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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 3
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Meyer, Bruno: Gr. Berliner Kunstausstellung: die Architektur
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Berlinder Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0053

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Hoffmanns der Stadt Berlin ein bedeutſames Gepräge
verleihen. Es wird aber abzuwarten ſein, ob das Neue,
wenn der Stadtbaumeiſter an der etwas einſeitigen
Bevorzugung der ihm ans Herz gewachſenen Dorbilder
feſthalten ſollte, in das geſchichtlich gewordene Stadtbild
ſich vortheilhaft einfügen wird. Eine Weiterbildung ur-
ſprünglicherer und deswegen bildungsfähigerer Formen,
wie ſie unſere ganze Berliner Bauthätigkeit ſeit Schinkel
charakteriſirt, iſt doch wohl naturgemäßer und ergiebiger,
als eine ſcharfe Betonung eines Kunſtſtiles, der in ſeinem
beſonderen Gepräge weſentlich nur wiederholt und an-
gewendet, aber nicht weiter gebildet werden kann. —

In einem bemerkenswerthen Gegenſatze zu der
Berliner Ausſtellung ſteht die des Miniſteriums der
öffentlichen Arbeiten, welchem die größere Mannig-
faltigkeit der Aufgaben, die große Berſchiedenheit der
Bauorte, durch das ganze Reich zerſtreut, und auch die
erheblichere Zahl der produktiven Kräfte leicht einen Dor-
ſprung vor der Bauthätigkeit ſelbſt eines Gemeinweſens
wie die Stadt Berlin mit einem künſtleriſch hervorragenden
Leiter geben kann; und trotzdem muß es als eine glückliche
Neuerung begrüßt werden, daß ſich ein freieres Spiel der
Kräfte entfaltet hat, als es früher an dieſer Stelle
geſtattet war. Manche Aufgaben, die ſich in häufiger
Wiederholung und trotzdem großer Mannigfaltigkeit dar-
bieten, wie namentlich in der letzten Zeit Kirchen—,
Bahnhofs- und Gerichtsgebäude, ſind zum Theil zu
Geſtaltungen gekommen, die beinahe als typiſche bezeichnet
werden können. An kleineren proteſtantiſchen Kirchen
beiſpielsweiſe ſind eine größere Anzahl recht glücklicher
Löſungen bei ſehr beſcheidenen Raumverhältniſſen und auch
großer Zurückhaltung in den Mitteln gelungen.

Auch die Bahnhofsanlagen werden mit großem
Geſchick, wo irgend die Perhältniſſe günſtig liegen, der
brutalen Maſſenhaftigkeit und ſteifen Begelmäßigkeit
entkleidet, durch welche die mächtigen Hauptbahnhöfe in
den größten Städten des Landes unangenehm auffallen
und über die viele anerkennenswerthe Einzelheiten in
ihnen doch nicht hinweghelfen können. Namentlich der
verſuch, wieder wie in der erſten Zeit des Eiſenbahnbaues
mehr maleriſche Anlagen mit vielfach gegliederten Theilen
von verſchiedener Geſtaltung und Entwicklung durchzu-
führen, wie dazu die badiſchen Bahnbauten Eiſenlohrs
nach dem Maaße der damaligen kleinen Perhältniſſe eine
ſchätzbare Anregung gegeben haben, hat zu manchen höchſt.
erfreulichen Leiſtungen geführt, unter denen der leider
ſchon wieder zu klein gewordene Dampfbahnhof in Danzig
(für den Entwurf genannt P. Thoemer) wohl an erfter
Stelle hervorgehoben zu werden verdient.

Am wenigſten gelingen wohl die Gerichtsgebäude, für
welche doch gerade einige hervorragende Vorbilder in
neuerer Zeit geſchaffen ſind. Namentlich die gewaltige
Aufgabe, das neue rieſige Gerichtsgebäude für Berlin zu
ſchaffen, iſt auf ſo betrübende Abwege gerathen, daß der
einzige Troſt dafür die etwas eingeengte Lage des Bau-
werkes iſt, in der man die Gelegenheit, es zu ſehen, mit
Mühe ſuchen muß; ſonſt könnte die Gewöhnung an der-
artige Geſtaltungen zu einer furchtbaren Geſchmacks-
verderbniß führen. In einzelnen phantaſievollen kleinen
Vutzgebäuden, wie z. B. dem fiskaliſchen Weinkeller und
verſteigerungsſaal in Büdesheim (Entwurf: Hermann
Eggert), wird die pedantiſche Routine des grünen Ciſches

auf das glücklichſte verleugnet. Im allgemeinen alſo kann
trotz der Verfehlungen in einem der gewaltigſten
monumentalen Werke der letzten Jahre von der kunſt-
ſchöpferiſchen Thätigkeit des Miniſteriums nur mit An-
erkennung geſprochen werden.

