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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 10
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Dworaczek, Wilhelm: Wiener Kunstbrief
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Wiener Kunstbrief
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Holländischer Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0176

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Vr. 10

lebendig werden. Lichtenfels galt vor zwei Dezennien als
ein ſehr geſchätzter Landſchafter. Er blieb aber ganz in
der ſchweren, klebrigen Malweiſe der vierziger Jahre
ſtecken. Minutiöſe Genauigkeit im Detail und dekorative
Landſchaft im Motiv — das Ganze wohl tüchtig in der
Zeichnung, ſauber in der Durchführung — aber ſchwer und
ölig in der Farbe, mit ſattem Braun verſetzt und recht
einförmig im Vorwurf, der meiſt die romantiſche groß,
aber ſtiliſirt angelegte Landſchaft bevorzugte. Ungleich
lebendiger und durchaus modern berührt Eugen Jettel.
Er war Schüler der Wiener Akademie unter Zimmermann
und übte ſchon dazumal einen ſtarken Einfluß auf faſt alle
jüngeren Kollegen und zum Theil ſogar in ſpäteren
Jahren auf ſeinen Lehrmeiſter aus. Er beſaß einen
ſuggeſtiven Kraft- und einen ſtark ausgeprägten Naturſinn.
Später, in Paris, wuchs er im Verlauf von etwa 25 Jahren
wenig über ſeine urſprüngliche Begabung hinaus. Es iſt
ſchade, daß er auf dem Weg, den er ſo ſicher beſchritten,
nicht weiterſtrebend ein ganz Großer geworden iſt. Aber
eine durchaus künſtleriſch angelegte und aufs feinſte durch-
gebildete Individualität ſpricht aus jedem ſeiner hinter-
laſſenen Werke. Er hat manches von Pettenkofer gelernt
und aufgenommen. Auch von Anderen. Aber mit ſelbſt-
bewußtem Geſchick und mit glücklichſter Verarbeitung durch
ſeine eigene Perſönlichkeit. Alle ſeine hier ausgeſtellten
Bilder wirken einheitlich, ſehr fein in der Stimmung —
kräftig und unbefangen in der Auffaſſung, voll reifem
können und ſicherer Beherrſchung des Techniſchen. Man
mag nur bedauern, daß es ihm dei Lebzeiten nicht recht
gelungen iſt, ſo eigentlich populär zu werden, denn er war
ſtets ein Künſtler von ſympathiſchen, ja theilweiſe glän-
zenden Qualitäten.
* *

Im erſten Stock des Künſtlerhauſes hat der Aqua-
relliſten-Hlub eine reichhaltige und zum Theil ſehr feine
Ausſtellung veranſtaltet. Ueber das Einzelne iſt wenig zu
ſagen. Die Wiener Künſtler zeigen viel Tüchtiges und
Reſpektables. Beſondere Erwähnung verdienen vortreff-
liche Landſchaften von Tomec, Charlemont, Darnaut, Em.
Fechter, Ribarz, Geller, Zoff, Brunner, Hlavacek, Franz
und Bobert Ruß, Louis Uhl u. A. Ein neues Calent,
Hilda Kotanpvi, tritt mit einem großen Bild „Publikum
beim Schwurgericht“ recht glücklich auf den Plan. Es
ſteckt Fleiß und Idee, feines Gefühl für maleriſche Stim-
mung in der ſehr tüchtigen Arbeit, die nur im Format
vergriffen ſcheint. Von Ausländern ſind ein paar Worps-
weder, Moderſohn, Hans von Ende und Gverbeck, ſowie
ein paar Franzoſen und Belgier, der im Kolorit überaus
feine und wirkungsſichere Hagemans (Brüſſeh, ferner die
Radierer L. v. Muyden, Godin, Ey'Chume Boulet de
Mouvel, Eug. Delätre, Dieillard u. A. beſonders zu
nennen.

