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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 22
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Heilmeyer, Alexander: Die Münchener Kunstausstellungen 1902, Schluss [3]
DOI Artikel:
Pudor, Heinrich: Die Karlsruher Jubiläums-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0390

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340


Ur. 22

die Bezeichnung Genremalerei abſtrahirte —, dieſe iſt
von ihrer einſtigen Höhe herabgeſunken, fofern ſie
nicht mehr wie früher zugleich an der Weiterbildung
der künſtleriſchen Probleme arbeitet. Dieſe Kunſtart
iſt für die Vielzuvielen eine tüchtige Kuh, die ſie
mit Milch and mit Butter verſorgt. Die Zahl der ge-
malten Witze und Anekdoten, Sentimenkalitäten uſid
Pikanterien iſt. Legion. Gemeinſam iſt ihnen das
Moment, durch maleriſche Effekte den Leuten in die
Augen zu ſtechen. Nur wenige Werke ſind darunter,
denen ein eruſteres Streben zu Grunde liegt und
die gute maleriſche Qualitäten aufweiſen. Zum Beſten
in dieſer Hinſicht gehört Eichlers Bild „Wer hat dich,
du ſchönex Wald“. Ein freier und glücklicher Humor
durchweht die ganze Schöpfung; die Refultate der
Freilichtmalerei haben darin geſchickte Anwendung
gefunden. Es iſt ein beſcheidenes Kunſtreischen, das
hier im Aufblühen begriffen iſt.

Der Glaxpalaſt enthält auch den Nachlaß zweier
Wünchener Künſtler, die unlängſt hier verſtorben ſind.
Faber du Faurs und Ernſt Zimmermanns. Ihre
Werke erläutern ein Stück Kunſtgeſchichte. Faſt dreißig
Jahre lang iſt Simmermann - an der Staffelei ge-
ſtanden. Während dieſer Zeit änderten ſich die An-
ſchauungen Vieler; er ſah die Impreſſioniſten, die
Pleinairiſten und Pointilliſten in die Mode konimen,
Zimmermann aber blieb immer derſelbe. Er hat
die alten Meiſter fleißig ſtudirt und iſt der Natur
ſtets treu geblieben, das iſt gewiß das Beſte was
man zu Ehr und Preis eines modernen Malers
ſagen kann. Gemalt hat er ſo ziemlich Alles: Figuren-
bilder religiöſen Inhalts, Porträts, das Genré, In-
terieur und vor allem Fiſchſtillleben. Hierin War
dieſer vielſeitige Künſtler Spezialiſt. Den ſilbergrauen
Hecht, den goldig ſchimmernden Karpfen, die ſchluͤpfrige
Schleie, die gefleckte Forelle, den ſtachligen Barſch,
den glatten Aal, alle hat er mit unübertroffener
Virtuoſität dargeſtellt. Wenn man eines dieſer Still-
leben betrachtet, verſpürt Mancher den Geſchmack
von Fiſchen auf der Zunge. Zimmermann bevor-
zugte bei ſeinen Darſtellungen das Helldunkel, indem
die Farben einem warmen Lokalton untergeordnet
ſind und aufleuchten in märchenhafter Pracht.

Ein ganz anderer iſt Faber du Faur; er liebte
Alles, was buntfarbig und glänzend, prächtig und vor-
nehm in der Erſcheinung war. Paraden und Manöver-
bilder, Motive aus dem Grient, die Natur in den
Farben des Herbſtes und beſonders Darſtellungen
des Pferdes kehren bei ihm immer wieder. Bon
Allem empfing er ſtarke maleriſche Eindrücke; die
Welt erſcheint in ſeinen Gemälden wie durch ein
Kaleidoſfop geſehen; äußerlich iſt er darin den fran-
zöſiſchen Pointilliſten verwandt.

Wenn wir zur Betrachtung der Bildnißkunſt
übergehen, ſo können wir auch hier verſchiedene
Formen der künſtleriſchen Anſchauung wahrnehmen.
Manche halten die Daſeinsform als maleriſchen Ein-
druck feſt. Leibl iſt dafür ein Typus. Lenbach
bildet einen Gegenſatz dazu, er iſt der Meiſter des
Ausdruckes. Seine Kunſt, die in letzter Zeit beſonders
das Damenbildniß kultivirt, iſt darin immer gleich
anziehend, feſſelnd und berückend. Lenbach iſt ein
geiſtreicher, kühner Improviſator, der jedem Oojekte
einen eigenartigen Zug abgewinnt, und er iſt ein
aler von raffinirt feinem Geſchmacke. Dieſes
Moment fällt gerade bei ſeiner jetzigen Ausſtellung
im Künſtlerhauſe auf. Die Porträts ſind wie geé-
ſchaffen für dieſen Rahmen, ſie ſind der Ausdrück
einer reifen Kultur.

