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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 21
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Pudor, Heinrich: Nordische Kunstausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0372

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Yr 24

ragende ſchwediſche Ausſtellung geſehen zu haben,
wird ſeine Kenntniſſe von der nordiſchen Aunſt in
Urefeld in ſehr willkommener Weiſe bereichern Fönnen.
Denn der intereſſanteſte Theil dieſer Krefelder Aus-
ſtellung iſt unzweifelhaft der kunſtgewerbliche. Hier
nämlich lernt man Manches kennen, was einem bisher
entgangen war oder was nicht genügend ſich be-
merkbar gemacht hatte. Aörſtrand, die Kgl. Dä-
niſche Porzellanmanufaktur, Bing und Groendahl,
dieſe drei größten nordiſchen Porzellanmanufakturen
— Guſtafsberg fehlt auffälliger Weiſe in Krxefeld
gänzlich — kann man ja heute, wenn nicht in Turin
oder in Paris, in den größeren kunſtgewerblichen
Verkaufshäuſern kennen lernen. Eine neue Bekannt-
ſchaft aber iſt es, die wir z. B. mit den keramiſchen
Arbeiten Andreas Schneiders in Chriſtiania machen:
er hat eine Beihe farbig glaͤſirter Thonyaſen von
bemerkenswerther Griginalität und vorzüglicher tech-
niſcher Ausführung ausgeſtellt, desgleichen Tiſch-
geſchirr aus grün glaſirtem, das ſehr reizvoll wirkt.
Auch die Erzeugniſfe von Egerſunds Fayencenfabrik
waren uns noch unbekannt; ſoweit ſie im Charakter
der Rookwood-Vaſen gehalten ſind, ſind ſie allerdings
nicht von beſonderem Werte, ſtehen auch techniſch
hinter dieſen zurück; eigenartig ſind dagegen die
Fayencevaſen in einem ſtumpfen Schwarz.

Ebenfalls ſehr intereſſant ſind die Metallarbeiten
aus Mogens Ballins Werkſtatt, die, zuerſt durch Ver-
öffentlichungen in L'Art decoratit allgemeiner befannt
wurden. Die Entwürfe rühren theils von M. Ballin,
theils von Siegfr. Wagner her. Das angewandte
Material iſt Silber für die Schmuckgegenſtände,
Bronze, Meſſing und Zinn für Beleuchtungskörper,
Spiegel und Vaſen. Theils ſind Pflanzenornamente,
theils nordiſche lineare Ornamente vexwendet. Die
Arbeiten haben ſämmtlich etwas ſehr Kräftiges und
Gediegenes an ſich; der Charakter des Materials
fommt zu vorzüglicher Geltung. Dieſe nordiſche
Uunſt iſt wohl die einzige, die ſich vom japaniſchen
Einfluß frei gehalten hat und ihre Selbſtſtändigkeit
bewahrt hat. Stellenweiſe wird dem Deutſchen oder
gar dem Franzoſen dieſe Eigenart der nordiſchen
Kunft nicht ſympaͤthiſch fein, aber gerade kunſthiſto-
riſch zählt diejenige Kunſt, die etwas Eigenes zu ſagen
hat, in erſter Linie.

Auch die norwegiſche Teppichweberei iſt bei uns
in weiteren Kreiſen bekannt geworden. Hier in Kre-
feld ſind eine ganze Reihe beſonders vorzüglicher Ar-
beiten von „Det norske Billedväverei“, Chriſtiania,
ausgeſtellt, nach Zeichnungen und unter der Leitung
von Frida Hanſen ausgeführt, deren Arbeiten in
Turin leider nur als Dekorationsſtoffe für die kera-
miſchen Arbeiten St. Lerches dienten. Es ſind Wand-
teppiche, Thürvorhänge und Fußteppiche, die be-
ſonders nach der Seite der Farbengebung ſehr ſym-
pathiſch wirken. Durchgängig ſind lebhafte, lichte
Farben verwendet, vorzugsweiſe blaugrau und blau-
Zrün; nur mit einander verwaͤndte Farhen ſind bei
einer und derſelben Arbeit verwendet. Die Pflanzen-
ornamente ſind von der wilden Boſe, dem Haidekraut,
der Hundeblume, der Anemone etc. entlehnt. Man
muß allerdings geſtehen, daß dieſe Arbeiten dem Cha-
rakier nach mehr ſchwediſch als norwegiſch anmuthen;
ausgeſprochen norwegiſch wirken die hier nicht ver-
tretenen Wandteppichee Ingeborg Arbos oder Ger-
hard Munthes (den norske Husflidsforening).

