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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 16
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Harrach, Max: Düsseldorf 1902: Deutsch-nationale Kunstausstellung, [1]
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Grosse Berliner Kunstausstellung 1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0284

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Vr. 16

eigenartige Mädchenbildniſſe Ernſt Heilemanns
raſſiges Frauenporträt.

Ernſt Hausmann intereſſirt durch eine große,
in nobler Tongebung gehaltene „Raſt auf der Flucht“,
Willy Hamacher und Alrich Hübner zeigen
Candſchaften von Geſchmack und Eigenart, Aug.
v. Brandis behandelt in ſeinem großen Tempera-
bild: „Und ſie folgten ihm nach“ ein bibliſches
Motiv in ſehr eigenartiger Weiſe.

In das Gebiet des monumentalen Koſtümbildes
führt uns der junge Hiſtorienmaler Fritz Grote-
meyer mit ſeiner mächtigen Leinwand: „Die Friedens-
verhandlungen im Bathhaus zu Münſter i. Weſtph.
im Jahre 1648“. So undankbar das Geſchichtsbild
in der heutigen Kunſt erſcheint, iſt es doch auf jeden
Fall erfreulich, daß in unſerem jüngeren Künſtler-
nachwuchs noch die Bürgſchaft für begabte Talente
auf dieſem ſchwierigen Gebiet maleriſcher Darſtellung
vorhanden iſt. In der Behandlung des rein ſtoff-
lichen Milieus iſt Grotemeyer ſehr glücklich geweſen,
nicht ganz ſo vortheilhaft wirkt die perſpektiviſche
Raumvertheilung.

Die Plazirung der einzelnen Bilder iſt nicht in
allen Abtheilungen eine gleich vortheilhafte. Aller-
dings ließ ſich bei der Fülle der eingeſandten Werke
ein einheitliches Prinzip nicht durchführen. In den
kleinen Kabinetten erſcheinen aber durchwegs zu viel
Werke plazirt, und manche Bilder ſind dadurch in
die unerwünſchte Lage des „Todtgehängtwerdens“
gekommen. Sehr vortheilhaft wirken in der Raum-
geſtaltung die Münchener und Berliner Abtheilungen,
auch die Wiener Kunſt präſentirt ſich vornehm und
geſchmackvoll, zudem man hier für ſog. „Bepräſen-
tationsbilder“ genügend Sorge getragen hat.

Max Harrach.

S

Grosse
Berliner Runstausstellung looꝛ.
*

s war vorauszuſehen, daß die Anfang Mai er-

öffnete große Kunſtausſtellung durch die Konkurrenz

in dieſem Jahre nicht eine Eliteausſtellung ſein
werde. An Umfang ſteht ſie den früheren Veranſtaltungen,
die von den Gegnern mit nicht eben wohlwollender
Charakteriſirung „Kunſtmärkte“ genannt wurden, trotzdem
nicht nach. Auch iſt der internationale Charakter durch
eine größere Anzahl Werke des Auslandes erkennbar. Die
Majorität in den meiſten Sälen bilden offenbar die Berliner
kKünſtler, und das würde ein ſehr erfreuliches Zeichen der
heimiſchen Produktion ſein, wenn nicht auch ſo viele ſchwache
und konventionelle Leiſtungen dieſer Majorität angehörten.
Andererſeits ſieht man vereinzelt ſelbſt Proben der extremen
Uunſtrichtungen, zumal aus München und Dresden, die
jeder Sezeſſionsausſtellung zur „Zierde“ gereichen würden,
was ja wohl als Beweis dafür gelten kann, daß man hier
keineswegs ſo rigoros wie auf der andern Seite iſt. Nicht
wenige hervorragende Werke ſind von früheren Aus-
ſtellungen in München, Dresden oder von Ed. Schulte ıc.
ſchon bekannt, 3. B. die koloriſtiſch eigenartigen Arbeiter-
bilder von Morbelli-Mailand, die weich modellirte
Diana⸗Halbfigur von B. Schuſter-Woldan, die arktiſchen
Landſchaften mit Eisbären von R. Erieſe, die famoſen

Thierbilder von Kappſtein, und das nimmt ihnen für uns
jedenfalls den Reiz der Neuheit.

