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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 23
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Imhof, Franz: Grosse Berliner Kunstausstellung 1902, [3]
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Kunstchronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0413

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— 29


Bechers Gipsgruppe „Jagd nach dem Glücke“. So wie
dieſes nackte Menſchenpaar gierig-wild die Arme ausſtreckt,
kämpft man wohl um ſein Leben, aber nicht um Fortunas
Gunſt; das iſt ſchon viel überzeugender veranſchaulicht
worden. Der Düſſeldorfer G. von Bochmann jr. ſteht
in ſeiner lebensgroßen derb-realiſtiſchen Gipsgruppe, die
den „Abſchied“ eines jungen Fiſchers von ſeiner Mutter
ſchildert, ſelbſt gegenſtändlich unter modern belgiſchem
Einfluß. Fritz Hausmanns Grankfurt a. M) Marmor-
büſte der Baronin Königswarter erfreut durch zierliche
Eleganz. Von männlichen Büſten räume ich in dieſer
Gruppe den Arbeiten von Joſef Limburg Gom) und
H. volz (Karksruhe) den Preis ein. Der Kopf des Groß-
herzogs von Baden von Dolz iſt in der That von ge-
wichtiger Charakteriſtik; aber ein prächtiger Phyſiognomiker
iſt Limburg nicht nur in den Büſten des Biſchofs Zorn
von Bulach, des Bildhauers Profeſſor Gerhardt und des Schrift-
ſtellers Dr. A. Glaſer, ſondern auch in den kleinen Gipsfigürchen
zweier ſpaniſcher Miſſionare, Typen, die wie aus einem
Roman von Cervantes herausgeſchnitten wirken. Maria
von Gießendorf theilt uns in Medaillen mit feinen Profil-
bildniſſen ein Paar Proben ihrer Pariſer Studien mit.
Und endlich zeigt Chriſtian Behrens das Modell ſeines
3. Zt. mit dem l. Preis gekrönten Breslauer Univerſitäts-
brunnens, deſſen Ausführung ſeltſamer Weiſe verhindert
wurde. Der Künſtler hat vor einem Obelisken die aus
dem Zeushaupte entſtiegene gepanzerte Minerva dargeſtellt
und unterhalb die vier Fakultäten als jungfräuliche Ge-
ſtalten. Auch an den Dekorationsformen dieſes Brunnen-
modells iſt jede konventionelle Behandlung vermieden.

Es iſt verſtändlich, daß der Haupttheil der Ausſteller
den Kreiſen unſerer jüngeren Bildhauer angehört, die in
Berlin nebſt den Vororten Charlottenburg, Friedenan,
Wilmersdorf, Grunewald 2c. leben. Die heimiſchen Größen
des Faches ſind mit Aufträgen ſo überlaſtet, daß es ihnen
nicht ſchwer fällt, den Andern zu zeigen: wie wenig man
Streber iſt. Dennoch fehlen nicht einige klangvolle Namen:
Ernſt Herter, Mar Baumbach, F. Hartzer, Peter Breuer,
G. Janenſch, Hans Dammann, L. Brunow u. A. Breuers
religiöſes Bildwerk „Laſſet die Kindlein zu mir kommen“
iſt von feiner Empfindung. Max Baumbachs lebensgroße
Gipsgruppe „Wiederaufringen“ ſchildert mit ausdrucks-
voller Kraft, doch nicht mit vollem Gelingen, männliche
Gebrochenheit und weibliche Tröſtung. Mit Porträt-
arbeiten treten, außer Baumbach, deſſen Halbfigur eines
arbeitenden Modelleurs voll Leben iſt, auch F. Hartzer und
J. Boeſe hervor.

Aber vergeblich ſieht man ſich in dieſem Kreiſe, ſelbſt
unter den Werken der friſcher zugreifenden jüngern Bild-
hauer, nach einer wirklich ſieghaften Leiſtung um, die mit
Bewunderung erfüllt und bis ins Innerſte dringt. Wer
den Eifer in den Kreiſen jener Emporſtrebenden kennt,
wird vielleicht überraſcht ſein, ſo wenige „Schlager“ dies-
mal zu finden. An Umfang ſteht der Stettiner Monumental-
brunnen von B. Felderhof obenan: Die Uoloſſalgruppe
— Amphitrite mit zwei Hippokampen — wirkt bei aller
Schönheit der Göttin als Ganzes kalt und leer. Ebenſowenig
vermag die edle korrekte Plaſtik der für die Kommune
Berlin geſchaffenen Göttin Spreea, zu deren Füßen der Bär
aus einer Schale leckt, von J. Chriſtenſen, zu erwärmen.
Tiefer angeregt fühlt ſich der Beſchauer durch den „Barm-
herzigen Samariter“, einen Greis, der einem kranken Jüng-
ling am Boden behutſam beiſteht, von W. Haverkamp.

von ſtarker Wucht iſt die Gipsgruppe „Barbarenrache“,
die ein herkuliſcher Sieger an dem Getödteten nimmt, indem
er ihn grauſam durch den Staub ſchleift: von Alfred
Raum.

