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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 22
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Pudor, Heinrich: Die Karlsruher Jubiläums-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0391

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Xir 22


der Karlsruher Ausſtellungskommiſſion nicht erſtrebt
— von dem einſtigen Frankfurter Meiſter, der nun
Galleriedirektor in Karlsruhe iſt, nicht, aber man erhält
ein überſichtliches Geſammtbild, welches keinen Zweifel
darüber läßt, daß wir es hier mit einer der ſtärkſten
deutſchen Künſtlerperſönlichkeiten zu thun haben. Su
den eigentlich modernen Meiſtern iſt Thoma ſicherlich
nicht zu rechnen. Dabei iſt es aber ſehr zu bewundern,
wie Thoma ſich — und das iſt ihm offenbar ſehr
ſchwer geworden — die moderne Technik mit der
Zeit angeeignet hat: man ſieht einige Bilder, die
keinen Zweifel laſſen, daß Thoma heute, wenn er
will, modern malen kann. Auf der anderen Seite
darf man nicht den Zuſammenhang Thomas mit
der praeraffaelitiſchen Bewegung überſehen. Wenn
wir die Sprache eines Burne Jones ins Deutſche
überſetzen, dann haben wir Thoma. Hiele ſeiner
Bilder wirken ganz und gar quattrozentiſtiſch, im be-
ſonderen paduaniſch oder bologneſiſch: das Harte und
gleichſam Gemeißelte in der Zeichnung hat er mit
dieſer Schule gemein. Das Bild „Luna und Endymion“
z. B. könnte man für eine moderne Kopie nach einem
Mantegnaſchen Bilde halten. Stellenweiſe wird Thoma
für ein modernes Auge geradezu unmöglich, wie in
dem Bilde „Hebels Morgenftern“. Die Perſpektive
und die Veränderung der Farbe durch die Luft bei
zunehmender Entfernung ſind ſeine ſchwachen Seiten.
Aber er entſchädigt uns vollauf durch ſeine Charakter-
größe und Nationalitätsſtärke, die nur in der deutſchen
Benaiſſance ihres Gleichen finden. Das gilt ſowohl
von ſeinen Landſchaftsbildern (wie z. B. „Begen-
bogenlandſchaft“, wie von ſeinen Porträts (3. B. das
köſtliche „£a Gardiniera“). Sein Beſtes hat er in
dem Porträt des Großherzogs von Baden gegeben.
Ein Werk, bei deſſen Anblick der kühlſte Kritiker in
Ekſtaſe geraten muß, das in allen Theilen gleich
durchgearbeitet iſt, das bezüglich der Behandlung des
landſchaftlichen Hintergrundes wieder an die beſten
alten Meiſter erinnert, und das bezüglich der
Charakteriſtik und Durchgeiſtigung ein echter deutſcher
Thoma iſt. Auf ein ſolches Jubiläumsgeſchenk kann
ein Großherzog ſtolz ſein! Von anderen hier aus-
geſtellten — im Ganzen ſieht man hier nicht weniger
als 27 Bilder Thomas — Gemälden des Künftlers
ſeien das merkwürdige Bild „Wandervögel“, ferner
die wie ein Signorelli (mit dieſem Künſtler hat Thoma
manches gemein) anmuthenden „Bogenſchützen“, weiter
das wiederum altdeutſch-klaſſiſch wirkende Bild
„Religionsunterricht“ erwähnt. Leider iſt mit der
hieſigen Thoma-Ausſtellung nicht auch zugleich eine
ſolche ſeiner Holzſchnitte verbunden; aber auch das
hat er mit den altdeutſchen Meiſtern gemein, daß
Alles, was er ſchafft, für den Holzſchnitt gedacht zu
ſein ſcheint.

wilhelm Trübner, deſſen Kollektion nicht
viel weniger intereſſirt, hat manches Verwandte mit
ihm. Die Schärfe des Charakters eines Thoma
ſteigert ſich bei Trübner bis zu ausgeſprochener Bitter-
keit. Für dieſe Herbheit und Bitterkeit iſt ſowohl die
Art, wie Trübner zeichnet, als beſonders ſein Kolorit
charakteriſtiſch, das etwas giftig wirkende ſcharfe,
ſchon etwas ins Blauliche ſchimmernde Grün. Daneben
iſt ſeine Lieblingsfarbe ein ins Fuchsrothe ſpielendes
Braun. Aus dieſem Grunde wohl malt Trübner in
jüngſter Seit gern Pferdeſtudien: hier in Karlsruhe
hat er ein prächtiges Stück in Lebensgröße, „ge-
ſatteltes Reitpferd“ ausgeſtellt, das ihn auf dieſem
Felde gegenüber früheren derartigen Arbeiten weit
fortgeſchritten zeigt. Hans von Volkmann hat
mehrere gute Bilder, aber nicht gerade Hauptwerke

geſchickt. Man fühlt ſich dieſem Künſtlex, deſſen be-
deutendes Talent heute allgemein gewürdigt wird,
gegenüber verpflichtet, auszuſprechen, daß er nunmehr
doch beſtrebt fein ſollte, den Werth, den ſeine Bilder
an Großzügigkeit haben, auch an Detailarbeit ihnen
zu geben. Bei manchem ſeiner Bilder hat man den
Eindruck, als ob ſie nur in vergrößertem Maßſtabe
ausgeführte Malkaſtenſtudien ſind.