Im Salon Pisko haben „s Künſtlerinnen und ihre
Gäſte“ wie im Dorjahre auch diesmal eine Separataus-
ſtellung veranſtaltet. Die weibliche Künſtlerſchaft, der
ganz ungerechtfertigter Weiſe der Zutritt zu den anderen
Wiener Künſtlervereinigungen verwehrt iſt — leider macht
hiervon auch der eben auf den Plan getretene „Hagen-
bund“ keine Ausnahme —, haben ſich hier abermals ſelbſt-
ſtändig zur Geltung zu bringen verſucht. Und mit vollem
Gelingen. Wenn man die Landſchaften, Porträts und
Studien dieſer Expoſition eingehend betrachtet, muß man

2

dem Geiſt und der künſtleriſchen Energie der malenden
Damen volle Bewunderung zollen. Manche von ihnen
ſteht mit dem beſten unſerer Landſchafter in gleicher Linie,
und Tina Blau — die leider diesmal fehlt — oder
Olga wiſinger-Florian, die abermals quantitativ und
qualitativ an der Spitze ſchreitet, dürfen den Vergleich mit
unſeren erſten Künſtlern in Bezug auf Kraft, Vatur-
wahrheit und Ehrlichkeit der techniſchen Durchbildung
getroſt aufnehmen. Olga wiſinger iſt in den letzten
Jahren ſtetig gewachſen, und heute zählen ihre prächtigen
Landſchaften und Stillleben zu den beſten Stücken jeder
Ausſtellung. Sehr hübſche Landſchaften haben auch Marie
Egner, Bertha v. Tarnéczy und Leo Littrow aus-
geſtellt. Tüchtige Gelporträts und Studien finden wir von
Suſanne Granitſch, H. v. Friedlaender, M. Müller, E.
Munk, M. v. Eſchenburg und J. Swoboda, während Herm.
Lankota, E. v. Münchhauſen, C. Gobl, F. v. Uoch, *
Filtſch, M. Chaloupek u. A. mit guten, zum Cheil ſehr
flotten Arbeiten verſchiedenen Genres vertreten ſind. Ch.
F. Ries hat die einzige Plaſtik der Ausſtellung, eine
hübſche anmuthig empfundene Kindermaske, ausgeſtellt.
Die Expoſition der Wiener Künſtlerinnen und ihrer Gäſte,
die als eine alljährlich wiederkehrende gedacht iſt, hat ſich
bereits als ſehr beachtenswerther Faktor im Wiener Kunft-
leben erwieſen. Wenn die ünſtlerinnen fortfahren, ſich ſo
energiſch durchzuſetzen, wird wohl die Zeit nicht mehr
ferne ſein, wo die Künſtlervereinigungen mit dem ganz
unzeitgemäßen Vorurtheil, welches die Damen von der
Mitgliedſchaft ausſchließt, werden brechen müſſen. Zeit
dazu wäre es — und am „Hagenbund“ wäre es geweſen,
den Anfang zu machen.
Paul Wwilhelm.

2
Folläncliſcher Briel,

Amſterdam, Anfang Februar.

aſt befinden wir uns in der Hochfluth der Ge-
mälde⸗Ausſtellungen. Im Haag zieht noch
immer die Mesdag-Sammlung (50 Stück) in
Pulchri Studio ein ſehr diſtinguirtes Publikum an. Ein
künſtleriſches Ereigniß wäre eine Uollektiv-Ausſtellung
dieſes Meiſters der See par exoellence, der majeſtätiſchen
See in all ihrem erhabenen Glanze, in ihrer Milde und
Ruhe, ſturmgepeitſcht und von ſchwerem, finſterem Gewölk
bedeckt oder von der goldenen Sonne beſchienen Aber
voher die in aller Welt verſtreuten köſtlichen Schätze hier
zuſammen holen? Und dennoch wäre es höchſt intereſſant,
den Werdegang dieſes eminenten Künſtlers, der erſt im
Alter von 35 Jahren zur Palette gegriffen, aus ſeinen
werken zu verfolgen und zu beurtheilen. wer die See
mit ihren Frenden und Leiden, ihrem geheimnißvollen
Zauber nicht kennt, — er gehe zu Meiſter Mesdag, — er
wird ihn lehren das Meer mit ſeinem Leben und Weben
und was ſich an ſeinem Strand abſpielt, zu verſtehen und
zu begreifen, aber auch den vollen großen Werth dieſes
genialen Künſtlers ſelbſt zu ermeſſen. 2
Hier in Amſterdam war der Magnet die Aus-
ſtellung Breitners in den Sälen von Arti. Iſt Mesdag,
der Dichter in Farben der See mit ihren unendlichen
 
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