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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 4
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Semper, Hans: Die Plastik auf d. Intern. Kunstausstellung in München, [2]
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Eine wichtige Rechtsfrage
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Imhof, Franz: Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0068

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innert in ihrer Trockenheit der Auffaſſung an die
Dänen, während Alfred Drury von London unter
den Titeln „Das Alter der Unſchuld“ und „Griſelda“
fein empfundene und belebte Mädchenbüſten in
Bronze voll zarten Beizes ausgeſtellt hat.

Einige Werke ſchottiſcher Plaſtik machen ſich
durch eine gewiſſe maleriſch-unruhige, zum Cheil
ſtizzenhafte Behandlung bemerklich, ſo die Gypsbüſte
eines bartloſen Paſtors mit gefurchten Wangen und
langem Haar von A. Shannan -Macfarldne von
Glasgow, ſowie die Bronzebüſte des Georges Reid
von Niacgillivray Hittendrich von Edinburg, ſowie
die Büſte einer Miß Ottilie von demſelben Tünſtler.
Während dieſe bei maleriſch⸗-derber Behandlung einen
etwas brutalen oder hochmüthigen Ausdruck offen-
bart, ſo zeigt dagegen die Bronzebüſte „Elfchen“
deſſelben Künſtlers ein ſehr anmuthig weiches, nied-
lich gerundetes Köpfchen, das von langen Baaren
traulich umſchattet iſt.

Die Franzoſen ſind ſo viel wie gar nicht ver-
treten. Immerhin zieht Carl Milles von Paris
durch den karrikirt naturaliſtiſchen Symbolismus
einiger ausgeſtellten Werke die Aufmerkfamkeit auf
ſich, wenn auch nicht in erfreulicher Weiſe. Er
ſchildert das Elend des Proletariats in aphoriſtiſch
hieroglyphiſcher Weiſe, im Gegenſatz zu Meunier,
der jenes hexoiſch plaſtiſch verklärt. — Die Gyps-
gruppe „WWährend des Strikes“ zeigt in verſchwom-
mener, ſchattenhafter Modellirung die zuſammenge-
drückte Gruppe einer mit ihrem Kinde verhungernden
Mutter, während ſein „Kampf ums Dafein“ von
drei Figuren nur den Obertheil des Rumpfes mit
Köpfen und Armen bringt; ein Mann in der Mitte
ſtreckt den Arm vor, nach etwas haſchend, indem er
gleichzeitig mit dem anderen Arm ein Weib neben
ſich umfaßt; ein zweiter Mann auf der anderen
Seite packt den ausgeſtreckten Arm und ſucht ihn
gewaltſam zurückzureißen. Die knöchernen Kopftypen
lehnen ſich an Meunier an. — Außerdem iſt nur
noch ein Tableau von Plaketten von Erojanowsky in
Paris zu erwähnen, welche Porträtköpfe in Vorder-
anſicht und Profil in großer, breiter, lebendiger Be-
handlung, unter Vermeidung kleinlicher Einzelnheiten,
in Folge deſſen aber theilweiſe allzu hart vorführen.
Ferner zierliche, aber manirirt langgezogene Bronze-
ſtatuetten von Tänzerinnen u. dergl. von Agathon
Leonard und Dille Vallgren, welche dem modernſten
Geſchmack entgegenkommen und jedenfalls durch ihre
vorzügliche Ausführung anſprechen.

S
Eine wichtige Gechtsfrage.

aften die Eiſenbahnen für Werke der

bildenden Kunſtd Nach S50 B Ziffer 2 der

Eiſenbahn⸗Verkehrs⸗Ordnung iſt die Beförderung

von Kunſtgegenſtänden mit der Bahn nur unter
beſtimmten Bedingungen geſtattet. Die Nichtbeachtung
dieſer Vorſchriften ſchließt von vornherein, bei Eintritt von
Beſchädigungen des Frachtgutes jeden Schadenerſatz⸗Anſpruch
gegen die Eiſenbahn aus. — Ein ſolcher Fall unterlag vor
einiger Zeit der Entſcheidung des Oberlandsgerichts München.
Ein Künſtler hatte Denkmal-Gipsſtudien“ — ſo hatte er
im Frachtbrief geſchrieben — mit der Bahn verſandt und
verlangte, da ſie beim Transport beſchädigt reſp. zertrümmert
worden waren, Erſatz vom Fiskus auf dem Wege der
Klage. Das Gericht trat zuerſt in die Prüfung der Frage
ein, ob es ſich hier um „Kunſtgegenſtände“ im Sinne des
S 50 B 2 der Verkehrsordnung handle, was zu bejahen