Daß uns hier nur wenige Proben des in den patrio-
tiſchen Dienſt geſtellten ſtatnariſchen Schaffens geboten
werden, kann nach jenen ſelbſt nicht ſehr bedauert werden.
Ueber Arbeiten, wie ſie diesmal von Chriſtenſen (Herzog
Friedrich von Kiel), G. Morin (Fehrbellin 1625), E. Müller-
Braunſchweig (Kaiſer Wilhelmbrücke zu Braunſchweig),
Mar Wach (Herzog Ernſt der Fromme), A. M. Wolff
(Kaifer Wilhelm I in Bixdorf) vorhanden ſind, erhebt ſich
in monumentaler Auffaſſung ſogar die freilich etwas
ſchwülſtige plaſtiſche Skizze W. Widemanns, die Glorifikation
eines auf geflügeltem Schiffsſchnabel hochgerichteten antiken
Triumphators. Es bleiben ſonſt nur noch wenige größere
Plaſtiken von gewiſſem Belang übrig: eine edle Juſtitia
von H. Günther-Gera, der koloſſale Jünglingsakt „Philotas“
von A. Hoffmann, das ſich „Noch müde“ reckende Mädchen
aus dunkelgetöntem Marmor von Aichele und eine vor-
nehm ſtiliſirte Beleuchtungsfigur von W. Fritſch.

Unter den Werken kleineren Formats intereſſirt be-
ſonders — wenn man eine Anzahl recht tüchtiger Büſten
von Bernewitz, Börmel, F. Dorrenbach (Frau des Künſtlers),
H. W. von Glümer, J. Götz, Fritz Heinemann, H. Lindner,
A. Manthe, W. Wandſchneider, M. Schauß u. A. ausnimmt:
Ernſt Segers kleine humorvolle Terrakotta-Gruppe der
„Verſuchung des Hl. Antonius“, in der die von hüllenloſen
weibern bedrängte Heiligkeit wohl nur auf eine boshafte
Satire hinausläuft. Auch J. Schichtmeyer iſt im An-
ſchluß hieran zu nennen mit dem buntgefärten Marmor-
kopf eines Mädchens voll poetiſcher Friſche. Ebenſo ver-
dient das als Brunnenfigur gedachte Mädchen mit Entchen
von P. Niſſe, eine ſicherlich nicht originelle aber liebens-
würdig empfundene Bronzeſchöpfung, Beachtung. In der
großen Menge winziger Statuetten, Köpfe und Keliefs, die
ſich zerſtreut finden, erblickt man Manches, was ſeinem
Urheber Ehre macht, und wenn ich nur A. Lewin-Funckes
weibliches Figürchen in Elfenbein und Onyx (Gewand und
S. Jarays hübſche Bronze „Im Fauteuil“, die Kinder-
darſtellungen von M. Meyer-Pyritz und Uoch-Plaue her-
ausgreife, ſo ſoll nicht geſagt ſein, daß auch Anderes nicht
erwähnenswerth ſei. Die Thierbildnerei iſt noch immer
kein allzulohnendes Fach, indeß darf die Kritik nicht un-
vermerkt laſſen, daß, auter dem bewährten Meiſter der
Rothwild-Darſtellung Rich. Ruſche, auch jüngere Kräfte
wie Mar Landsberg und R. Marcuſe einige vielverſprechende
Arbeiten ausgeſtellt haben.

Franz Imhof.

%.
’Kunffiß_x‘oniß.

Ascoli In der Kathedrale wurde ein herrlich ge-
webtes geiſtliches Prunkgewand (Piviale) aus der Zeit
des Papſtes Vikolaus IV. einer Epoche des Quattrocentos,
unlängſt geſtohlen.

* Bozen. Im ehemaligen Dominikanerkloſter, ſpäter.
Infanteriekaſerne demnächſt' Fachſchule, wurde an einer
Stelle des öſtlichen Kreuzganges ein großes Fresko der
„Kreuzigung Chriſti“ unter der Tünche entdeckt.

»Bresden. Der ſogenannte „Fürſtenzug“ an der
Mauer des Stallgebäudes in der Auguſtusſtraße, von W. A.
Walther zwiſchen 1871 und 1876 aufgeführt, ſoll demnächſt
reſtaurirt werden.
 
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