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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 10
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Galland, Georg: Münchens Niedergang als Kunststadt?
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Zur Spaltung in der Berlinder Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0174

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Ur. 10

Kunftfachen kann daher für einen Künſtler nur von
geringem Intereſſe ſein.

Alfred Georg Hartmann-München urtheilt
über die Münchener Künſtler-Kommiſſion: Ich
glaube an die Segnungen einer ſolchen Einrichtung
nicht ... Was die Kunft einer Stadt immer zur
Höhe entwickelt hat, war die Kunſtfreudigkeit des
mit dem Zeitgeiſte voranſchreitenden Herrſchers ..
Ein Zug altersſchwacher Erſchlaffung liegt über
dem Garten unſerer (der Münchener) Kunſt.

Martin Dülfer-München: Eine Gefährdung
Münchens als Kunftftadt iſt nicht zu fürchten.

Prof. Chr. Roth-München: München iſt keine
führende Kunſtſtadt mehr, ſondern eine geführte.

Benno BeckerMünchen: Die Kunſt blüht in
München, Spuren eines Niederganges ſind nicht zu
bemerken.

Georg Galland-Berlin: Münchens Stellung
iſt, ohne gerade verſchlechtert zu ſein, dennoch er
heblich verändert.

Heinrich Sügel-München: Ueber Münchener
Malerei) Alles macht bei uns jetzt in „Stil“ —
Immer ſieht man das Objekt durch die Brille irgend
eines Vorbildes.

Otto Julius Bierbaum-Berlin: Der bildende
Künftler ſteht nirgendwo in Deutſchland ſo im all-
gemeinen Anſehen wie in München ... der Prinz-
Begent läßt auch Jeden nach ſeiner Palette ſelig
werden.

S. H. Meißner-Berlin hält Münchens Rolle
als führende deutſche Kunſtſtadt im Augenblick als
ernſtlich nicht gefährdet. (EUeber Berlin) Heute iſt
Alles erſt Anfang und Werden Die Sieges-
allee-Werke ſind im Großen ein mächtiger Wurf.

paul Schultze-Naumburg-Saaleck: Eine
Kunſtſtadt im Sinne von Athen oder Florenz iſt
München wohl nie geweſen, ſondern eher eine im
Sinne wie Rom ... Die Stadt München an ſich
hat viel weniger mit der Münchener Kunſt zu
thun, als die mit den Verhältniſſen Nichtvertrauten
es denken mögen.

Cothar von KunowskiMünchen: Man beſuche
das L,och, in dem ich in München wohne — — um
Münchens Kunſtpflege zu würdigen.

Dr. Georg Birtk-München: Ich halte es für
ungerecht, heute der freien Münchener Künſtlerſchaft
Rückſtändigkeit vorzuwerfen. Auf dieſem Gebiete ge-
ſchieht, was normaler Weiſe geſchehen kann. Man
darf aber nicht vergeſſen, daß die bildende Kunſt,
namentlich die Malerei, ſich zur Zeit in einem Su-
ſtande der Ebbe befindet . . . Namentlich München
braucht heute den Vergleich mit dem Auslande
nicht mehr zu ſcheuen.

Ueberhaupt ſollte man in der Kunſtſtadt Mün-
chen darauf halten, daß alle mit der Pflege der
Kunſt betrauten Perſonen — — tieferes Verſtändniß
für das Künſtleriſche an ſich entgegenbringen können.

Heute exiſtiren ſolcher Perſonen hier ſehr wenige,
und die wenigen ſind faſt ohne Einfluß. —

Ich glaube, es wird mit der obigen Blumenleſe
genug ſein, um klarzulegen, daß eigentlich nichts
mehr die Unklarheit in der Beurtheilung einer
künſtleriſch oder kunſtgeſchichtlich bedeutſamen Frage
fördert, als eine Enquéte. Daß faſt ohne Ausnahme
eine herzliche Sympathie für den Gegenſtaud der
vorliegenden Betrachtungen zu Tage trat, war bei
der Wahl der befragten Perſonen wohl ſchon im
Voraus zu entnehmen. Die Wenigen aber, welche
ſo „geſchmackvoll“ waren, ihrer Zympathie durch
haßerfüllte Ausfälle gegen Berlin einen beſonderen
Nachdruck zu verleihen, mögen ſich Lenbachs Worte
merken: Wenn Sie meine Anſicht veröffentlichen, ſo
bitte ich Sie, vor Allem zu betonen, wie abſcheulich
es ſei, die Kunſtſtädte gegeneinander aufzuhetzen.
Berlin wird ſich dadurch, das mögen ſich die liebens-
würdigen Herren Gegner geſagt ſein laſſen, nicht ab-
halten laſſen, vorwärts zu ſchreiten, es wird in der
Eſſe jenes unqualifizirten Haſſes ſeine Waffen auch
für künſtleriſche Eroberungen zu ſtählen wiſſen.

G. G.
*

Zur Spaltung in der
Berliner Seꝛeſſion.

an bittet uns um Abdruck der nachſtehenden
Aeußerungen, die wir ohne jeden Kommentar
wiedergeben:

Ueber die innerhalb der Berliner Sezeſſion entſtandenen
Differenzen, die zum Austritt der unterzeichneten Mitglieder
geführt haben, ſind ohne unſer Zuthun Mittheilungen in
die Preſſe gelangt. Aus dieſem Grunde erſcheint eine
öffentliche Klarlegung der Angelegenheit geboten.

Die Berliner Sezeſſion hat, nach unſerer Anſicht, das
nicht erfüllt, was von ihr erwartet wurde und was in der
vorrede des Katalogs der erſten Ausſtellung in Ausſicht
geſtellt war. Sie iſt nicht eine Stätte geworden, an der
fich jede Richtung der Kunſt gleichmäßig ausſprechen konnte.
Sie hat durch zu ſtarke Betonung einer Kunft beſtimmter
Richtung und durch übermäßiges Heranziehen des Aus-
landes nicht genügend die Intereſſen ihrer ordentlichen
mitglieder und der deutſchen Kunſt gefördert.

Ein weiterer Beſchwerdepunkt iſt die Stellung des
Geſchäftsführers. Nachdem dieſem, durch einen ſatzungs-
widrigen Beſchluß des Vorſtandes, mit der berathenden
mitwirkung an der Jury ein indirekter Einfluß auf die
Auswahl der Kunſtwerke eingeräumt worden iſt, erſcheint
es bedenklich, daß der Inhaber eines kapitalkräftigen Kunft-
ſalons zugleich Geſchäftsführer der Sezeſſion iſt, deren
Intereſſe mit dem des Kunſthändlers kollidiren kann. Es
muß insbeſondere befürchtet werden, daß der Geſchäfts-
führer, ohne es zu wollen, auch in der Sezeſſion derjenigen
Uunſtrichtung eine beſondere Förderung zu Theil werden
läßt, die er in ſeinem Salon vorzugsweiſe pflegt.
 
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