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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 5
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Wiener Kunstbrief
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Gustav, Leopold: Münchener Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0087

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ihm. Seine Landſchaften, die auf den Spuren der modernen
impreſſioniſtiſchen Landſchaften gehen, enthalten viel Feines
und Treffliches. Aber der Künſtler hat noch nicht eine
volle perſönliche Note gefunden. Man hat da und dort
den Eindruck, vor Bekanntem zu ſtehen, wenn auch das
durchwegs tüchtige, zum Theil ſogar ſehr reſpektable
techniſche können zur Anerkennung zwingt. Slavicek iſt
in den verſchiedenſten Stimmungen zu Bauſe und allen
weiß er mit großem Geſchick beizukommen. Dazu iſt ſeine
Art eine diskrete, wenn auch nicht gerade durch Originalität
überraſchende, ſo daß Slavicek den beſſeren deutſchen
Landſchaftern wohl an die Seite geſtellt werden darf.

P. W m.

Müänchener Brief.

— er Verein „Phalanx“, welcher, wie ſchon ge-
Z meldet, gegenwärtig ſeine erſte Ausſtellung
S ° abhält, bietet wenig Zuſammenfaſſendes. In
erſter Linie iſt er beſtimmt und berufen, jüngeren Künſtlern
den Weg in die Geffentlichkeit zu bahnen. Iſt es doch
allbekannt, daß verſchiedene Künſtlergruppen und gerade
auch fortſchrittliche, aus allzumenſchlichen Beweggründen
neuen Kräften nur ungern ihre Beihen öffnen. Ein neues
Ausſtellungslokal iſt beſonders für unſer winterliches Kunſt-
leben ſehr zu begrüßen, da man bisher nur auf den Kunſt-
verein und einige wenige Kunſthändler angewieſen war.
Veben Namen, die ſich ſchon in der „Sezeſſion“ bekannt
gemacht haben, finden wir auch einige Neue. So vor allen
taudinsky. Ich geſteke, daß ich verſchiedene Farben-
ſtimmungen ſo nicht in der Natur zu ſehen vermag, allein
der Maler zwingt uns in ſeinen Bann. Seine Motive ſind
zahlreich, von der keck hingeſpachtelten Landſchaftsſtudie
bis zu romantiſirenden Burgausblicken. Wenn er ein ödes
Stück Ackerboden malt, so macht er daraus eine Farben-
orgie. Er weiß den Schnee feintonig zu geben, manchmal
liegt's wie Emaille auf ſeinen Bildern. Er ſcheut ſich
nicht, in ſeinem Kolorismus bis zum Uebertriebenen zu
gehen, ſein Licht erſcheint manchmal in ſeiner Intenſität
unwahr. Doch muß man ſagen, daß dieſer Farbenkünſtler
mit eigenen Augen in die Natur hineinſieht und Dieles
bringt, was uns verheißungsvoll erſcheint. — Von ſtarker
Eigenart ſind auch die Schneeaquarelle von A. Salzmann.
In der großen Beobachtung der Bewegung und des Aus-
drucks ſeiner Perſonen geht der Künſtler manchmal bis zum
Grotesken. Bolf Niczky, der den Kopf einer raſſigen
Schönheit mit wenigen Strichen auf den Karton geworfen,
zeigt ſich als Zeichner von ſicherem Blick. Havek bringt
eine Wieſenſtudie und Kühe im Waſſer mit der bekannten
maleriſchen Werthung der Atmoſphäre. Ich habe übrigens
ſchon ausgeglichenere Sachen von dem talentvollen Zügel-
ſchüler geſehen. Stern hat ſchon in der Sezeſſion ſich als
koloriſtiſcher Draufgänger von Beobachtung gezeigt, der
freilich noch gerne mit ſeiner Technik brillirt. Franz Hoch
iſt mit ſeinen feintonigen, wolkenſchweren, ſchwermüthigen
Landſchaften vertreten, ähnlich Piepho mit einem melan-
choliſch-reizvollen Bachufer. Eine beachtenswerthe Korn-
ernte iſt von Segul; Ernſt Dargens Aquarelle zeigen
architektoniſch reizpolle Stadtwinkel maleriſch und luftig
geſehen. Durch Kichard Kellerhaas hohe Baumſtämme
fluthet das Licht des klaren Himmels; auch der weibliche

