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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 18
DOI Artikel:
Heilmeyer, Alexander: Die Münchener Kunstausstellungen 1902, [1]
DOI Artikel:
Harrach, Max: Düsseldorf 1902: Deutsch-nationale Kunstausstellung, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0318

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— '«2

Kunſtentwicklung nicht mit einem Male, durch einen
gewaltſamen Buck vorwärts ſchieben läßt, hat ſich


die verſchiedenen Wege zur Kunſt begaſigen und die
abgeriſſenen Fäden wieder mit der Tradition ver-
knüpft werden. Auf den innigen Zuſammenhang mit
dieſer wird hier nachdrücklicher denn anderswo hin-
gearheitet, und hierin vollzieht ſich eine im künſt-
leriſchen Sinne wichtige Kulturarbeit, welche gar nicht
hoch genug eingeſchätzt werden kann. Man hatdiefe
Beſtrebungen fälſchlicher Weiſe als retroſpektiv be-
zeichnet, weil ſie ſich eben ſtark an die Tradition an-
lehnen. Man vergißt, daß es die Werke der alten
Meiſter waren und immer noch ſind, die uns den
Begriff einer angewandten Kunſt vermitteln. München
iſt vielleicht allein der Ort, wo man von einer ſolchen
ſprechen kann. Auf allen Gebieten herrſcht reges
Leben. In der Malexei ſehen wir die allerjüngſten
und tüchtigſten Kräfte in großer Anzahl thätig. Unfere
Illuſtrationskunſt ſteht auf einer Höhe, zu welcher
ſich die rein maleriſchen Werke nicht immer erheben.
Daß dieſe Illuſtrationskünſtler gleichzeitig noch hoch-
begabte, außerordentlich geſchickte Kunſtgewerbler ſind,
iſt bezeichnend.

In der Plaſtik ſehen wir eine junge Bildhauer-
ſchule im Aufblühen begriffen, die unter Hildebrands
Einfluß ſeine Intentionen kräftig erfaßt hat und zu-
nächſt ihre Aufgaben im Sinne der angewandten
Kunft, in Brunnen, Denk- und Grabmalen u. f. w.,
zu löſen ſucht. In der Architektur ſind mächtige An-
ſätze zu einem den Bedürfniſſen der Bewohner und
der Eigenart des Tandes entſprechenden Stil ge-
geben.

Der Münchener Boden iſt einer gedeihlichen, ge-
ſunden Entwickelung der Künſte ungemein günſtig.
Es ſind hier immer die ſtärkſten und naͤchhaltigſten An-
regungen zur Weiterbildung derkünſtleriſchen Probleme
gegeben worden, und ſie konnten ſich auch immer zu
einer gehörigen Breite entwickeln. Sie erweiſen ſich
hier nicht bloß als Treibhauspflanzen, die unter dem
Einfluſſe einer künſtlich erzeugten Kultur ſchnell er-
blühen, ſondern ſie haben ſich zunächſt in der Plaſtik
und Architektur auch auf die Zauer als keim- und
triebfähig bewährt. Der Kontakt der Kunſt mit dem
Leben wird ſo auf eine ganz natürliche Weiſe her-
geſtellt. Die Ausſtellungen ſind für das Werden und
Wachſen der künſtleriſchen Erſcheinungen bezeichnend;
ſie erſchließen uns viele auswärtige und fremde
Elemente, die belebend und befruchtend wirken; ſie
geben uns eine allgemeine und ſpezielle Ueberſicht
über den Stand der gegenwärtigen Kunſtentwicklung.

An Gäſten beherbergt der Glaspalaſt eine
Gruppe Antwerpener, Glasgower und italieniſcher
Künftler, einige Werke von Spaniern und Franzoſen,
ferner Phe Society of Scottish Artists, einen Verein
Berliner Künſtler und vereinigte Berliner Klubs, den
Frankfurt⸗Kronberger Künſtlerbund, die Karlsruher
und die Stuttgarter Kunſtgenoſſenſchaft, dann die
freie Vexeinigung Württemberger Künſtler und die
Schleswig⸗Holſteiniſche Kunſtgenoſſenſchaft, die hier
zum erſten Male auftritt. Von den einheimiſchen
Gruppen repräſentiren ſich die Luitpoldgruppe und
die Scholle mit vorzüglichen Werken. In der Sezeſſion
ſind es hauptſächlich auserleſene Bilder der engliſchen
Candſchaftsmaler, die Aufſehen erregen, wir nennen
nur Brangwyn, Brown, Cameron, Hamilton, Muhr-
mann u, a. m. Bon franzöſiſchen Künſtlern ſind ver-
treten Besnard, Blanche, Gandara, Menard, Hean
Veber u. ſ. w.

