Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

DOI issue:
Nr. 13
DOI article:
Die Frage der Ergänzung antiker Bildwerke
DOI article:
Die Kunststadt Düsseldorf und ihre Akademie
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0229

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext



Wie gefährlich es iſt, einer Handlung einen
Namen zu geben, zeigt ein im Thermenmuſeum er-
haltenes Fragment dreier Frauengeſtalten, von denen
nur die linke ihren Kopf hat. Man wollte darin
einen Streit der Niobe und Latona ſehen und glaubte,
die mittlere, Niobe, wende ſich an die erhaltene
Phoebe wegen Beilegung des Streites. — Da fand
Amelung im Giardino della Pigna im Vatikan den
Kopf der Mittelfigur, die aber keineswegs bittend
nach links, ſondern ſtolz und herriſch auf die dritte
Figur blickt. So lange wir nun die nicht ergänzen
können, iſt eine Deutung des Ganzen überflüſſig.

Ein anderer glücklicher Fund Amelungs war eine
in ſchweren, den Hinterkopf mitbedeckenden Mantel
gehüllte Frauengeſtalt der attiſchen Schule des 5. Jahr-
hunderts. Es giebt Bepliken, aber alle kopflos. Die
vorliegende zeigt freilich ein langweiliges römiſches
Porträt, aber der Berliner ſogenannte Aspaſiakopf
zeigt genau die Falten dieſes Mantels und ergänzt
das Ganze als eine züchtige ehrwürdige Frau.

Erſt im 3. Jahrhundert ſcheint es erlaubt ge-
weſen, Abgüſſe von Griginalen für Vervielfältigung
zu machen, aber auch dann noch entziehen ſich
Tempelbilder, bemalte und hochſtehende, dieſem
Gebrauche. Leichter war es wohl mit Bronzen, die,
in Marmor kopirt, aber immer etwas Schweres be-
kommen und einer Stütze nicht entbehren können.
Der ſchönſte Discobol, der der Fürſtin Maſſini, iſt
leider unzugänglich. Eine Photographie hat es er-
möglicht, in London einen vorzüglichen Kopf des-
ſelben zu beſtimmen. Denſelben auf den Gipsabguß
der guten Kopie in der Sale della biga im Vatikan
geſetzt, die hinderliche Stütze entfernt, das Ganze in
Bronzeton, und wir haben den ſchönen Diskuswerfer
des Myron leibhaftig vor Augen.

Ein ähnliches Zurückübertragen erlaubt die
Athena Lemnia in Dresden mit ihrem in Bologna
befindlichen, von Prof. Furtwängler wiedergegebenen
Kopf. Derſelbe wirkt auf der Marmorfigur etwas
zierlich, aber in der modernen Wiedergabe in Kupfer,
die Prof. v. Wilamowitz beſitzt, fällt der ſcheinbare
Fehler fort.

Die ſchöne Friedensgötlin mit dem Gotte des
Beichthums auf dem Arme, in München, ſieht aus,
als wäre ſie vollkommen in ihrer Art. Aber griechiſche
Münzen zeigen ſie mit einem Füllhorn, anſtatt der
Vaſe; ein im Piraeus gefundener Plutosknabe bietet
eine beſſere Auffaſſung. So ergänzt und bronzirt ge-
winnt ſie noch bedeutend.

Wie ſchon geſagt, wurde dem Kopiſten des
Alterthums die Sache erſchwert, ſtand eine Figur hoch.
So kam es mit der Nike des Paionios, die wir
in Olympia ausgegraben. Auf dreieckiger Baſis ſchien
ſie gerade vom Himmel zu Fommen, da die Poly-
phonie an den Flügeln und Gewändern nur dazu
diente, den lichten Körper ſtrahlend abzuheben. Ein
neidiſches Geſchick erhielt nur den Hinterkopf mit den
eigenartigen Binden. Da entdeckte Dr. A. im
römiſchen Privatbeſitz eine alte Kopie des ganzen
Kopfes in Griginalgröße, vollſtändig erhalten. Und
jo konnte für die Gipsſammlung des Dresdener
Albertinums eine Beplik des Griginals angefertigt
werden. Aber damit noch nicht genug. Wir lernen
an dem römiſchen Kopf, wie ſchwer es dem Kopiften
geworden iſt, in der Entfernung das ſog. ſchwebende
Trio zu ſtudiren, denn unſer Griginaihinterkopf zeigt
deutlich, daß er die Behandlung des Haares und der
Binden nicht recht erfaßt und ſich geholfen hat, wie
es gerade ging! G.

