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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 5
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Frankfurter Kunstbrief
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Imhof, Franz: Berliner Kunstschau
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Berliner Ruystsehaa.

Von Franz Imhof.

8 er es noch nicht glauben mag, daß das Kampf-
geſchrei in der Kunſt definitiv ein Ende ge-
nommen, gehe ins Künſtlerkaus. Fünf
Berliner Klubs, die bisher getrennt in den verſchiedenen
kunſtſalons ausgeſtellt haben, wo damals mehr die Tendenz
als die Qualität des Kunſtwerkes zählte, hauſen jetzt fried-
lich bei- und durcheinander, ähnlich den Fasces der römiſchen
Liktoren, um das Bild zu gebrauchen, das F. Jüttner als
Dignette des Katalogs vielſagend benutzte. Friede iſt in
der That ein ſchönes Wort für die heiligen Hallen der
Kunſt; nur ſoll er bei Leibe nicht, wie hier, die Ruhe des
Kirchhofes ſein. Schade dann um ſo viel Mühe, Talent,
Kraft, wie ſie immer von Veuem verwendet werden.
Freilich iſt jeder dieſer Klubs früher ſchon weit intereſſanter
gekommen. Die Leiſtungen der Herrſchaften haben ſich
dieſes Mal merkwürdig nivellirt, als wollte ſich Niemand
ſehr vordrängen. Und mehr als brav läßt ſich der Durch-
ſchnitt wirklich nicht nennen. Selbſt die augenfälligſte
Leinwand des Hauptſaales, A. Kampf's großes Arbeiter-
bild mit einigen prächtigen, kalbnackten modernen Zyklopen
die vor dem Puddelofen eine rothglühende Eiſenbarre am
Boden hinzerren, fordert in einem Punkte die Kritif ſchwer
heraus. Dieſe hellen, muskelſtrotzenden Leiber ſind im
Atelierlicht, nicht im Rauch und in der Gluth einer Eiſen-
hütte gemalt. Das entſchieden reifſte Werk des Saales
iſt vielmehr E. Bracht's hügelige Herbſtlandſchaft mit den
leuchtenden gelben und braunen Tönen üppigen Baum-
laubs. V. Freudemanns „Letzter Schnee“, der auf den
Dächern der Häuschen einer Kleinſtadt ſchmilzt, iſt eine
maleriſch feine Leinwand. Bei W. Hamachers Seeſtücken
fängt der Grüne Seife-Ton nachgerade an, koloriſtiſche
Manier zu werden. Mar Schlichtings lebensgroßes Frei-
lichtporträt einer jungen Dame in Hellroſa und Lichtgelb
nimmt ſich, bei dem geringen Aufwand von Geiſt ſolcher
Art Malerei, gar zu anſpruchsvoll aus. G. L. Meyn
bietet das Porträt einer alten Dame mit ganz verwittertem
Geſicht, W. Feldmann eine größere ſtimmungsvolle Land-
ſchaft, „Abend am Haidebach“, F. Skarbina einen friderizia-
niſchen Gardiſten als Wachtpoſten im Freien, Hans Herr-
mann einen „Blumenmarkt in KBotterdam“, der helltönig
und ſtark paſtos gemalt iſt. Eine farbige Steinradirung
von R. Schulte im Hofe übt den vollen Stimmungs—-
reiz einer Malerei aus. Von anderen Arbeiten des Haupt-
ſaales beſchränke ich mich darauf, die Urheber zu nennen:
g. Dettmann, O. H. Engel, H Kranſe, H. Looſchen, A. Nor-
mann, G. Meng-Crimmis, H. Pigulla, Mar Uth, Hugo
Vogel, K. Wendel, R. Poſſin.
Im zweiten Baume heißt eine Bilderdreizahl von
K. Langhammer: „Die Havel“, die ſich durch eine grüne
Wieſe ſchlängelt, und zwar „bei Sonnenſchein“ lieblich wie
ein Bächlein, „bei Mondſchein“ zauberhaft glänzend, „im
Sturm und Begen“ wie ein graues Ungeheuer. Der
künſtler hat, wie die famoſe Wirkung in allen drei Fällen
beweiſt, ſeine Abſicht völlig erreicht. Einige energiſch ge-
malte Landſchaften der Brachtſchüler Kayfer - Eichberg,
Achtenhagen, Karl Wendel kommen in dieſem kleinen
Saale gut zur Geltung. Der folgende Raum enthält u. A.
Landſchaften von Lejeune und Pigulla, ein feſt gemaltes
Herrenporträt von Meng-Crimmis, einen hübſchen Mädchen-

