Die Kunst-Halle — 7.1901/1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0088
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Nr. 5
DOI article:Gustav, Leopold: Münchener Brief
DOI article:Frankfurter Kunstbrief
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Die ziemlich ungeeigneten Räumlichfeiten des National-
muſeums ſind mit Geſchick den Zwecken angepaßt. Kom-
promiſſe, welche auf Grund der vorhandenen Lokalitäten
geſchloſſen werden mußten, ſind ähnliche, wie ſie unſere
heutigen Miethswohnungen nöthig machen. In der
künſtleriſchen Zuſammenwirkung liegt für mich das Er-
freulichſte der kleinen Ausſtellung.
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Frankfurter Kunſtbrief.
Leopold Guſt av.
ie am 3. November eröffnete Jakhresaus-—
ſtel lung Frankfurter Künſtler zählt heuer
” über 200 Nummern. Ereilich wäre die An-
nahme verfehlt, daß es ſich hier ausſchließlich um Frank-
furter Kunſt handelt. Eine Beihe Künſtler, die der Ka-
talog anführt, haben auswärts, in München, Berlin, Paris,
Brüſſel, ihr Domizil, andererſeits wieder vermißt man
eine Reihe Namen, ohne die der Frankfurter „Salon“
wohl nicht den Anſpruch auf Vollſtändigkeit machen kann.
Bürgermeiſter Varrentrapp meinte in ſeiner Begrüßungs-
rede, daß der Begriff der Frankfurter Kunſt in erſter
Linie wohl darin beſtehe, daß einige führende Meiſter eine
in gewiſſem Sinne vorbildliche Richtung pflegen, der ſich
einige Gruppen dann nachſchaffend anſchließen. Ich kann
mich für dieſes Prinzip nun leider nicht erwärmen, aber
Thatſache iſt, daß der Thoma-Nachahmerei, die vor einigen
Jahren der hieſigen Landſchaftsmalerei anhaftete, nun-
mehr eine Trübner-Gruppe den Platz ſtreitig macht. Ein
paar ſonſt ſehr tüchtige weibliche Kräfte ſind auf dieſe
weiſe ihrer gaͤnzen Selbſtſtändigkeit verluſtig geworden.
wilh. Trübner ſelbſt iſt mit einem großen Beiterbild
und einer älteren Landſchaft vertreten; erſteres iſt prächtig
im Con und mit großer Bravour hingeſtrichen. Ferd.
Brütt hat außer einigen Bildnißſtudien eine größere
Tafel, halb Interieur, halb Stimmungsſtillleben, ausge-
ſtellt; größere Bilder zeigen noch Alois Penz (Graz)
und Max Aahn-Paris, letzterer ein Vachtſtück von den
Boulevards: Ein armes Kind hat einen Sou verloren und
ab, während der Strom der eleganten Paſſanten achtlos
vorüberzieht. Weiter vertreten ſind: Wilk. Steinhauſen
mit einem religiöſen Motiv, Rob. Forell mit einem Kitter
auf ſteigendem Pferde, Jak. Happ mit heſſiſchen Dorf-
trachten. Von den Uebrigen nenne ich nur die Namen
Scholderer, Klingender, Wilh. Beer, Altheim u. v. A. Im
Bildniß zeigt Max Schüler ein frappantes Porträt des
Jubilars Leop. Sonnemann und ein elegantes weibliches
Bildniß. Gute Bildniſſe ſandten weiter: Erich Körner
(Prof. Dr. Uhde), Norbert Schrödl, Alfr. Schwarzſchild,
Heyl, Elkan, Röderſtein u. A. Die Landſchaft weiſt ſo
zahlreiche Namen auf, daß ſie einzeln alle nicht aufgeführt
werden können. Die Plaſtik enthält eine Reihe tüchtiger
Leiſtungen; ſchöne Porträtbüſten von Karl Rumpf, E. Bitt-
weger, Ed. Rettenmeyer, Born und Herz; Statuetten von
Georg Bäumler („Erwachen“), Lußmann (zwei Bronzen),
Jordan Salome) u. A. — Der Jahresausſtellung voraus
gingen Aollektionen von Ernſt Stückelberg-Baſel, Wilh.