Die Kunststadt düsseldorf
und ikre Akademie,

(Schluß.)

„.. . Einige Jahre hindurch ſpielte ſo in Düſſel-
dorf der kampflos ſtille Unterſchied der Kunſtweiſen, bis
ſich allmälig doch das Handwerksmäßige bedenklich
vordrängte. Man hatte ſich, wenn auch dieſer oder
jener Maler eine auswärtige Ausſtellung beſchickte,
in der Hauptſache doch in eine örtliche Selbſtgenüg-
ſamkeit eingeſponnen. Es war ja auch, namentlich
durch das kameradſchaftliche Leben im Malkaſten und
die dort zugleich ſich entwickelnden engen Beziehungen
zu Caienkreiſen, ſo viel Perſönliches in dieſes Düſſel-
dorfer Kunſttreiben getragen, daß Niemand daran
denken mochte, in dieſes Idyll ein ernſtes Mahnwort
hineinzurufen. Er hätte auch nichts Anderes erzielt,
als daß ihn Maler wie Taien als einen böswilligen
Störenfried betrachtet hätten, der nur aus verwerf-
lichen Gründen ſo handeln konnte.

Da kam gleichzeitig mit Arthur Kampf eine
Schaar von Tandſchaftern der Dückerſchen Schule aus
der Akademie. Die jungen Leute waren alle berührt
von der neueſten Kunſtbewegung, die ſeit 1889 in
Deutſchland um die Anerkennung rang. Ihr erſtes
Auftreten zeigte zum Theil nicht unbedenkliche Ab-
hängigkeit von belgiſchen Einflüſſen. Sie kamen aber
raſch zur Sammlung und unter Führung des von
ſkandinaviſchen Eltern abſtammenden, aber ganz in
Düſſeldorf aufgewachſenen Olaf Jernberg und
Arthur Kampfs traten ſie als Jünger einer neuen
Entwicklung der Düſſeldorfer Kunſt auf den Plan.
Bald aber fühlten ſie ſich durch die ſie umgebende
Fluth des Handwerksmäßigen beengt und ſuchten,
unter Anſchluß einiger älterer Elemente, zunächſt
durch Elite-Ausſtellungen eine Sonderung der hete-
rogenen künſtleriſchen Gruppen herbeizuführen. Da-
rüber entbrannte ein Streit, der für dieſe Neuerer
zunächſt nicht leicht war, denn ſie hatten durchaus
nicht die unmittelbare Zuneigung des Publikums,
das zum guten Theil es als unedel, pietätlos anſah,
daß iunge Leute, die noch gar keine eigenen Häuſer
beſaßen, die man vielfach perſönlich noch kaum kannte,
ſich gegen hochangeſehene ältere Herren wichtig
machten, als ſeien ſie etwas Beſſeres. So was ſollte
im gemüthlichen Düſſeldorf nicht vorkommen.

Bald aber brachen ſich nicht nur dieſe jungen Leute
mit ihrer freien Vereinigung und ihrem Lukas-
klub Bahn, ſondern auch in die Beihen der ältern
Gruppen drang eine neue Strömung ein. Ehe ſich
die Dinge in dieſer Beziehung geklärt hatten, entſtand
auswärts dadurch vielfach ein falſches Bild, daß
man von Düſſeldorf aus verſchiedene Ausſtellungen in
überaus kritikloſer Weiſe beſchickte, aber auch dadurch,
daß ſelbſt die begabtern Künſtler die Bedeutung der
auswärtigen Ausſtellungen unterſchätzten, ſich daher
nicht zu größern Werken aufrafften, und da fern
blieben, wo es galt, für den Ruf Düſſeldorfs zu kämpfen.
Man merkte lange nicht, daß man im Begriff war,
ſich gänzlich zu iſoliren. Die üble Art, mit der
Düſſeldorf namentlich in Berlin ( Die Bed.) be-
handelt wurde,“) öffnete mehr und mehr die Augen

*) Es beſteht auswärts eine förmliche Manie, ſich in Berlin
ſchlecht behandelt zu glauben. Im Moabiter Glaspalaſt haben die
Düſſeldorfer, Jabre hindurch, die beſten Säle inne gehabt. Auch bei
Ed. Schulte ſind ſie immer bevorzugte Stamnigäſte geweſen. Wir
werden ja ſehen, wie man ſich dafür in Düſſeldorf in dieſem Jahre be-
danken wird. (D. Red.)
 
Annotationen