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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 13
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Hamburger Ausstellungen des Jahres 1901
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Imhof, Franz: Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0232

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Nr. 13

kurz vorher geſchloſſenen Schleswigſchen Kunſtausſtellung
zu Flensburg als beſonders hervorragende Leiſtungen
geltend gemacht hatten. Es waren im Ganzen 10 Gemälde
von J. Alberts, Bagn, Ch. v. Krogh, Momme Niſſen,
Magnuſſen 7 und Heger f. Dieſe für die Künſtlerſchaft
der deutſchen Nordmark beſonders charakteriſtiſchen Arbeiten
waren nicht nur künſtleriſch von Intereſſe, ſondern ge-
währten auch einen Einblick in die in Hamburg noch wenig
gekannte Heimath- und Lokalkunſt Nordfrieslands, wo dieſe
kulturhiſtoriſche Interieurmalerei ſeit vielen Jahrzehnten
als Spezialgebiet kultivirt worden iſt. Im großen Saal
waren zu gleicher Zeit unter Anderem ausgeſtellt vier
norwegiſche Fjordbilder von Geſterley jr., fünf Gemälde
von Ed. Veith (Wien), Einzelbilder von Volz f, Lier *
Thoma, Ed. Hildebrandt f, Lenbach, Max Volkhart und
G. v. Bochmann, ſowie Aleinplaſtik von Uurt Stoeving,
Prof. P. Breuer, Eberlein und Eritz Chriſt.

Die Kunſthandlung J. P. Schneider jr. in Erank-
furt a. M. veranſtaltete während des Monats Vovember
eine Ausſtellung hervorragender Werke moderner Meifter
im großen Lunſtvereinsſaal. Es waren im Ganzen 70
Bilder, darunter Gemälde von A. Böcklin, Lenbach, Hans
Thoma, Favretto f, F. A. v. Kaulbach, Stuck, Schreyer
und Trübner und außerdem eine Anzahl kleinerer Bilder
der Schule von Fontainebleau, Corot, Troyon, Bouſſeau,
Diaz und des Engländers Conſtable.

Das im Beſitz der Verbindung für hiſtoriſche Kunft
beſindliche Koloſſalbild „1812“ von Prof. Arthur Kampf
war alsdann einige Zeit ausgeſtellt und fand allgemeines
Intereſſe und Bewunderung. Der kleine Saal wurde von
Kollektionen der Hamburger Landſchafter Max Kuchel und
Friedr. Schwinges eingenommen. Beide brachten in an-
ſehnlicher Zahl die Früchte ihrer diesjährigen Studiereiſen
zur Ausſtellung. Im Monat Dezember wurden ſämmtliche
Räume durch die übliche Weihnachtsausſtellung beanſprucht,
bei welcher vorzugsweiſe Hamburger Künſtler in Betracht
kommen. Diesmal mußte jedoch, einer verſchiebung der
Ausſtellungstermine halber, eine ſehr intereſſante Kollektion
von Werken Prof. Paul Hoeckers mit in dieſe Zeit über-
nommen werden.

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Berliner Kanstschaua,

n Caspers Kunftfalon Gehrenſtr. 12) iſt die
Frühjahrsausſtellung ſchon Mitte März eröffnet

worden. Dieſe in längeren Zwiſchenräumen ſich
erneuernden Gemäldeausſtellungen haben immer eine gewiſſe,
charakteriſtiſch zu nennende Zuſammenſetzung: ſie bringen
neben mehreren, theilweiſe erleſenen Proben der engliſchen
Kunft aus der Zeit der Gainsborough und Romney und
der franzöſiſchen Barbizonſchule ſtets eine Anzahl Stücke
angeſehener lebender Meiſter aus deren Frühzeit und zu
dieſer hiſtoriſchen Abtheilung, als eine Art Nachtiſch, eine
kleine Gruppe von Werken jüngerer, zum Cheil erſt auf-
ſtrebender Talente. Der Kritiker kann ſich ſein Referat
daher nach der von Herrn Casper, nach deſſen antiqua-
riſchen und geſchäftlichen Neigungen beſtimmten Zuſammen-
ſetzung der Ausſtellung bequem eintheilen. Dieſes Mal
ſteht im Mittelpunkt der erſten Gruppe ein Damenbildniß
von Th. Gainsborough mit der Jahreszahl 1288, in

Feinheit des Ausdrucks und der Durchführung, in Vor-
nehmheit des ſilbrigen Tones ein wahrhaftes chef-d’oeuvre;
auch ein köſtlich friſches Bildchen, eine pikante Landſchaft
von Daubigny (1872) darf nicht überſehen werden.