Steinhauſen-Frankfurt, Jul. Exter-Nünchen und die Land-
ſchaftsſerien von Nelſon Kinsley-Kronberg und Ed Müller-
Frankfurt. — Stückelbergs Kunſt vermag uns heute nicht
ſonderlich mehr zu erwärmen, zumal auch faſt allen Oel-
bildern eine freskenartige Koloriſtik anhaftet. In der
Auffaſſung freilich verräth ſich der geläuterte Idealismus
des Schöpfers der Fresken an der Tellskapelle am Vier-
waldſtätterſee. Steinhauſen zeigte außer einigen Gel-
bildern drei große religiöſe Kartons für dekorative Wand-
bilder, Jul. Exter gefällt ſich in ſeinen derb hingeſpach-
telten Bildern in koloriſtiſchen Purzelbäumen und bringt
dadurch den Münchener Sezeſſionismus einigermaßen in
Mißkredit. Zarte Taunusſchilderungen brachte der poetiſche
Nelſon Kinsley.
Bei Hermes dominirt eine aus achtzehn Nummern
beſtehende Serie von Böcklinbildern. Fertige und uu-
vollendete Bilder, Skizzen und Entwürfe, Farbenſtudien
und Schwarzweißarbeiten führen einen Theil des Lebens-
werks Böcklins aus allen Zeitperioden vor. „Venus, Amor
entſendend“ iſt eines der älteſten Bilder; ganz in einem
dunklen, einheitlichen Ton gemalt, verräth es noch nichts
von den ſpäteren pompejaniſchen Farbenſkalen des Meiſters.
Mitten in dieſen Farbenjubel hinein führt uns dagegen
das „Bacchanal“ — eine Schaar weintrunkener Bürger,
Soldaten und Liebespaare vor einer altrömiſchen Gſteria.
Echte Böcklins ſind ferner die ergreifende „Pietä“, „Das
Schweigen des Waldes“ und der temperamentvoll hinge-
ſtrichene „Zimbernkampf“, der als ein Pendant zu Rubens
„Amazonenſchlacht“ gelten könnte. Das größte Bild der
Serie, „Spiel der Wellen“, befriedigt am wenigſten. Crotz-
dem es als „unvollendet“ bezeichnet iſt, ſieht es jeder
Freund Böcklinſcher Kunſt mit Bedauern, zumal wenn er
das Original der Münchener Pinakothek in der Erinnerung
hat. Wie roh ſind dieſe Köpfe von Criton und Vereide
übermalt! Manche der Böcklinſchen Vachlaßbilder laſſen
uns daran glauben, als wäre der Greis zu ſeinen letzten
Bildern gezwungen worden. — Die Entwürfe zu einigen
landſchaftlichen Hauptwerken verrathen intereſſante Böck-
linſche Ateliergeheimniſſe. — Gleichzeitig mit dieſer Serie
iſt ausgeſtellt eine Kollektion ſonniger Landſchaften mit
Chierſtaffagen von Georges Bernier-Brüſſel. Die
friſche, robuſte Technik ſtellt die Bilder in eine nahe Pa-
rallele zu den mitausgeſtellten Landſchaften Viktor Gilſouls
und des trefflichen Stimmungsmalers Paul Mathieu.
Im Aunſtſalon Schneider-Andreas hat der
wiener Sezeſſioniſt C. Moll eine Kollektion Bilder, die
als charakteriſtiſche Proben der modernen Wiener Uunſt.
bezeichnet werden können. Geſchmack und Grazie und ein
anerkennenswerthes Streben nach Selbſtſtändigkeit vereinigt
ſich mit einer ſozuſagen femininen Kunſtanſchauung. Otto
Scholderer, Hans Thomas Studiengenoſſe, hat mit dieſem
ebenfalls eine Serie neuer Arbeiten ausgeſtellt. Scholderer
liebt eine glatte, der Detailbehandlung gewidmete Technik
und ein auf zarte Töne geſtimmtes Kolorit. Porträts,
Stillleben und Figürliches weiß er mit anſpruchsloſer,
diskreter Auffaſſung wiederzugeben. Die frühere Aus-
ſtellung bei Schneider-Andreas brachte eine reichhaltige
Sammlung Tempera- und Gelbilder von Walther
Georgi-Leipzig. Der Zyklus „Ein Herbſttag“ und auch
die Mehrzahl der übrigen Bilder ſind ſchon gelegentlich
der Ausſtellung in Berlin gewürdigt worden.
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