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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 8
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Zimmern, Helen: Die Promotrice-Ausstellung in Rom, Schluss [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0137

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Die Promotrice · Husſtellung
in Rom. *

Von Helen Zimmern, Florenz.

Dea größten Fortſchritt von allen Gebieten hat

aber unbedingt die Skulptur gemacht. Dieſe
Kunft, die dem ſchamloſeſten Mamm̃onismus ver-
fallen war, hat ſich endlich wieder zu ihren hohen
Traditionen zurückgefunden. Veben recht gediegenen
künſtleriſchen Ceiſtungen der akademiſchen Richtung,
wie z. B. Quattrinis für den Juſtizpalaſt beftimmte
Statue der „Gerechtigkeit“ und einer Madonna des-
ſelben Künſtlers im Stil des Cinquecento weiſt die
Skulpturen⸗Abtheilung auch Arbeiten auf, die vom
modernen Geiſt und den Anſchauungen der jüngeren
Schule zeugen. Unter diefem gebührt dem Kopf
eines Straßenjungen, eines „NMonello“, wie die
Italiener den Typus nennen, das höchſte Cob. Der
Schopfer des kleinen, in Bronze ausgeführten Kunſt.
werks iſt der Neapolitaner Zollo. Der, wie für


ſchorene Kopf mit dem Geſicht voller Teufelei und
verſchmitzter Gutmüthigkeit iſt bewundernswerth
modellirt. In dieſer Beziehung iſt auch der Kopf
einer venetianiſchen Frau aus dem Volke von Au-
guſto Felici hervorzuheben, desgl. Inghillieri,
ein temperamentvoller junger Sizilianer, mit der
Figur einer flinken Feldarbeiterin in Apulien. Man
ficht eben — und es wären noch mehr der Beiſpiele
zu nennen —, daß die Bildhauer wie die Maler ſich
jetzt nach lebendigen Modellen in der Nähe um-
ſchauen, anſtatt immer wieder ihre Inſpirationen aus
fleiſch- und blutloſen klaſſiſchen und mythologiſchen
Sujets zu ſchöpfen. Nur dem Namen nach zum
klaſſiſchen Bereich zählt ein „Satyr auf der Lauer“
von Michele Ia Spina, denn das haͤlb boshafte,
halb furchtſame am Boden kauernde Geſchöpf gleicht
eher einem nordiſchen Gnom, als den Satyr-Geſtalten
der Antike. Gut modellirte Porträtköpfe ſind von
Derſchiedenen ausgeſtellt, auch der Veteran der rö-
miſchen Kimſtlerſchaft Zoſef Kopf hat uns ein
Medaillon⸗Bildniß des Malers Joris vorgeführt.
Interęſſant wegen der dargeſtellten Perſönlichkeit iſt
eine Porträtbüſte dex zweiundzwanzigjährigen Signo-
rina Labriola, die als Profeſſor der Rechtsphiloſophie
an der Univerſität von Bom habilitirt iſi, — eine
Tochter des berühmten Profeſſors Cabriold vom Lehr-
ſtuhl der gleichen Wiſſenſchaft an derſelben Univerſi-
tät. Die junge Dame, die vor überfülltem Auditorium
ihre den Lehren ihres gelehrten Daters direkt ent-
gegengeſetzten ſoziologiſchen Theorien entwickelt, iſt
klein und von unbedeutender Figur, aus ihren Ge-
ſichtszügen aber ſprechen Enthufiasmus und Geiſtes-
ſchärfe. Und das hat ihr Porträtiſt Joſef Lim-
burg gut zu erfaſſen gewußt. Baltung und Aus-
druck ſind die einer Pionierin. Den Einffuß Rodin’s
auf die moderne italieniſche Schule verräth jowohl in
der Erfindung wie in der Behandlung Pariſis
allegoriſches Bildwerk „Idee“. Noͤch als Gipsmodell
qusgeſtellt, iſt es für die Ausführung in grauem
Granit und weißem Marmor beſtimmt! wir ſehen
aus dem rauhen Felsblock eine menſchliche Geſtalt
ſich losringen; ein leicht erkennbares Gleichniß, wie
ein erhabener Gedanke ſich von der Materie befreit
und zum Lichte drängt. An dieſem durch ſeinen geiſt.
vollen Symbolismus ungemein feſſelnden modernen