Don den beiden Sonderausſtellungen dieſes Jahres gilt
nur die eine einem bevorzugten Künftler, dem Kaffeler
Akademiedirektor Louis Kolitz. Die zweite hat die
„Freie vereinigung der Graphiker“, der auch be-
kannte auswärtige Mitglieder angehören, veranſtaltet, und
man muß zugeſtehen, daß ihre ca. 90 Vummern umfaſſende
Sammlung treffliche reizvolle Arbeiten in Badirung, Litho-
graphie, Holzſchnitt und Zeichnung enthält. Was den
Raum mit den Bildern von Uolitz betrifft, ſo muß man
ſich erſt in dieſe ſeltſame, harte, ſchwarz-weiße Koloriſtik
hineingewöhnen, um den an ſich ſehr fleißigen Sachen ge-
recht zu werden. Ich meinerſeits muß freilich bekennen —
ſo ſehr mir auch die Vielſeitigkeit eines Künſtlers imponirt,
der im Porträt, in der Landſchaft, im Genre, im Hiſtorien-
bilde ſich bewährt hat, am erfolgreichſten im Bildnißfach,
wo er energiſch zu charakteriſiren weiß —, daß für mich
ſein ſeltſamer Farbengeſchmack, ſeine brutal harte Malweiſe
etwas Unerfreuliches, Fatales hat.

Für Senſationswerke iſt die gegenwärtige Veran-
ſtaltung ſo unergiebig wie nur möglich, und das diesmalige
Fehlen der ſog. „Clous“, für Manche zugleich ein Beweis
des mangelnden Intereſſes, ſchadet dem künſtleriſchen
Niveau des Ganzen gar nichts. Vielleicht darf Benlliure
y Gils Bieſenleinwand „Das Thal von Joſaphat am Tage
des jüngſten Gerichts“ allein ausgenommen werden. Es
iſt ſicherlich auch eine maleriſche Heldenleiſtung, eine ſolche
Fläche ſo wirkſam zu beherrſchen, in dem geheimnißvollen
Halbdunkel eine Armee emporſchwebender oder zuſammen-
geballter, ſtark erregter Menſchen gliedern und durchbilden
zu können. Das kleine Lichtkreuz hoch oben, die einzige
Lichtquelle der Szene, erſetzt hier die übliche Geſtalt des
Weltenrichters. Inmitten der Frommen und Heiligen der
linken Seite tritt der hagere, rothgekleidete Dante neben
Beatrix plaſtiſcher als die übrigen Erſcheinungen hervor.
Dieſem ſpaniſchen Werke, das nicht ohne Dorläufer iſt, da
es an manche figurenreiche ältere Viſionsſzenen erinnert,
möchte ich eine deutſche Leiſtung gegenüberſtellen, die große
Kreuzigung altniederländiſchen Stils, die Ernſt Pfann-
ſchmidt für eine Berliner Kirche auf römiſchem Boden
gemalt hat, alſo in Wahrheit nur eine Stilübung großen Um-
fangs, der das Verdienſt des Fleißes freilich im hohen
Maaße gebührt.

Im erſten Hauptfache erregen auch drei italieniſche
Arbeiten lebhaftes Intereſſe: Gaetano Previatis
hellbrauner „Tanz der Stunden“, wegen der Eleganz der
Zeichnung und des duftigen Lichteffekts, der ſich mit den
zarten Formen in einem Binge ſchwebender Mädchen-
geſtalten verbindet, ferner Sartorellis GOenedig) wunder-
ſam elegiſch geſtimmte „Abenddämmerung“, in der drei
menſchliche Weſen am Waldesſaume ſanft träumen, und
Pio Joris „Gründonnerſtag in Rom“, eine prachtvolle
Kirchen⸗Interieursſzene, in der leuchtendes Roth den Grund-
ton angiebt und die vom Licht umſtrahlten Figuren vollendet
gemalt ſind. Einem andern herrlich gemalten, koloriſtiſch
überaus reizvollen Interieur bin ich auch in einem der
Nebenſäle begegnet: C. Feudels „Saal im Palazzo Pitti,
Florenz.“ Uebrigens, da ich das religiöſe Gebiet vorauf-
nehme, möchte ich hier auch noch des „Guten Hirten“ vom
Grafen F. Harrach gedenken, einer Leinwand, die in der
detaillirten Schilderung einer hell beleuchteten felſigen Ein-
öde mindeſtens ebenſoviel Liebe bekundet, wie ſie dieſer
 
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