So wie es Lenbach verſteht, das ſenſible bewegte

Leben allzeit wiederzugeben, ſo iſt bei kaulbach der
Ausdruck immer ruhig; ſeine Bildniſſe ſind wie in
einem klaren Spiegel geſchaute Eindrücke. kaulbachs
Darſtellung iſt weniger raffinirt und reizend, ſie wirkt
nicht ſo ſehr auf die Nerven, aber ſie erfreut das
Auge durch ihre fein geſtimmten Harmonien. Es
iſt eine ariſtokratiſche Kunſt, wie die van Dycks.

Aehnlich wie Leibl ſtrebt Karl Blos danach,
einen klaren und friſchen Eindruck der Perſönlichkeit
feſtzuhalten. Seine geſunde Anſchauungsweiſe, feine
vornehme Technik würden ſich vorzüglich dazu eignen,
unſere Großinduſtriellen und Kdufherren wiederzu-
geben. Stuck tritt diesmal faſt ausſchließlich als
Porträtiſt auf und verleugnet auch hierin feine Eigen-
art keinen Augenblick. Seiner reichen und lebendigen
Phantaſie muß die Hingabe an das Zpezielle, wie
es die Bildnißkunſt fordert, fernliegen. Trotzdem hat
er aber in dem Porträt ſeiner Gattin ein Werk ge-
ſchaffen, das maleriſch eine ſehr reizvolle Leiſtung
und zugleich höchſt lebensvoll im Ausdruck iſt. Es
erſcheint wie ein koſtbarer Schmuck für den Innen-
raum. Ein anderes Bildniß zeigt den Künſtler und
ſeine Frau im Atelier. Hier ift die meiſterhafte
Wiedergabe des Interieurs das Gelungenſte. Weiter
ſind von ſeiner Hand noch „Carmen“ und „Saharet“.
Stucks Porträts wirken im beſten Sinne dekorativ.
Es iſt ihm im Allgemeinen nicht darum zu thun,
eine im Ausdruck vertiefte Charakteriſtik einer Per-
ſönlichkeit zu ſchaffen, als vielmehr von ihr einen
maleriſch wirkungsvollen Eindruck wiederzugeben.
Wieder eine andere Anſchauung vertritt Samberger.
Seine Hand hat einen Zug, der an Franz Hals ge-
mahnt. Mit ein paar ſicher gezeichneten Linien und
einigen tonigen Flecken bringt er ungemein lebendige
Wirkungen zu Stande. Bei ſeiner Darſtellungsweiſe
muß die Hand mit dem Auge gehen, wie bei einem
guten Schützen; den erſten Eindruck, den er von
einer Perſönlichkeit empfängt, projizirt er entweder
ſogleich richtig auf die Ceinrband, oder er iſt verfehlt.
Samberger hat eine ganze Beihe charakteriſtiſcher
Porträtzeichnungen ausgeſtellt; es ſind lauter Bild-
niſſe bekannter Münchener Künſtler.

Nennen wir noch v. Habermann, Ferdinand Götz,
Spiro, Harburger, Papperitz und Heller, ſo können
wir unſern Ueberblick auf dieſem Gebiete beſchließen.

2

die Karlsruher Iubiläums:
Husſtellung.

Von Dr. Heinrich Pudor.

II.

uch Deutſchland macht auf der Karlsruher

Ausſtellung, ſowohl im Allgemeinen, als was

die Karlsruher Schule betrifft, einen ganz vor-
züglichen Eindruck. Zur deutſchen Ausſtellung gehören
die folgenden Kollektionen: Franz von Lenbach,
Münchener Kunſtvereinigung „Scholle“, Arnold Böcklin,
Wilhelm Trübner, Ferdinand Keller, Guſtav Schön-
leber, Hans Thoma, Arthur Langhammer, Wilhelm
Volz, Wilhelm Dürr und die Sammlung Knorr.
Das Hauptintereſſe konzentrirt ſich naturgemäß auf
die Thomaausſtellung.. Diel Neues ſieht man
zwar — Neues zu bringen, hat überhaupt der Ehrgeiz
 
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