Akt iſt ſehr friſch und ehrlich gemacht. Leo Meſſer zeigt
auf einer Wieſe die dahingegoſſene Geſtalt eines Mädchens.
Eine warm empfundene idylliſche Szenerie — Dorf, Wald-
hügel, Bach, Wieſe — in dem Wäſſerchen ſpiegeln ſich
etwas kräftig die abendlich gerötheten Wölkchen des ſonſt.
blauen Himmels. Hielleicht friſcher und unmittelbarer
wirkt ſein Hundebild. Sachettos „Voſeneck in Frankfurt
a. M.“ iſt zeichneriſch famos. Wie die maleriſchen Reize
dieſes Altſtadtwinkels ſo weich und warm allein mit dem
Stift herausgearbeitet ſind, iſt bewunderungswürdig. Eine
„Kartoffelblüthe“ von L. Uemmer iſt ſehr fein im Ton.
Der Künſtler ſcheint von den Schotten viel gelernt zu
haben.

In der Plaſtik begegnen wir hauptſächlich zwei jungen
Bildhauern, Hecker und Hüsgen, die ſich jüngſt zu einer
Uunſtſchule zuſammengethan haben. Sowohl in dem
Chriſtuskopf, bei dem Hecker individuell zu geſtalten ver-
mag, obwohl er von der Tradition nicht abweicht, wie in
ſeinem Zarathuſtra zeigt er ſtarkes plaſtiſches Vermögen.
Hüsgen bringt die „Scharfrichter“Masken (von dem be-
kannten Münchener Künftlerbrettl). Seine Sähigfeit,
ſcharf zu charakteriſiren, tritt beſonders in der Maske Frank
Wedekinds hervor. In ſeinen Phantaſieköpfen bekundet er
ſchöpferiſche Einbildungskraft, bisweilen Humor, oft Neigung
zum Grotesken. Das Vorzüglichſte leiſtet er in der Porträt-
büſte Marya Delvardo, der Diſeuſe des genannten Ueber-
brettls. Der ſtumpfe und doch wieder tiefe Sphinxblick, die
herblinigen und doch wieder ſenſitiven Züge dieſes Bäthſel-
geſchöpfes ſind hier ohne Karrikatur feſtgehalten. Artavals
Porträtbüſte hat bei Donatello gelernt.

*

von der „I. Ausſtellung für Kunſt im Handwerk“, die
in einem Flügel des alten Nationalmuſeums ſtattfand, ſoll
hier auch einiges geſagt werden. Der katalog ſchildert die
großen Schwierigkeiten, unter denen die Expoſition zu
Stande kam, weil man im Glaspalaſt dem Kunſtgewerbe
„unannehmbare Bedingungen“ machte. Nebenbei bemerkt:
daß die einſtigen Räume der angewandten Kunft im Glas-
palaſte ſich in ihrer jetzigen Verwendung als eine Art von
Todtenkammer hübſch ausnehmen, kann füglich nicht be-
hauptet werden. Man glaubte das Jahr nicht ohne
künſtleriſche Lebenszeichen verſtreichen laſſen zu ſollen, ob-
wohl es von vornherein klar war, daß man mit den übrigen
deutſchen Ausſtellungen nicht zu konkurriren vermochte, zu-
mal „Hunſt im Handwerk“ in dieſem Sommer in Dresden
eine ihre Kräfte ſtark anſpannende Leiſtung brachte. Es
iſt alſo in der Hauptſache nur ein Rückblick auf das, was
„Uunſt im Handwerk“ ſeit 1897 geleiſtet hat; beſonders
ſind Pankok, Bichard Riemerſchmid und Bruno Paul ver-
treten. Riemerſchmid will ſeine bis 1899 reichenden
wohnungseinrichtungen nicht mehr künſtleriſch vor der
Geffentlichkeit vertreten; wenn die Ausſtellung derſelben
doch erfolgte, ſo geſchah dies einerſeits faute de mieus,
andererſeits, um die Derfolgung der Riemerſchmid'ſchen Ent-
wicklung zu ermöglichen. Der Künſtler erſcheint in dem
Ausgeſtellten manchmal recht nüchtern; die Einfachheit hat
er beibehalten, aber er iſt inzwiſchen graziöſer und freier
geworden. Man findet im Allgemeinen manches Gute; im
Ganzen fällt die Ausſtellung nach keiner Seite ſonderlich
auf; Erzentriſchem wird man allerdings wenig begegnen,
aber man wird manchen Anklang an die nüchterne Mitte
des 19. Jahrhunderts wahrnehmen.
 
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