Weitere Artikel folgen.)

Hüsseldorf looꝛ.
Deutsch⸗ nationale
Runstausstellung.

Von Max Harrach, Frankfurt a. M.

*

in Symptom moderner Uunſtentwicklung iſt

) unzweifelhaft das Streben nach gruppen-
mäßiger Abſonderung und Anſiedelung gleich-
geſinnter Kunſtſchaffender an entlegenen, vom Welt-
verkehr abgeſchloſſenen Landſtädtchen und Dörfern.
Was um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in
Frankreich Barbizon bei Fontdinebleau, das iſt be-
kanntlich für die neudeutſche Kunft Kronberg, Dachau,
Worpswede etc. Aber wie alle in der Abfonderung
und Zurückgezogenheit ſchaffenden Kräfte, entgingen
auch die Worpsweder auf die Dauer nicht völlig der
Gefahr der Einſeitigkeit und Rückſtändigkeit. Was
uns bei ihrem erſten Auftreten überraſchte und inter-
eſſirte, erweckt heute keinen rechten Enthuſiasmus mehr.
Nicht daß ſich ihr „Genre“ überlebt hätte — aber
das Verlangen nach neuen Emotionen und Senſationen
bildet nun einmal heute eine integrirende Folge-
erſcheinung der modernen Kunft- und _ Kultur-
entwicklung. Sortſchritt und Entwicklung heißt ihre
Loſung!... Die Landſchaft, die die Worpsweder
hauptſächlich pflegen, beſchränkt ſich in der Wahl der
Motive faſt ausſchließlich auf die einſame, von
Waſſertümpeln, Windmühlen und Birkengruppen
beſtandene Moorgegend zwiſchen Bremen und Worps-
wede. Freilich iſt hier die eigenthümlich klare
Atmoſphäre und der unabläſſig wechſelnde Wolken-
himmel mit ſeinen ſeltſamen Gebilden ein vorzügliches
Studienfeld für den Maler, und wenn die Motive
mit jenem feinen Stimmungsgefühl und der trefflichen
Technik, wie ſie den Worpswedern eigen iſt, auf die
Leinwand gebannt werden, ſo muß immer ein inter-
eſſantes künſtleriſches Ergebniß die Folge ſein. Karl
Vinnen, der zwar z. 5. nicht ın Worpswede, ſondern
auf Gut Gſterndorf hauſt, hat eine mächtige Lein-
wand hier: „Mittagsbrüten“ — eine ſtille Flach-
landſchaft mit hohen Laubbäumen, in deren Schatten
Binder weiden. Eine tüchtige, in jeder Hinſicht be-
achtenswerthe Arbeit! Fritz Gverbeck iſt in ſeinen
Moorlandſchaften etwas einſeitig geblieben, aber er
ſucht dafür durch neue Stimmungsreize zu feſſeln, wie
in dem pikant behandelten „Weißen Haus“ und dem
ſchwermüthigen Bilde: „Swiſchen Moorwänden“.
Otto Moderſohn giebt in ſeinen „Armenhäuſern
von Zeven“ und dem „Paradies“ echte Proben ſeiner
auf eiſernem Naturſtudium fußenden Können. Der
vielſeitigſte und wohl auch der reifſte der Gruppe iſt
Fritz Mackenſen, der mit beſonderem Glück das
Figurenbild pflegt. Auch ſein „Porträt des Herrn
A. Woermann und Frau“ iſt eine tüchtige Leiſtung,
wenn ſie auch einigermaßen jener Beife und Ab-
klärung entbehrt, die uns auf den altmeiſterlichen
Bildniſſen in ſo hohem Maße feſſelt. Heinrich
Vogeler, der Benjamin der Worpsweder, iſt weniger
Realiſt wie ſeine Sympoſionsgenoſſen, aber umſomehr
Stiliſt: Sein „Maimorgen“ und ſeine „Verkündigung
der Hirten“ athmen zarte Empfindung, aber mancherlei
Mängel in Zeichnung und Farbe wirken ſtörend.


Hamburxg hat im Marinebild und in der Land·
ſchaft ſeine älteren und jüngeren Meiſter an die Tete
 
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