In Gruppe II. fällt ein überlebensgroß gemalter
jugendlicher Männerkopf Ad. Menzels von 1846 beſonders
auf; er iſt bräunlich kolorirt und zeigt jene eminente
Phyſiognomik und Sauberkeit der Behandlung, die dieſen
Arbeiten des Meiſters von Anbeginn das Gepräge gaben.
Zwei größere Bilder von M. Liebermann zeigen daſſelbe
Motiv mit einer männlichen und einer weiblichen Figur:
eine ſchwärzlich-braune ſalopp geſchmierte Landſchaft ohne
jedes Detail, im Weſentlichen aus ranhem Flachboden be-
ſtehend — mit einem bodenwärts zuſammengeklappten In-
dividuum beim Wurzelausroden. C'est tout. Hier haben
wir den Höhepunkt oder richtiger den Eiefpunkt der
Phantaſieloſigkeit, des Ausdrucks geiſtiger und phyfifcher
Armuth, die Quinteſſenz Liebermannſcher Arbeiterbilder
vor Augen. Auf der Bahn von Courbet und Millet ift
dieſe Kunſt, einer brutal auf die Spitze getriebenen Tendenz
zu Liebe, in die Brüche gegangen.

Eine Kollektion von Bildern Fr. Skarbinas, die
ſämmtlich durch ihren trüben dunklen Ton auffallen, ent-
hält trotzdem manches beachtenswerthe Stück unter den
Pariſer und Berliner Studien. Ein Bealiſt von Menzels
Gnaden iſt der Künſtler in einer famos echten Berliner
Droſchke zweiter Güte von 1900o. w. Leiſtikow iſt mit
einer ſtimmungsvollen Dorabend-Landſchaft aus dem
Grunewald vertreten. Das „Interieur“ von G. Kuehl
iſt dagegen herzlich unbedentend. R. Reinicke, der geiſt-
reiche Münchener Schilderer der Lebewelt, erfreut mit zwei
kleinen Beiträgen: einem „Ballſaal“ und einer „Rückkehr
vom Ball“, einem Straßenidyll am Morgen. Von jüngern
Landſchaftern ſeien der neuerdings ſehr in Aufnahme ge-
kommene kerngeſunde Brüſſeler A. Mathieu, der hier
etwas ungleich erſcheint, ferner R. Kaiſer-München mit
einigen prächtigen, farbenfriſchen Naturausſchnitten, auch
C. Langhammer und Beich-Münſterberg erwähnt. Die
kleine Marmorplaſtik „Verſuchung“ von FHerd. Lepcke
giebt einen fleißig und gut modellirten Frauenakt.

* *
*

Ein ſeltſamer Geiſt geht ſeit einiger Zeit in den
eleganten Räumen des Künſtlerhauſes um, der Geiſt
des Herabſinkens in Unbedeutung und Aleinlichkeit. Wohin
man ſonſt blickt, ſuchen die Künſtlerſchaften aus allen
Ecken ſtolze Erinnerungen hervor, um damit neue groß-
zügige Unternehmungen zu rechtfertigen und zu vergolden.
In Berlin macht man's nahezu umgekehrt; man gefällt
ſich jetzt in der Bellevueſtraße, ſogenannte Politik der Ver-
ſöhnlichkeit zu treiben. Das Aergſte, was einer verehr-
lichen Ausſtellungskommiſſion des Vereins Berliner Künſtler
noch zuſtoßen konnte, iſt die diesmalige Frauenbilder-
Ausſtellung im zweiten Saale. Das „Hochmoderne“ —
bisher ängſtlich, nur zu ängſtlich gemieden — wird, um
offenbar auch die wiederſpenſtigſten Ultras mit dem Verein
zu verſöhnen, hier von den „zarten“ Malfäuſten der
Damen Olga von Boznanska und Madeleine Joupray
aus Paris, Linda Kögel-München, Cl. Siewert, Hedwig
Weiß und Eſther Bootk aus Berlin rückſichtslos ſervirt.
Aber fragt nur nicht wie! Es iſt eine Kunſt platterdings
„zum Abgewöhnen“ — oder, deutlicher ausgedrückt, „zum
verekeln“, eine Afterkunſt, die ſich in fahlgrauem ge-
 
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