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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 24
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Marasse, Margarete: Am Hofe der Gonzaga, [3]
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Rücklin, R.: Karlsruhe: Dekoratives von der Jubiläumskunstausstellung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0425

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Vr. 24


der ſich hingeſtreckt zur Ruhe“. Da ihn nun Dirgil
beſcheiden um Angabe des Weges bittet, ſteht er
nicht Rede, ſondern fragt nach dem Lande der
Herkunft:

„und als Virgil nur angefanzen

„Mantua“ — ſtand der ernſte Schatten auf,

Der ſtill erſt der Betrachtung nachgehangen,

Und ſprach: „O Mantuas Sohn, ich bin Sordell

Aus Deiner Stadt“, und hielten ſich umfangen.“

Den gleichen glühenden Patriotismus empfand
der verbannte Sänger des göttlichen Gedichts, wie
die leidenſchaftliche Liebe für das ſchöne Vaterland
noch heute zur Grundanſchauung des normalen
Italieners gehört. Zur Veredlung der Art, zur
Hebung, Entwicklung der glücklichen Anlagen einer
Raſſe mit äſthetiſchen Inſtinkten, zur Ueberwindung
verderbenbringender Elemente kann dieſe Vaterlands-
liebe führen, in dieſem nationalen Brennpunkt liegt
die Zukunftsmöglichkeit einer Wiedergeburt, einer
neuen Glanzperiode des ſchaffenden Genies.


%
Karlsruhe;

Dekorafipes von der

Jubiläumskunſtausſtellung.
Von R. Rücklin⸗Pforzheim.

2

on zwei Seiten her iſt die moderne angewandte

Kunft in unſere großen Kunſtausſtellungen
eingedrungen: einmal dadurch, daß ihre
Erzeugniſſe als Ausſtellungsobjekte neben den früher
allein herrſchenden Gemälden und Skulpturen auf-
genommen wurden, und zweitens dadurch, daß man
eingeſehen hat, eine Kunſtausſtellung dürfe nicht nur
zum Studiren und Kaufen, ſondern müſfe auch zum
Henießen da ſein; und daß man im Verfolg dieſes
Gedanken daran ging, die äußere Seite diefer Aus-
ſtellungen, den Rahmen alſo, der um die auszu-
ſtellenden Obiekte zu ſchaffen war, ſeinerſeits als ſelöſt-
ſtändiges Kunſtwerk, als einen würdigen Gegenſtand
dekorativer Kunſtübung zu behandeln. Selten wird
eine moderne Uunſtausſtellung dieſer letztgenannten
Forderung in ſo hohem und erquicklichem Maaße
gerecht geworden ſein, als dies bei der gegenwärtig
geöffneten Karlsruher Jubiläumsausſtellung der Sall
iſt. Man wird hier zwar ſo müde wie anderswo,
bis man in ernſtem und angeſpanntem Schauen ihre
31 Bäume durchſchritten haf. Aber man wird doch
wenigſtens mit Genuß müde. Und man trägt doch
nicht nur Einzeleindrücke von beſtimmten Uunſt-
werken mit ſich fert, ſondern man genießt Raum-
ſchöpfungen, die ein harmoniſches Ganzes bilden
und die ſich von der Fülle der daͤrin untergebrachten
Kunſtſchöpfungen nicht auseinanderſprengen laſſen.
Die Ausſtellung iſt auf dem Karlsruher Leſt-
hallenplatz in einem eigens dazu errichteten Gebaͤude
untergebracht. Der Schöpfer dieſes Ausſtellungs-
gebäudes iſt Architekt Profeſſor Ratzel in Karlsruhe,
der damit etwas in ſeiner Art Muſtergültiges ge-

