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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 1
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Pudor, Heinrich: Die bildende Kunst in Finland, [1]
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Dresden: Intern. Kunstausstellung 1901
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0010

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vom Gſten aus beſtrebt, das Land an ſich zu reißen,
und als Peter der Große ſeine Hauptſtadt nahe an
die finiſche Grenze verlegte, mußte natürlich das Be-
ſtreben Rußlands darauf gerichtet ſein, das ſchwe-
diſche Finland zu unterwerfen. Und als Alexander I.
im Jahre 1808 die ruſſiſchen Truppen dort einrücken
ließ, erließ er eine Proklamation, wonach es ſeine
Abſicht ſei, „Finland unter Beibehaltung ſeiner Frei-
heiten und Bechte mit Außland zu vereinigen.“ Vach
dem Friedensvertrag zu Frederikshamm endlich vom
17. September 1809 wurde es als Sonderſtaat mit
dem ruſſiſchen Reiche auf dem Wege der Bealunion
vereinigt. Dieſe Vereinigung war jedoch lediglich
eine äußerliche und politiſche und bis in die aller-
jüngſte Seit der Kuſſifizirungs-Verſuche hat das
Land ſeine ihm eigenthümliche Kultur beibehalten.
Denn zu den Grundzügen des finiſchen Weſens
gehört nicht nur eine ſchwärmeriſche Liebe zum Vater-
lande und zum heimiſchen Boden, ſondern ein aus-
geſprochener trotziger Eigenſinn, der an den knorrigen,
zähen weſtfäliſchen Charakter erinnert. Dazu
kommt eine außerordentliche Volkskraft und ein
ſtarkes, unerſchütterliches Bewußtſein der VolksSoli-
darität, an deſſen Felſenfeſtigkeit ſelbſt die Wogen
des Panſlavismus ſich brechen müſſen. Veben
dieſen Charakterzügen ſteht eine ſtarke Sinnlichkeit
und ſtürmiſches, hitziges Naturell, nicht italieniſch
warmblütig, aber nordiſch ſinnlich. Dazu kommt,


iſt. Denn er iſt ſchwermüthig bis zum Tiefſinn.
Man muß die finiſche Natur kennen, um dieſes
Sich-Feſtſaugen des Bewohners an ſchwermüthigen
Stimmungen verſtehen zu können. Finland, auf
finiſch Suomi genannt, iſt nicht nur das Tauſend-
Seenland, als das es bekannt iſt, ſondern es iſt auch
das Land der ſchwermüthigen Moore, der träume-
riſchen Waldſeen, der düſteren Fichtenwälder, der
irrenden Granitblöcke, die wie Narben von uralten
Wunden aller Orten aufragen: nur Klagen und
Schmerzen, ja Verzweiflungsſchreie tönen aus ſeiner
Natur. Für den Sonnenuntergang iſt ein grelles,
brennendes Both charakteriſtiſch, als ob die Sonne
ſelbſt in dieſem Lande der Schmerzen und der Ver-
zweiflung dem Himmel das Blutmal eindrücken wolle.
Die Blume Finlands iſt der Schnee, ſein Lorbeer iſt
der Fichtenzweig, ſein Gold iſt der Granit. Einen
Frühling giebt es kaum, nach achtmonatlangem
Winter iſt mit einem Mal der Sommer da und
währet auch nur vier Monate, und ſelbſt während
des Sommers gemahnen die häufigen Nachtfröſte
daran, daß er hier oben nur geduldet iſt: abringen
und abtrotzen muß er der Natur ſeinen Lebens-
unterhalt. Aber dafür hat der Finländer im Winter
den Genuß der hellen Nächte mit einem Sternen-
glanz, wie wir ihn nicht kennen. Der Februar iſt
der Monat des Vordlichtes. Da tönen die Ver-
zweiflungsſchreie auch aus dem Himmel wieder und

wie Ahnen des jüngſten Gerichtes zucken die weißen
Lichtgeſpenſter über den Nordhimmel und geben un-
lösbare Bäthſel auf — als ob ein ferner Gott in
einem weißen Mantel über den Himmel ſchreite, als
ob Eisberge im Mondlichte ſich ſpiegeln, als ob
Sonnen aus einer andern Welt durch die klare Cuft
ihr Licht ſenden.

so iſt Finlands Natur. Und dieſe Natur ſteht
mit flammenden Siegeln in den Herzen jener Menſchen
und in den Werken ihrer Kunſt geſchrieben. Die
Natur, als ob ſie in Flammen ſteht — ſo giebt ſie
der finiſche Künſtler wieder. Glühend und brennend
ſind die Farben und wie mit blutendem Herzen ge-
ſchrieben ſind die Gemälde. Aicht Schwermuth nur,
geſchweigeSentimentalität, ſondern wühlendeSchmerzen,
unter denen das Herz zuckt und ſich krampft — das
iſt der Stimmungsgehalt der modernen finiſchen Ge-
mälde. Und für den, der Natur und Land nicht
kennt, mögen ſie wohl pathologiſch wirken: die my-
ſtiſche Flammenfarbe hypnotiſirt förmlich den Be-
ſchauer. Dazu kommt die Einfachheit des Motivs.
Keine Geſchichten werden erzählt — keine Aäthſel
aufgegeben — ein Acker mit einem Haus bei Sonnen-
untergang: das iſt genug. In Uebereinſtimmung
hiermit ſteht auch die Technik. Alles iſt mehr
ſkizzirt und in großen Sügen angedeutet, als in den
Details ausgearbeitet. Auf das Eharakteriſche
kommt alles an, das Nebenſächliche wird abſichtlich
vernachläſſigt. So hat die finiſche Malerei in der
That einen weit größeren Beichthum an Stimmungs-
gehalt, an Naturinnerlichkeit, an Farben-Moſtik und
Farben-Leuchtkraft, als die ſkandinaviſche Malerei im
Allgemeinen. Und die Seele, die ſie ſpiegelt, iſt noch
zerriſſener, noch mehr klagend, als die der nordiſchen
Uunſt im Allgemeinen.

Eortſetzung folgt).

2
Dresden:
Intern. Runſtausſtellung 1901.

Schluß)

De graphiſche Abtheilung und die der Aquarelle,
Paſtelle und Seichnungen reiht ſich der Plaſtik
und der Malerei würdig an: ſie iſt reichhaltig,
günſtig angeordnet und enthält nur wenig, was
man miſſen möchte; angenehm fällt diesmal das
Fehlen aller unfruchtbaren und abſonderlichen tech-
niſchen Experimente, in denen manche Graphiker ſich
ſonſt hervorthaten, auf:
Die Ausſtellung beginnt mit den Dresdner


R. Müller mit ſeinen in bekannter vortrefflicher


Wolken“, „Mein Hund Quick“ und einigen Ba-
— von denen beſonders die 5 Häuſer wegen
ihrer maleriſchen Wirkung hervorgehoben ſeien.
Ferner verdient G. O. Erler einer der tüchſtigſten hieſigen
Graphiker, deſſen „Frau mit Siege“ und Heim-
 
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