Der erſte Präſident der Karlsruher Jubiläums-
ausſtellung, Ludwig Dill, zeigt ſich in würdiger,
aber etwas einförmiger Weiſe. Zum Glück hängen
die von ihm hier ausgeſtellten Bilder nicht in einem
und demſelben Saale, andernfalls würden ſie eines
gegenüber dem anderen nichts Neues zu ſagen haben,
denn ſie zeigen alle dieſelbe bekannte Dillſche Har-
monie in Grau-Gelb. Davon abgeſehen, zeugen ſie,
wie man gern immer wieder ausſpricht, von einer
ſcharf umriſſenen ſtimmungskräftigen Künſtlerindivi-
dualität, die ihre eigenen, nämlich die perſönlichen
Wege geht, ein Vorzug, der gerade bei einem
Akademieprofeſſor ſehr ſtark in die Waagſchaale fallen
muß. Die Schönleberſche Kolleftion weiſt neun-
zehn Bilder auf, ſo daß man von dieſer ſo außer-
ordentlich liebenswürdigen Künſtlerperſönlichkeit einen
willkommenen Ueberblick erhält. Aus dem Jahre
1902 befindet ſich eine ſehr ſympathiſch wirkende,
charaktervolle, faſt holzſchnittartig anmuthende „Mühle
im Thal“. Die meiſten anderen Bilder entſtammen
früheren Jahren. Einige wirken ausgeſprochen
paſtellartig: in der That ſollte der Künftler dieſe
Technik, die für das von ihm vorzugsweiſe gepflegte
Kolorit am beſten paßt, öfters anwenden. Auch gute
Farbenholzſchnitte iſt gerade er berufen, uns zu geben.
Die Ferdinand Uellerſche Uollektivſammlung bringt
nichts Neues. Die Leiblſche präſentirt dieſen hoch-
bedeutenden Künſtler nicht ausreichend. Aehnliches
gilt von der Böcklinſammlung.

Innerhalb der Karlsruher Schule iſt vor Allem
der kraftſtrotzende Viktor Weishaupt zu nennen,
der eine Beihe prächtiger Bilder, vor allem ſeine
„Biehheerde im Waſſer“, ein Bild, das mit dem
Potterſchen Stier zu vergleichen iſt, ausgeſtellt hat.
Franz Hein, einer der liebenswürdigſten Künſtler der
Karlsruher Schule, von ausgeſprochenem badiſchen
Charakter, hat ein größeres neueres Gemälde „Königs-
kerzen“ ausgeſtellt, das interereſſirt, aber nicht ge-
nügend harmoniſch in der Farbe wirkt; vor Allem
gehört ein anderer Rahmen zu dieſem Bilde. Fexner
Otto Propheter, der drei Porträts kgl. badiſcher
Hoheiken ausgeſtellt hat, die in gutem Sinne des
Wortes ſalonhaft wirken. Aehnliches gilt von den
Porträts Kaſpar Bitters, Kaxlsruhe, mit der Ein-
ſchränkung, daß hier das Salonhafte noch mehr be-
tont iſt und bereits das Dilettantenhafte geſtreift
wird. Von weiteren Karlsruher Malern erwähnen
wir beſonders den talentvollen Walter Conz und den
delikaten H. Daur. Im übrigen verbietet uns der
beſchränkte Raum, jeden einzelnen Künſtler auch nur
dem Namen nach anzuführen, zumal wir überhaupt
nicht beabſichtigen, mit unſerer Charakteriſtik der
kKarlsruher Ausſtellung einen Katalog-Auszug 3u
geben.

Was die Münchener Schule betrifft, ſo ragt hier
die Künſtlervereinigung „Zcholle“ bedeutſam hervor.
Und zwar iſt es in erſter Lime Fritz Erler, der
interefſirt. Sein Bild „Dame am Klavier“ iſt dem
Kolorit und der Farbenharmonie nach ein Meiſter-
werk. Aehnliches gilt von ſeinem „Porträt“ und von
der „Peſt“ Alle drei Bilder ſtammen aus dem Jahre
1000. Eine kraftvolle Künſtlerperſönlichkeit dokumen-
 
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