ſchaffen hat. vor allem berühren die künſtleriſche
Ehrlichkeit und maßvolle Einfachheit ſeiner Architektur
im Inneren und Aeußeren des Gebäudes ſympathiſch.
Liemand wird ſich beim erſten Anblick darüber im
Zweifel ſein, daß das ein Putz- und Fachwerkbau iſt,
der, auf beſtimmte Zeit und zu einem beſtimmten
Zweck errichtet, in ſeiner künſtieriſchen Formbildung
dies unbekümmert zugiebt, den Gedanken an Imi-
tation, an die DVortäuſchung einer ſoliden Palaſt-
architektur gar nicht aufkommen läßt, und trotzdem
an Adel der Erſcheinung und Boͤrnehmheit der
ganzen Kompoſition nichts durch ſeine ſchlichte Auf-
richtigkeit einbüßt. Dieſe ruhigen Flächen mit ihrem
weißleuchtenden Anſtrich, dieſe ſparfame und diskrete
Linienornamentik in Gold, dieſe da und dort geſchickt
vertheilten Felder und Füllungen in kräftigem Grau-
blau ergeben zuſammen einen Stimmungsakkord, der
vornehm, leicht und einladend wirkt. Dem feſtlichen
Zwecke der Veranſtaltung Ausdruck zu verleihen,
heben ſich von den Dachflächen des hellen Baues
Lorbeerpyramiden mit ihrem tiefſatten Grün ab. So
iſt von Schmuck und Feſtesprunk nur das Vothwen-
digſte gegeben, dieſes aber mit vollſter Ausnützung
der angeſtrebten Wirkung. Demſelben Prinzip be-
gegnen wir auch im Inneren. Der Anſtrich der
inneren Wandflächen, die farbige Stimmung der
einzelnen Räume iſt mit höchſter künſtleriſcher Sorg-
falt behandelt; aber Alles wirkt nur als Bahmen,
als Hintexgrund, ſtellt ſich beſcheiden in den Dienſt
der angeſtellten Kunſtwerke uud wird dadurch ſelber
zu einem ſolchen. Die freien Wandflächen ſind, bei
der ſparſamen Vertheilung der Gemälde, verhältniß-
mäßig groß, die zierende Ornamentik derſelben die
denkbar einfachſte: Wellenlinien, verſetzte Schachbrett-
muſter, einige Spiralen. Sie ſind meiſt in Bronze
gehalten oder in einem kühlen, tiefen Schieferblau.
Als Kämpferfries ſind in einigen Räumen auch ſehr
wirkungsvoll komponirte Schablonenmuſter gegeben.
So iſt auch im Innern der außen angeſchlagene Ton
einer ſchlichten Materialgerechtigkeit durchaus feſtge-
halten. Etwas reichere Mittel und Wirkungen ſind
in dem großen Kuppelſaal aufgewendet worden,
welcher der Hauptſache nach den Werken Meifter
Segantinis gewidmet iſt. Die Wände ſind hier gelb-
grau beſpannt. Jedes Gemälde hat außerdem noch
einen beſonderen Hintergrund durch eine beſondere
Wandverkleidung von tiefoxydblauem Sammet er-
halten, von dem ſich die zitternde und leuchtende
Farbenglut der Segantini'ſchen Bilder wunderbar
abhebt. — In den übrigen Räumen ſind die Bilder
einfach durch einen gemeinſamen Hintergrund zu-
ſammengehalten, der aus einer Stoffbeſpannung in
wechſelnden Farben beſteht. Da iſt ein Raum mit
tiefrother Beſpannung mit aufſchablonirten Goldor-
namenten. Ein beſonders feingeſtimmter Saal hat
unten eine ſehr tief-graugrüne Beſpannung, während
der obere Theil der Wand ganz hell lehmgrau ge-
ſtrichen iſt. Anderswo iſt wieder ein tief⸗goldbrauner
Ton gewählt. Der einzige Raum, der in ſeiner
Wirkung etwas Unruhiges, nicht ganz Ausgeglichenes
hat, iſt das Leiblkabinett. Hier iſt die Wand mit
einem breitſtreifigen, blaugrün getönten Flechtwerk
verkleidet, — ohne Zweifel ein intereſſanter, aber
doch nicht ganz gelungener Verſuch. Sehr originell,
und friſch und duftig ſieht ein kleiner Raum aus,
deſſen Wände eine Beſpannung aus elfenbeinweißem,
gefältetem Tuch zeigen, während die gewölbte Becke
in ſtarkem Kontraſt dazu einen ſatten, tiefblauen
Anſtrich mit Bronzelinien erhalten hat. Dieſe An-
deutungen über die Mannigfaltigkeit, welche bei der
 
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