war; denn unter „Kunſtgegenſtänden“, ſo meinte der
Gerichtshof, ſeien Werke der bildenden Kunſt zu verſtehen,
welchen durch eine künſtleriſche Geſtaltung —- im Gegenſatz
zur handwerks- oder fabrikmäßigen — ein beſonders hoher,
das gewögnliche Maaß überſteſgender Werth innewohnt.
Füx die Verſendung bon Uunſtgegenſtänden gelten aber,
außer den allgemeinen, noch befondere Beſtimmungen, denen
gemäß die Kunſtgegenſtände als ſolche im Fracht-
brief ausdrücklich bezeichnet werden müſſen; werden
Hegenſtände dieſer Art unter unrichtiger oder ungenauer
Bezeichnung aufgegeben, oder werden die für diefe Gegen-
ſtände vorgeſchriebenen Sicherheitsmaßregeln von dem Ab-
ſender unterlaſſen, ſo iſt, nach S 89 der Eifenbahn-Derkehrs-
ordnung die Haftpflicht der Eiſenbahn auf Grund des
Frachtvertrages ausgeſchloſſen. Eine Bezeichnung wie
Denkmal-Gipsſtudien“ entſpreche nicht den Erforderniſſen
des S 50 der Verkehrsordnung, denn es nicht richtig, daß
eine jede, dieſe Bezeichnung tragende Sache gewiſſermaßen
als Gattung unter den Begriff „Koftbarkeit“ odel „Kunſt-
gegenſtand falle. So wenig jedes Oelgemälde - gemäß
einer Reichsgerichts⸗Entſchéidung — elnen künſtleriſchen
Werth habe, ſo wenig müßten Denkmal-Gipsſtudien
künſtleriſchen Werth beſihen, es komme auf den verfertiger
— ob Anfaͤnger und Laie oder Künſtler — und auf den
Grad der Ausführung an, um beurtheilen zu können, ob
etwas gänzlich Unfertiges, für die Kunft Werthloſes, oder
ein Kunſtwerk vorliege; der Ausdruck „Studie“ deute


etwas zu ſchaffen, hin, ohne das geſagt ſei, ob dieſer Der-
ſuch zu etwas als Kunſtgegenſtand Fertigem geführt habe,
oder ob das Schaffen eben im Verſuchsſtudiſm geblieben
ſei und eine künſtleriſche Geſtaltung noch nicht herporgebracht
habe. Die Bezeichnung „Denkmalsſtudie! allein könne daher
auf den unſtwerth des Gegenſtandes nicht ſchließen laſſen,
und ſelbſt wenn eine ſolche Bezeichnung für derarlige
kunſtgegenſtaͤnde handelsüblich waͤre, ſo könnte damit noch
nicht die Vorſchrift des $ 50 der Eiſenbahn⸗Verkehrsordnuns
mit ihren Folgen beſeitigt werden. Im S 89 der Derkehrs-
ordnung fei jede Haftung des Frachtführers aus dem
Frachtpertrage, auch im Falle böslicher Handlungsweiſe,
ausgeſchloſſen. — Der Kläger mußte daher mit ſeinem
Schadenserſatzanſpruch koſtenpflichtig abgewieſen werden.



5
Berlinper Kaunstschaa,

Von Franz Imhof.

ei Ed. Schulte, in deſſen Bäumen man ge-

wohnt war, eine ausgeglichene, wenn auch

nicht immer urſprüngliche Kunſt im Ueberge-
wicht zu finden, hat neuerdings die Unruhe, die gewöhnlich
aus der Ungleichartigkeit der Arbeiten reſultirt, einen be-
ſonders akuten Charakter angenommen. Herr Schulte
ſcheint mir da einem gewiſſen Theile der Berliner Kritik
mehr als gerade nöthig entgegenzukommen. Jene Kritif -
hält den Maler Leſſer Ury für einen großen Künſtler,
weil er nicht auf den „ausgetretenen“ Wegen derer, die
etwas gründlich können, wandelt, ſondern mit einem be-
ſcheidenen Maaß von techniſcher Fähigkeit an große Dinge
geht, die an ſich gewiß nicht übel ſind. Darum gilt Herr
Ury manchen Leuten als intereſſante Perſönlichkeit; und
darum eben glaubte Herr Schulte die Werke dieſer inter-
eſſanten Perſönlichkeit dieſes Mal in den Hordergrund
ſeines Salons ſtellen zu dürfen. Aber er hätte dann das
virtuoſe Frauenbildniß von Sargent nicht in die Nähe der
Porträts von Leſſer Ury rücken ſollen. In dem Bilde
einer jungen Dame (Frau G.) iſt jede Linie verzeichnet,
der Ausdruck kümmerlich, verzerrt. Mehr gelungen er-
ſcheint ein Generalsporträt. Herr Ury war nach den
 
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