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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 3
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Semper, Hans: Die Plastik auf d. Intern. Kunstausstellung in München
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Schloß Mainberg und seine Kunstschätze
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0050

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in ſeinem Gypsmodell „Die Wiſſenſchaft, ſich aus
der Dunkelheit entwickelnd einen abſtrakten Gedanken
in ſo ſchöne, wirkungsvolle Lebensformen gekleidet, daß
wir den allegoriſchen Sinn, an den uns die beige-
gebenen Attribute erinnern, dafür gern mit in Kauf
nehmen. Wir ſehen eine anmuthige, ernſte, echt
niederländiſche Jungfrau. Auf einem Gbelisken-
ſockel ſitzend, hebt ſie mit dem ſchöngeformken linken
Arm einen zarten Zchleier von ihrem Haupt, während
ſie mit der Bechten ein auf ihrem Schooß liegendes
Buch mit einer Lampe beleuchtet. — Peter Braeke
hat in einer Gypsbüſte „Müdigkeit“ eine jugendliche,
kräftige flämiſche Frau mit rückwärtsgeneigtem Haupt
und halbgeſchloſſenen Augen in trefflicher Behandlung
darſtellt. Auch Ilſe Konrat hat in dem überlebensgroßen
Gypsmodell „Naſſe Baare“ ein niederländiſches
junges Weib von üppigen Formen, olme jede Kon-
vention und dabei doch elegant in den Linien und
ſchön in der Medellirung vorgeführt.

Die gemeinſamen Vorzüge aller bisher genannten
belgiſchen Werke der Plaſtik im Glaspalaſt beſtehen
in der That darin, daß ſie, ſowohl in den Typen
und Motiven, wie in der techniſchen Behandlung frei
von jeder akademiſch-antikiſirenden Schablone ſind.
Ein feines und fleißiges Studium echt flämiſcher
Modelle verbindet ſich bei ihnen mit lebensvoller
Charakteriſtik, maleriſch wirkſamer Betonung des
Weſentlichen, ohne Verwirrtheit und ohne leere Ab-
ſtraktion und mit echt plaſtiſcher Behandlung. Da-
bei wiſſen ſie das Derbe und ſcheinhar Häßliche ſo-
wohl wie das Anmuthige durch Größe des Stils
zu adeln. Dieſelben Vorzüge laſſen ſich mehr oder weniger
an den Werken der plaſtiſchen Kleinkünſte der Belgier
im Glaspalaſt wahrnehmen, ſoweit nicht das De-
korative daran abſichtlich betont iſt. Wir führen
darunter kurz an: Von Hippolyte le Roy aus Gent
einen Rahmen mit 6 Medaillons, unter denen die
Medaille, welche Krüger von der Juſtitia bekrönt
und auf dem Bevers die Büſte der Königin
Wilhelmine in feinſter Ausführung zeigt, aktuelles
und hiſtoriſches Intereſſe beanſprucht. Einige
Antwerpner, Ed. Deckens, Josué Dupon und George
Morren haben hauptſächlich kleine, zierliche Bronze-
ſtatuetten, Schalen und dergl. ausgeſtellt.

Unter den holländiſchen Bildhauern, welche aus-
geſtellt haben, kuldigen Karl Wyk vom Haag mit
einer Bronzeſtatuettengruppe heimkehrender Fiſcher
und Minca Boſch Beiz von Amſterdam, mit dem Modell
einer Mutter, die ihren todten Knaben betrauert,
einem ähnlichen, künſtleriſch geadeltem Naturalismus
wie die Belgier, wogegen Bartolomaeus van der
Hove in ſeinem Gypsmodell eines verwundeten
Jägers noch akademiſch befangen erſcheint, mit
ſichtlicher Anlehnung an die Figur des Ilyſſus vom
Parthenongiebel.

(Ein 2. Artikel folgt.)

S

Sehloß Mainberg und ſeine
Runſtſchaͤtze.

