Die Kunst-Halle — 7.1901/1902
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0322
DOI Heft:
Nr. 18
DOI Artikel:Gustav, Leopold: Münchener Kunstschau
DOI Artikel:Aus den Berliner Museen
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0322
Ur. 18
Elle, zumeiſt Nordſeelandſchaften darſtellend. Sie ſind
friſch geſehen und zum Theil mit routinemäßiger Sicherheit
hingeſtrichen. Ernſt Dargen, auch ein Aquarelliſt, bringt
faſt ein halbes Hundert Bilder alter Städte und alterthüm-
licher Winkel. Der Künſtler weiß den romantiſchen Stim-
-mungsgehalt, der in dem alten Gemäuer ruht, voll auszu-
ſchöpfen und den Koloxismus ſeiner Aquarelle ſehr warm-
tonig zu geſtalten. Alexander von Wagner zeigt eine
ungariſche Heuernte, die uns ſchon anderswo begegnet iſt.
Das Gchſengeſpann iſt ungemein plaſtiſch herausgearbeitet
und ſehr lebendig in der Bewegung. Stimmungsvoll iſt
das Teld gemalt, auch das feine Blau des Himmels. Iſt
das Bild durch ſein Format nur für eine Gallerie ver-
wendbar, ſo hätte es in einem etwas verminderten Maaß-
ſtabe auch an Intenſivität der Wirkung gewonnen. Jules
Potoin, ein nomo novus, erfreut durch flotten, wage-
muthigen Kolorismus und mindert den Eindruck durch
Sachen wieder herab, die nur aufs Herblüffen angelegt
ſcheinen; zu letzteren gehören u. a. das derbgeſtricheſte
Figurenbild und der ſchimmlige Käſe; dagegen ſind die
beiden Marinen mit nicht gewöhnlicher Kraft hingelegt.
Auguſt Haiduk, den wir vor einigen Monaten durch ein
feintöniges, flottgemaltes Bild als eleganten Porträtiſten
kennen lernten, zeigt diesmal das lebensvolle Bildniß eines
jungen Diplomaten und ein großzügig gefaßtes Selbſt-
porträt von packender Charakteriſtik. Johanna Schaefer
bringt recht liebenswürdig gemalte Märchenbildchen, deren
Dorzug in dem ſchlichten, ungekünſtelten Empfinden beſteht,
das aus ihnen ſpricht. Von den Landſchaften nenne ich
die etwas ſchwermüthig gehaltenen Bilder von Arthur
Mendel, der trotz eines fatten Kolorismus doch auch
Dämmertönen gerecht wird. Heinrich Beder bringt eine
kleine Landſchaft in Regenſtimmung und ein Schneewetter,
in dem er die weichen Flöckchen ungemein luftig zu geben
weiß; Chelius zeigt ein ſehr ſonnig gehaltenes Frühüngs-
bild, auch Gogarten und Karl Otto Braun ſind angemeſfen
vertreten. Heinrich Schönchen hat ein Paſtellporträt aus-
geſtellt, ungezwungen in der Haltung, wirkt das Herren-
bildniß recht lebensfriſch.
Bei ſehr günſtiger Aufſtellung zeigt ſich die Sommer-
ausſtellung des Salons Heinemann ſehr reſpektabel. Eine
große Anzahl guter Münchener Meiſter, wie Lenbach, Stuck,
Max, Grützner, Canal, Wenglein und Palmis, ſind mit
guten, aber uns bekannten Arbeiten vertreten. Gyſis'
Kinderbildniſſe zeigen uns nochmals des Meiſters Blick für
die Kinderſeele. Die liebenswürdigen Bildchen Spitzwegs
ſprechen von jenem beſchaulichen, innigen Humor, den wir
nicht mehr beſitzen, der uns aber gerade darum ſo herzlich
anmuthet. Fr. Voltzs Kühe laſſen uns die prächtige Katur-
beobachtung trotz der „braunen Sauce“ bewundern, wobei
noch die intime Zeichnung des Baumſchlages zu erwähnen
iſt. — In Ribots anlegendem Jäger intereſſirt uns die
luftige Tönung der Farben, ebenſo wie der weichabge-
ſtimmte Holorismus von Munkacſys Kinderbild.
Auch Fleiſchmanns Kunſtſalon bietet eine Kollektion
älterer und neuerer Gemälde von künſtleriſchem Werthe,
die den Beſuch zu einem angenehmen machen.
Leopold Guſtav.
4
Aus den Berliner Muleen.
Neuerwerbungen 1901.
ach den eben veröffentlichten amtlichen Berichten
aus den königlichen Kunſtſammlungen wurden
im letzten Vierteljahr 1901 u. A. folgende Er-
werbungen gemacht: Sammlung der Skulp-
turen und Gipsabgüſſe. . Antike Sklupturen.
des 6, Jahrhunderts. Dargeſtellt war ein Mädchen in
etwa 23 Lebensgröße; erhalten iſt der Kopf und die linke
Hand mit einer Blume. 2. Bildwerke der chriſtlichen
Epoche. Käuflich erworben wurden die folgenden Bild-
werke: 1. Eine in Holz geſchnitzte Reliefplatte von Tilmann
Riemenſchneider: Chriſtus als Gärtner mit Maria Mag-
dalena. Ein Theil des Hochaltars der Pfarrkirche von
Münnerſtadt, dex im Jahre 1490 dem würzburger Meiſter
in Auftrag gegeben wurde, hat dieſes Relief als beglaubigte
früheſte Arbeit des Meiſters heſondere hiſtoriſche Bedeutung.