Auf Einzelheiten unter den übrigen ausgeſtellten
Werken kann bei dem beſchränkten Raume nicht ein-
gegangen werden. Nur das eine möchte ich noch hervor-
heben, daß der moderne Waarenhausbau auswärts
unbedingt glücklichere Löſungen gefunden hat, als über-
wiegend bei uns in Berlin. Da iſt in Stralſund ein
Waarenhaus von Karl Teicher in gothiſchen Formen
errichtet mit geſchickter Benutzung der mittelalterlichen
Formen zu dieſem ganz modernen Zwecke, und auch eine
renaiſſanceartige Geſtaltung eines ſolchen in Boſtock zeugt
von einer muſterhaften Beherrſchung der Maſſen und fügt
ſich mit vielem Geſckick in den vorherrſchenden Charakter
des Stadtbildes ein. Wo uns dagegen das ſpezifiſch
moderne, womöglich mit abſichtlicher Uebertreibung,
entgegentritt, wie u. a. bei den verſchiedenen Projekten
zu der Fagade des Hohenzollern-Kaufhauſes in Berlin,
wird man immer mehr deſſen inne, daß dieſe Formen,
ſelbſt wo ſie relativ mit großem Geſchick benutzt werden,
doch nicht den Eindruck des Ernſt- und Dauerhaften hervor-
bringen, ſondern immer wie eine Laune des Augenblicks
erſcheinen, die man ſich zu vorübergehendeu Zwecken zu
allen Zeiten gern hat gefallen laſſen, die aber niemals
den Anſpruch erhoben haben, das künſtleriſch letzte und
Hauptwort einer Epoche zu ſein. Bruno Mever.

Berliner Kanstschad.

em Bericht über die beiden letzten Ausſtellungen

von Ed. Schulte in Ar. 2 iſt noch einiges

nachzutragen. Zunächſt bezüglich der präch-
tigen Stimmungsbilder der Londoner Meiſter Grosvenor
Chomas und S. Spenlove-Spenlove, des Erſteren,
der ein Lyriker des Abends und der Einſamkeit iſt, die
einen Stich ins Unheimliche, Geiſterhafte erhält, wie in
dem „Weißen Haus“, des Anderen, der die wallenden
morgennebel bei Scheveningen auf einer herrlichen, male-
riſchen Küſtenſzenerie vorführt. Trotz ſolcher Theilnahme
des Auslands ſind hier auch die heimiſchen Künſtler räum-
lich nicht zu kurz gekommen. Als ein nicht gewöhnliches
Calent hat ſich z. B. Fritz Rhein, Kaſſel, namentlich in
ſeinen Frauenbildniſſen das vorige Mal eingeführt. Wie
duftig war die koloriſtiſche Bekandlung u. a. in dem
Porträt des Fräuleins M. 3. als wenn der Künſtler für
den Schmelz, die Delikateſſe der Abtönung, das Sfumato
die beſten Muſter ſeit Correggio gründlich ſtudiert hätte.
Auch in einem Gfftzierporträt erſchien er nicht ohne ſelbſt-
ſtändiges Derdienft.

An guten Arbeiten des Bildniſſes war überhaupt kein
Mangel, ſtand doch F. Lenbachs neues Virchow⸗Porträt
an der Spitze dieſer Gruppe. Er hat die ſchlichten Züge
des gefeierten Gelehrten nicht beſchönigt, ſich vielmehr der
Natur mehr als ſonſt völlig untergeordnet. Ferner fielen
mir neulich hier die Porträts zweier in Berlin ſchaffenden
Uünſtler Ernſt Nelſon und Arthur Halmi auf. Beide
gaben ihr Beſtes in ſorgfältig durchgearbeiteten Frauen-
bildern, letzterer überwiegend in Paſtell und in kleinerem
 
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