Zkulpturwerk iſt die Modellirung des nackten männ-
lichen Körpers ausgezeichnet und die Bewegung des
Sich Befreiens aus der ihn umſchließenden Granitmaſſe
ſehr wirkungsvoll; ebenſo die Verwendung der bei:
den Geſteinarten. Veben dieſem Künſtler iſt noch
Hiovanni Prini als einer von denen zu nennen,
die zu großen Erwartungen für die Zukunft berech-
tigen, vorausgeſetzt, daß ſie ſich von den Bck.
irrungen des Mammonismus rein erhalten

Mehr noch, als von der Eigenart dieſer Meiſter
ihres Faches, war ich indeſſen von einer Anzahl ganz
kleiner Bildwerke überraſcht, die, von verſchiedenen
Künſtlern modellirt, eine ganz neue Anpaſſung der
Tanagra-Vorbilder an die Bedingungen des modernen
Lebens darbieten. Die Behandlung des Thons iſt
hier eine ganz andere, als bei der Amerikanerun
Beſſie Potter, auf deren Statuetten ich f. Z. in der
„Kunft-Halle“ hinwies. Denn, während jene Bild.
hauexin ihr Material in ſkizzenhaft andeutender Weiſe
bearbeitet, waltet hier eine ins minutiöſeſte Detail
gehende Feinheit ob, die in ihrer Sierlichkeit wie
Goldſchmiedekunſt berührt. Die ſolcher Sorgfalt ge-
würdigten Modelle ſind nicht etwa phantaſtifche oder
klaſſiſche Idealgeſtalten, ſondern Gruppen und Figuren,
wie man ſie täglich auf den Feldern oder in den
Straßen beohachten kann; auch wohl Porträt⸗Statu-
etten, im Alltagsgewande und dementſprechender
Haltung dargeſtellt. Kurz, modern in jedem Sinne,
trägt dieſer neue Kunſtzweig auch befonders den
heutigen beſchränkten Wohnungsverhältniſſen und
— nebenbei dem Erforderniß der Wohlfeilheit Rech-
nung.

Außer für Malerei und Plaſtik hat die diesjährige
Promotrice löblicherweiſe auch der angewandten
Kunft ihre Pforten geöffnet, die ebenſo wenig in den
Ausſtellellungen fehlen follte, wie im täglicheſ, häus-
lichen Leben. Becht anerkennenswerth wenn auch
nicht gerade originell ſind einige Gobelins der römi-
ſchen Schule für Tapeten⸗Weberei, die in der Dia
Sabuino unter der Leitung des Profeſſors Ercolo
Ercoli errichtet iſt. Eine Wiederbelebuͤng der alten
ſpaniſchitalieniſchen Kunſt der Lederſchnitzerei, die ſo
vorzüglich für Moöbel- und Buchdeckelſchmuck geeignet
iſt, ſtellen die Arbeiten von Nicodemo Ferri und
Guido Bianconi dar. Bianconi hat überdies noch
Medaillons in Holzſchnitzerei ausgeſtellt. Auf Perga:
ment malt Ruppini ſehr geſchickt in der Weiſe der
Ausſchmückung von Miſſaleſ, welche Kunſt in Italien
nie ausgeſtorben iſt und noch heute für feierliche
Gelegenheiten, wie Tauf-, Hochzeits- und ſonſtigen
Familienfeſten, in Anwendung kommt. Die moderne
römiſche Ma jolika⸗Induſtrie iſt gut vertreten; ſo durch
Lopelli und Pio Sabri mit Tellern, Vaſen und
Flieſen. Von Bewunderern belagert ſind aber ſtets
die Schaukäſten, in denen die prachtvollen Juwelier-
Arbeiten von der Hand Luigi Benedetto Zorra's
ausgeſtellt ſind, eines würdigen Vachfolgers Benve-
nuto Cellinis. Dieſer Künſtler, der auf der letzten
Internationalen in Paris einen erſten Preis gewann,
iſt, wie wir entſchieden betonen müſſen, kein Nach
ahmer in ſeiner Kunſt, ſondern ein frei aus ſich ſelbſt
heraus ſchaffender Meiſter und Neuerer, der nur in-
ſofern an Cellini erinnert, als er bei einer his ins
Feinſte vollendeten Modellirung und, Ausführung
und dem vorzüglichſten Geſchmack Material und Form
ſtets in der beſt geeigneten Weiſe verwendet. Ob er
in den koſtbarſten Metallen oder in geringerem Stoff
arbeitet, es geht, was er berührt, veredelt aus ſeiner
Hand hervor. Ausgehend von den präraphae-
 
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