JZachdem kürzlich die Verſteigerung eines berühmten
Aachener Patrizierhauſes die deutſche Kunſtwelt,
ſoweit ſie für die Erhaltung vaterländiſcher

Baudenkmäler ſich intereſſirt zeigt, in Erſtaunen geſetzt,
ſieht ſie bald darauf die Wahrheit des Sprüchwortes: Sic

transit gloria mundi an einem nicht minder glänzenden
hiſtoriſchen Beiſpiel erfüllt: an der durch Lepke in Berlin
in dieſen Tagen ſtattgefundenen Verſteigerung der Kunft-
ſchätze aus Schloß Mainberg bei Schweinfurth. Für Bayern
von hoher geſchichtlicher Bedeutung, bietet dieſes Schloß,
wie es in der Vorrede des prächtig ausgeſtatteten Katalogs
der Kunſtſammlungen heißt, jedem denkenden Kunſt- und
Geſchichtsfreunde eine Fülle werthvoller Anregungen, ein
Stück deutſcher Vergangenheit, welches aus dem Mittelalter
ehrwürdig in unſere moderne Zeit hineinragt und den
Stürmen vieler Jahrhunderte Trotz geboten hat.

Schon um das Jahr 1000 wird die alte fränkiſche
Ritterburg Mainberg (auch Mavenburgk) als im Beſitz der
Markgrafen von Schweinfurth genannt, im Jahre 1215
erſcheint ſie urkundlich als Beſitzthum der Grafen von
Henneberg, deren Geſchichte durch Jahrhunderte hindurch
mit derjenigen des Schloſſes innig verknüpft iſt. Bis zum
Jahre 1542 im Beſitz dieſer Familie, lag wohl die Glanz-
zeit des Schloſſes in der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts, als Fürſt Wilhelm V. von Henneberg anno 1469


einziger Tochter, ſich vermählte. Die Chronik berichtet
von glänzenden Turnieren und prunkvollen Feſten jener
Zeit. Doch ſchon 1480 ſtarb Fürſt Wilhelm V. auf einer
Reife nach Bom und wurde in Botzen beigeſetzt. Als
Wittwe bewohnte Fürſtin Margaretha mit ihren Kindern
Schloß Mainberg, welches ſie ausbauen und verſchönern
ließ. Aus dieſer Zeit ſtammt das im Schloßhofe in
Stein gemeißelte Wappen. Ihr Sohn, Fürſt Wilhelm VII.,
trat in nahe verwandtſchaftliche Beziehungen zu Markgraf
Albrecht von Brandenburg, mit deſſen einziger Tochter
Anaſtaſia er ſich 1510 verlobte. Unter ſeiner Begierung
ging die Burg Mainberg 1542 durch Kauf in den Beſitz
des Würzburger Biſchofs Konrad IV. von Bibra und
blieb ſeitdem ununterbrochen Eigenthum der Würzburger
Biſchöfe bis zum Jahre 1295. Zeitweilig Verwaltungsſitz
der bayeriſchen Regierung, erwarb ſie dann im Jahre 1822 »
der Schweinfurther Kaufmann Wilhelm Sattler, der das
im argen Zuſtande befindliche Schloß mit großem Auf-
wand an Arbeit, Mühe und Koſten wieder in Stand ſetzte
und es auch bewohnte. Er ſowohl wie ſein Sohn, Jens
Sattler, bemühten ſich, den faſt dem Untergange entgegen-
gehenden Fürſtenſitz aus grauer Vorzeit pietätvoll zu be-
wahren und Alles zu thun, um ihn der Nachwelt zu er-
halten. Und ſo kam es, daß nicht nur die Burg ſelbſt in
ihrem früheren Ausſehen uns erhalten iſt, ſondern auch
die noch vorhandenen Uunſtſchätze und die Bibliothek ſorg-
ſam gehütet und kunſtſinnig vermehrt wurden. Schon
1826 wurden in einer Broſchüre die herrlichen Holzſkulp-
turen Cylmann Riemenſchneiders erwähnt, und 1837 ſchon
erregte die Krugſammlung die Bewunderung des Kron-
prinzen Maximilian von Bavern, der bei einem Beſuche in
Mainberg äußerte, noch niemals eine ſo große und ſchöne
Sammlung deutſcher Trinkgefäße angetroffen zu haben.
Als weit aus der Maſſe des geſammten Materials
herausragend, möchten wir außer den genannten noch die
waffen- und die Glasgemälde, die Limogesſchüfſel-
(XIII. Jahrh.) und die Doſen-sammlung nennen. Das
größte und weitgehendſte Intereſſe jedoch dürften die Ar-
beiten Riemenſchneiders beanſpruchen. Wenn auch die
leider theilweiſe neue Bemalung ſeine Werke des Zaubers
der Urſprünglichkeit beraubt, ſo ſind ſie dennoch
 
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