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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 3
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Meyer, Bruno: Gr. Berliner Kunstausstellung: die Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0052

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Gr. Berliner Runstausstellung.

VI. Die Architektur.

ie Architektur-Abtheilung unſerer Aus-

ſtellungen, einſt unter jedem Geſichtspunkte

deren Stiefkind, entwickelt ſich je mehr und
mehr zu einem gleichberechtigten Faktor ihrer Wirkung,
dem auch das Publikum eine früher nicht gekannte Theil-
nahme entgegenbringt. Hauptſächlich dürfte daran zweierlei
Schuld ſein: die Kunft des Ausſtellens ſelber hat große
Fortſchritte gemacht, und die Architekten legen mehr
Gewicht als früher auf eindrucksvolle, ja packende Dar-
ſtellung ihrer Entwürfe und Werke und enthalten ſich beim
Ausſtellen ſoviel wie möglich der abſtrakt fachlichen Vor-
tragsweiſe. Nicht ohne Einfluß iſt es auch geblieben, daß
die Architekten jetzt zahlreicher ausſtellen. Ja, vielleicht
wirkt es ſogar mit, daß das Publikum ſich hat gewöhnen
müſſen, auch in den anderen Abtheilungen „Büchern mit
ſieben Siegeln“ zu begegnen, und es daher in der Un-
möglichkeit, ſich aus den Dingen einen Vers zu machen,
keinen Grund oder keine Entſchuldigung mehr findet, ſich
von dem Beſuche irgend einer Darbietung zu dispenſiren.

Auch diesmal präſentirt ſich die Architektur-Abtheilung
recht wirkungsvoll, ohne widerſpruchslos zu feſſeln, ladet
doch das robuſte Portal von Georg Boenſch-Charlottenburg
zur Annäherung ein. Die anſchaulichen, oft virtuos,
ſelbſt aufdringlich in Farben gemalten perſpektiviſchen
Anſichten geben dem Laien unmittelbar, was er von der
Baukunſt verlangt und verſteht. Die maleriſche Geſammt-
wirkung und allerlei Einzelnes zieht wohl die meiſten hier
und da auch gegenſtändlich an, weil ſie zu den Dingen
irgend eine nähere Beziehung haben. Man ſoll dieſes
Intereſſe nicht oberflächlich ſchelten und gering achten.
Es iſt wohl ſchon mehr als nnr der erſte Schritt zu
wärmerer Theilnahme und eingehenderem Verſtändniß
Bei weitem im Vordergrunde des Intereſſes ſtehen —
diesmal nicht nur für den Laien — die zwei großen
offiziellen Ausſtellungen: der Stadt Berlin und des
Preußiſchen Miniſteriums der öffentlichen Arbeiten.

Bei der erſteren handelt es ſich weſentlich um eine
Art von Rechenſchaftsbericht über die erſt wenige Jahre
umfaſſende Thätigkeit des Stadtbaurathes Ludwig Hoff-
mann. Es iſt wohl noch in der Erinnerung, daß im Anfange
ſeiner Thätigkeit lebhafte Klagen geführt wurden über
die Langſamkeit, mit der ſelbſt die wichtigſten und
dringendſten Bauten gefördert wurden, ſo daß namentlich
in Bezug auf Schulen wirkliche Vothſtände ſich einſtellten.
Dergleichen kommt an dieſer Stelle nicht in Betracht, wo
der neue Stadtbaumeiſter ſich lediglich im Lichte ſeiner
künſtleriſchen Befähigung darſtellt und dazu gactz un-
gewöhnliche Anſtrengungen gemacht hat. Venn wenigſtens
im Umkreiſe unſerer ſtädtiſchen Verwaltung unerhört muß
es genannt werden, daß ſo detaillirt durchgebildete und
mit allem Kaffinement zeichneriſcher Technik dargeſtellte
Pläne und ſo zahlreiche und große Modelle von neuen
Bauten dem Publikum vorgeführt worden ſind. Beoenkt
man die kurze Zeit ſeiner Wirkſamkeit und ferner den
Umſtand, daß eine große Anzahl von Arbeiten zum Cheil,
weil ſie noch nicht weit genug gediehen ſind, zum Cheil,
weil ſie als untergeordnet in dieſen Rahmen nicht paßten,
von der Ausſtellung fern gehalten worden ſind, ſo entrollt