Müt einem anderen, von den Altarflügeln ſtammenden
Nelief und der großen Statue der Magdalena aus dem
Mittelſchrein kam die Platte aus dem Schloſſe Mainberg
Sattlerfche Sammlungſ in Berlin zur Berſteigerung
2. Ein aus Süditalien ſtammendes Marmorrelief mit der
Madonna in Halbfigur, eine Arbeit des 14. Jahrhunderts.
3. Ein angeblich aus Südfrankreich ſtammendes, monu-
mental dekoratives Steinrelief des 12. Jahrhunderts.
Dargeſtellt iſt der thronende Chriſtus in ganzer Figur und
die Evangeliſtenſymbole in den vier Ecken der rechtwinke-
ligen Platte. Auf der Kückſeite iſt dieſelbe Darſtellung
flüchtig angelegt. 4. Die Statuette einer weiblichen Figur
in vergoldetem und bemaltem Holz, eine höchſt reizvolle
Arbeit der nordfranzöſiſchen Gothik aus dem Ende des
15. Jahrhunderts. Dargeſtellt iſt darin vermuthlich eine
Jungfrau aus der Folge der klugen und thörichten Zung-
frauen. 5. Eine größere Elfenbeinplatte mit der Dar-
ſtellung des unbärtigen Chriſtus und der Evangeliſten-
ſymbole, ein beſonders bedeutendes Stück karolingifcher
Kunſt. 6. Ein Elfenbeinrelief mit dem Kruzifixus, Marta
und Johannes, einer intereſſanten, wohl rheinifchen Arbeit
aus dem 11. Jahrhundert. — Die folgenden Bildwerke
kamen als Geſchenke von Gönnern, die nicht genannt zu
ſein wünſchen, in die Sammlung: ı. Ein Flachrelief mit
der Darſtellung der Grablegung Chriſti in bemaltem Holz,
eine lombardiſche Arbeit aus der Mitte des 16. Jahrh.
2. Ein kleiner Kruzifixus aus Bronze, rheiniſch, aus dem
12. Jahrh. mit der Inſchrift: „WMolfraſ mus Per f Ju-
sit Me / Facere“. 3. Ein kleines Keliquiar in ſpät-
gothiſcher Bronzefaſſung mit einem Perlmutterrelief, das
den hl. Georg darſtellt und auf der Rückſeite gravirt die
hl. Margarethe zeigt, rheiniſch, vom Ende des 15. Jahr-
hunderts. — Nationalgallerie. Angekauft wurden in
der Zeit vom ı. April bis 31. Dezember 1901 die Gemälde:
„Bildniß X- Begas' d. Aelt.“ von Pommerencke,
„Bildniß des Architekturmalers Haeger“ von B. von
Marées, ſieben Bilder, dekorative Malereien, von
M. Klinger und „Freiwillige Jäger 1813“ von B. Haug,
letzteres im Austauſch gegen das im vorigen Jahr er-
worbene Gemälde „Kampf im Kornfeld“ von demſelben
Künſtler; die Bildwerke: „Statuette K. H. Leſſings“,
Bronze, von G. Blaeſer, „Viktoria“, Marmorbüſte von
Chr. D. Rauch, und „Trinkendes Mädchen“ von E. Wenck;
die Handzeichnungen: „Der Zug der Könige“, Feder, von.
J. A. Koch, „Mittelitalieniſche Landſchaft“, Bötel, von
F. v. Glivier, „Kaſtanienhain“, Feder, von K. Fohr, „Das
Kolloſſeum“, Feder, Waſſerfarben, von F. Horny, „Heu-
ernte im Gebirge“, Paſtell, von Ferd. Andri und „Santa
Magdalena in Rom“, Waſſerfarben, von H. Hermanns,
ſowie eine Anzahl von Entwürfen und Illuſtrationen von
K. Schwerdgeburth, K. Barth, Th. Rehbenitz, J. Schnorr
von Carolsfeld, J. Thürmer, Th. Th. Heine, Fr. Jüttner,
A. Münzer, Ang Jank, P. Rieth, M. Felobauer, R. M.
Eichler und X. Hanſen. Hr. M. Levy in Berlin ſchenkte
das Gemälde „Alte Frau, ſtrickend“ GBildniß der Mutter
des verſtorbenen Künſtlers) von L. Eyſen, die Beckerſchen
Hinterbliebenen das Biloniß Ed. Magnus von A. Becker,
und H. Herkomer ſein Emaillebildniß des Präſidenten der
kgl. Akademie der Künſte, Heh. Regierungsraths Profeſſer
Ende. Als Geſchenk der Wittwe des Oberſtlieutenants
Dr. M. Jähns erhielt die Nationalgallerie aus deffen-
Nachlaß die getuſchte Zeichnung „Szene aus der Schlacht
von St. Privdt“ von G. Bleibtreu, Aus dem Nachlaß
des Komponiſten Profeſſor v. Herzogenbers wurde die
Bleiſtiftzeichnung „Einführung dex Künſte durch das
Chriſtenthum“ von Ph. Deit überwieſen.
2