen Interieur.
Sie ſoll zuerſt geahnt werden, um durch die Vertiefung
des Beſchauers immer lebendiger und nachhaltiger zu
wirken. Dabei giebt er ſeinen Geſtalten oft ihre Lieblings-
beſchäftigungen, z. B. der weiblichen Jugend die Erledi-
gung ihrer Toilettenangelegenheiten, der älteren Dame die

Zeitung.
P

Die Winterausitellung
der Münchener „Sezellion“,

Don Leopold Guſtav, München.

s iſt eine Todtenſchau, die die „Sezeſſion“ diesmal

5 abhält, aber ſie umfaßt Darbietungen von

künſtlern, die noch eine Zeit lang den Lebenden
Manches zu ſagen haben.

Paul Hetze war ein ſtiller, feiner Künſtler. Maleriſch
hat er von Böcklin gelernt; er wußte aber deſſen Farben-
ſymphonien zu den träumeriſchen, weicheren Tönen feiner
Kunft herabzudämpfen. Ein Stück Komantik ſteckt in
ihm. Es iſt weniger diejenige der Jugend um 1900,
mehr Eichendorff. Stille, lauſchige Seitenthäler, träume-
riſche Waldeinſamkeit, in der ein einſamer Mönch wandelt,
und die Natur iſt immer auf eine leiſe, aber nicht bittere
Wehmuth geſtimmt. Es ſind nicht viele Melodien, die in
den Bildern erklingen, aber ſie kommen aus einem ehr-
lichen, weichen, aber nicht weichlichen Künſtlerherzen.

Auch Wilhelm Dolz iſt frühe dahingegangen. In
ihm wogte größeres Leben. Er hatte ſogar den in unſeren
Tagen ſo ſeltenen Zug zur Freskomalerei, wofür die
Skizzen⸗Projekte für eine Münchener Friedhofskapellenkuppel
reichlichen Beweis bieten. Sie zeigen einen markigen Sinn
für die Schönheit der Linie, plaſtiſches Vermögen in der
Ausgeſtaltung des Raumes und einen kraftvollen Koloris-
mus. Inhaltlich lag ihm wohl näher als das Chriſten-
thum die Heiterkeit der antiken Mythe. Beſonders
hervorzuheben ſind ſeine Kindergeſtalten; in ihrer Dar-
ſtellung ſteckt ein ſeltenes Maß von Beobachtung. Den
Reiz derber Drolligkeit, der ſo oft in den unausgewachſenen
Gliederchen liegt, wußte der Maler ebenſo gut zu geben,
wie die unbewußt naive Kindlichkeit des Ausdrucks.

Arthur Langhammer iſt ſtets ein Suchender geweſen.
Die zur Ausſtellung gebrachten Werke ſtellen nur die letzte
Epoche in des Malers Leben dar. Die urſprünglich von
ſtreng realiſtiſchem Beſtreben ausgehende Kunſt des Dachauer
künſtlers hat ſich allmählich rein dekorativen Wirkungen
zugewandt. Auch Dill und Hölzel ſind da draußen im
Moos den gleichen Weg gegangen. Bei vielen Werken
Dills iſt das Zeichneriſche, das Geſtaltende nichts, die har-
moniſche Wirkung der Tonwerthe Alles. Die ausgeſtellten
Langhammerbilder haben faſt alle das gleiche Motiv.
weißgekleidete Frauen oder Kinder draußen auf der Flur
 
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