ſich das Bild einer faſt fieberhaften produktiven Chätigkeit.
Wollte man dieſer gerecht werden, ſo müßte auf das
Einzelne genauer eingegangen werden, denn mit wenigen
allgemeinen Worten, welche gewiſſermaßen wie eine
Schlußzenſur ausſehen, dürfte man einer ſolchen künſtleriſchen
Thätigkeit denn doch nicht gegenübertreten. Aber auf
einen Geſichtspunkt darf hier wohl hingewieſen werden,
das iſt die jetzt ſchon nahe getretene Gefahr der Er-
ſtarrung in Manier. Die Bauwerke gleichen ſich auf eine
beinahe unheimliche Weiſe, und ſelten ſpricht ſich ihre Be-
ſtimmung in dem Aeußeren deutlich aus; ſelbſt wo merk-
würdige Folgerungen aus der inneren Einrichtung ſich für
die äußere Geſtaltung ergeben haben, wie z. B. in der
unſchönen Beihe kleiner Fenſter über den Erdgeſchoß-
fenſtern bei Bäderanlagen, muß man mehr die innere Ein-
richtung kennen, um die Befremdlichkeit des Aeußeren zu


mit einiger Sicherheit auf ſeine Beſtimmung ſchließen
könnte.

In ſtiliſtiſcher Beziehung bevorzugt der Stadtbau-
meiſter Vorbilder, denen an ſich ein hoher kunſtgeſchichtlicher
Werth ſicher nicht abgeſprochen werden kann, insbeſondere
die Formen der holländiſchen Renaiſſance. Aber wenn es
ſchon bei der deutſchen Renaiſſance zweifelhaft geworden
iſt, ob ſie ſich zu einer Erneuerung eignet, um daran eine
wirklich eigenartige Fortentwicklung anzuknüpfeu, ſo iſt das
hier wohl noch fraglicher. Auch in den Details macht ſich
die Wiederholung gleicher und nicht gerade der ſchönſten
Motive recht fühlbar: Die kahlen Fenſterprofilirungen
ohne Ausladungen, die ſehr vielfach beliebten ſcheitrechten
Bögen u. a. m. Einen großen Vorzug hat die
Hoffmannſche Bauart in der ausnehmenden Klarheit ihrer
Grundriſſe. Aber freilich haben ihm hierbei ſchwierige
Probleme entweder nicht vorgelegen, oder er hat ſie zu
umgehen gewußt. Die gleichförmigen Reihen von Zimmern
in Schulen, Krankenhäuſern, Bäderanlagen und dergl.
bieten zu kunſtvollen Grundrißdispoſitionen ſchlechterdings
keinen Stoff, und an der einzigen hier vorliegenden Stelle,
an der eine wahrhaft künſtleriſche und eigenartige Leiſtung
hätte zu Tage treten können, bei dem Märkiſchen Muſeum,
hat Hoffmann ein einfaches Honglomerat von Bautheilen
in verſchiedenen Stilen einer einheitlichen Gliederung des
Ganzen vorgezogen und damit die Schwierigkeit umgangen.
Es braucht damit nicht behauptet zu ſein, daß ſeine Be-
gründung für dieſe Einrichtung, daß nämlich in ſtiliſtiſch
übereinſtimmenden Bautheilen ſich die verſchiedenen
Sammlungen aus den einander folgenden Kultur- und
Uunſtperioden eindrucksvoll einordnen laſſen, unrichtig wäre.
Es kommt an dieſer Stelle nur auf die Feſtſtellung der
Thatſache an, daß keine ſo zu nennende Grundrißdispoſition
in dem Bau geliefert iſt.

In hohem Grade anzuerkennen iſt es vor allen
Dingen, daß der neue Stadtbaumeiſter es verſtanden hat,
die im Zuge der Zeit liegende und daher auch
bei den ſtädtiſchen Körperſchaften wohl ſchon der Be-
wußtheit entgegendämmernde Neigung zu reicherer Pracht-
entfaltung und Aufwendung bedeutenderer Mittel den Bau-
zwecken der Stadt in ausgiebigſtem Maaße dienſtbar zu
machen, und ein beſonders günſtiges Geſchick hat ihm
dabei einen ſo vielſeitigen, erfindungsreichen und geſchmack-
vollen Meiſter der Bildhauerei wie Otto Leſſing zur
Seite geſtellt. So wird unzweifelkaft die Bauthätigkeit
 
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