akt von O. Marcus, eine Holländiſche Straße von Poſſin.
Dann folgt in den beiden Hinterräumen eine Sammlung
von Aquarellen und Zeichnungen, die Manches von Belang
bieten. Max Fritz, „Am Gafenplatz“, iſt nicht nur
zeichneriſch vortrefflich, ſondern ſo fein im Con, wie nur
ein wirkliches chef d’oeuvre in Waſſerfarben ſein kann.
Bemerkenswertheſind außerdem die Aquarelle von Freude-
mann, Uth und Ernſt Hausmann, deſſen „Alter Hof“ und
„Spukhaus“ köſtliche maleriſche Studien repräſentiren.
Franz Jüttners „Kaffee-klatſch“ iſt eine geſchickt ſtiliſirte
Alte Jungfern-Szene aus der Biedermeierzeit. Schließlich
ſei bemerkt, daß F. Müller-Münſter der Keihe ſeiner
Landsknechtbilder ein neues Stück hinzugefügt hat, die
Halbfigur eines blutjungen, harmloſen Kriegers, an deſſen
Seite ſich der Knochenmann geſchlichen hat; der grimmige
Ausdruck des „Todes“ wirkt als Kontraſt packend.

* *
*

Im Uunſtſalon Wertheim ſind einige Berliner und


einigt, die weder die ſchöne, noch die intereſſante Natur
geſucht haben, ſondern die Wahrkeit irgend einer gewöhn-
lichen Gegend der Heimath, eines trivialen Naturaus-
ſchnitts. Bald iſt es die nüchterne Szenerie, bald die
durch atmoſphäriſche Zuſtände, kräftige Wolkenbildungen
u. dgl. gehobene Wirklichkeit, die uns einerſeits die Münchener
Fritz Baer, Franz Gräſſel, Franz Hoch, Bichard Pießſch,
aͤndererſeits die Berliner Ernſt Boche, Hans Licht, Hans
Looſchen bieten. Wenn auch in der Sammlung von Land-
ſchaften Fritz Baers Einzelnes recht ſummariſch zuſammen-
geſtrichen erſcheint, iſt er doch meiſt wahr und echt im Ton
feiner ſchlichten Naturſzenen, man hat das Gefühl, einer
wirklich geſunden, ausgiebigen Begabung gegenüberzuſtehen,
die über kurz oder lang erfreulich ausreifen wird. Einem
farbigen Naturalismus huldigt Franz Hoch, während
R. Pietzſch durch harte, derb-nüchterne Wiedergabe des
landſchaftlichen Details ziemlich reizlos wirkt. Die kleine
Sammlung von Bildern des Berliners Hans Licht ent-
faltet maleriſche Reize und kräftige Stimmungen, ohne
gerade durch irgend etwas hervorzuragen. Feinere Stim-
mungsbilder geben Hans Looſchen (Sommernacht) und
Ernſt Boche. Das Beſte ſind dieſes Mal zwei Malereien
von O. H. Engel, der kräftiges Kolorit und ſerieuſe
Stimmung nach Art gewiſſer Norweger oder Dänen ver-
einigt: „Im Armenhaus“ und „Bei Sonnenuntergang“
zeigen außerdem gut beobachtete Typen alter Leute. Sonſt
beſchränkt ſich das Figürliche hier noch auf zwei jugend-
liche Köpfe des Münchener Porträtiſten Walther Thor
und ein nahezu lebensgroß, doch delikat gemaltes Liebes-
paar, das ſich im Grünen küßt, von Angelo dal Oca-
Bianca, Verona.

Im Lichthofe des Aunſtgewerbemuſeums hat der Bild-
hauer Hermann Obriſt, der in München als einer der
Erſten die neuzeitliche Bewegung der angewandten Kunft
mitgeſchaffen, eine Sammlung von mandcherlei plaſtiſchen
Arbeiten ausgeſtellt. Obriſt iſt damit wieder, nachdem
ſeine dekorative Begabung und Griginalität ſich zuerſt be-
ſonders in Entwürfen für Tapiſſerien deutlich ausgeſprochen,
auf ſein eigentliches Gebiet zurückgekommen. Außer einigen
Büſten von auffällig herber formaler Behandlung ſind es
modelle und Abgüſſe von Brunnen und Grabmälern,
die in nicht geringer Zahl zur Schau geſtellt ſind. Für
 
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