Auch vortreffliche Buchbinderarheiten ſind ausge-
ſtellt, ſowohl von B. M. Befſum, Chriſtiania, wie be-
fonders von dem Verein für Buchhandwerk in Hopen-
hagen, D. L. Clement, J. L. Flyge, Anker Kvſter in

Kopenhagen. Derhältnißmäßig werden in den ſkan-
dinaviſchen Ländern auf dem Gebiete der Buchaus-
ſtattung unzweifelhaft höhere Anſprüche erhoben, als
bei uns. Leider iſt Finland — Helſingfors leiſtet für
ſich allein auf dieſem Gebiete Staunenswerthes —
in Krefeld gar nicht vertreten. Von ganz Finland
haben nach Urefeld nur ſechs Künſtler, einſchließlich
der angewandten Kunſt, Werke geſchickt. Von einem
„Ueberblick über die nordiſche Kunſt“ kann unter
ſolchen Umſtänden nicht die Bede ſein. Wenn es
nicht möglich war, Gemälde von Axel Gallén, Albert
Edelfeldt etc. zu erlangen, hätte man zum mindeſten
ſich die klaſſiſchen Handzeichnungen Edelfeldts zu
Fänrik Stahls Sänger, wenn auch nur in Nachbil-
dungen, verſchaffen ſollen. Und warum fehlt die
ganze finiſche Plaſtik, auch die Kleinplaſtik: warum
fehlt ville Vallgren? Aber immerhin iſt das inter-
eſſanteſte Bild der ganzen Ausſtellung ein finiſches:
Waſſerfall im Winter von Viktor Weſterholm m
Helſingfors — ein Bild von bedeutender Farben-
wirkung und außerordentlicher Stimmungskraft, das
die furchtbare, ſchmerzende Einſamkeit der finiſchen
Natur getreu wiedergiebt.

In der däniſchen Abtheilung iſt das intereſſanteſte
Bild „Die heimkehrenden Fiſcher“ von Michael Ancher,
einer von der Malerkolonie auf Skagen, der nörd-
lichſten Spitze Jütlands; es iſt übrigens ein bekanntes,
aber eines der beſten Bilder dieſes däniſchen Fiſcher-
malers par exellence. Der größte däniſche Maler,
eine der intereſſanteſten Künſtlerindividualitäten unſerer
Zeit, Peter Severin Krover, iſt leider, wie bemerkt,
durch wenig charakteriſtiſche und wenig bemerkens-
werthe Arbeiten vertreten. Das Letztere gilt auch von
Chriſtian Sahrtman. Herold Zlott-Moöller hat ein
ſehr liebenswürdiges Gelgemälde „Primavera“ ge-
ſchickt: ein junges Paar nimmt auf einer Terraſſe
mit dem Ausblick in die italieniſche Tandſchaft ein
Dejeuner à la fourchette, er ſtützt ſchwermüthig den
Kopf in die Hand, aber ſie ſprüht von Leben und
reicht ihm das Glas zum Trunke. — Den weichen,
delikaten und duftigen Charakter der däniſchen Natur
und Kunſt zeigen ıms die feinen Gelſkizzen Carl
Martin Soya-Jenſens.

Norwegen iſt durch das bekannte, meiſterhafte
Porträt Ibfens von der Hand Erik Werenſkiolds
verfreten. Fritz Thaulows „Vordiſcher Wintertas“
iſt ein liebenswürdiges und ziemlich charakteriſtiſches
Bild des großen Künſtlers, aber durchaus nicht eines
ſeiner beſtẽn. Eine ganze Sammlung ſeiner Märchen-
ſtimmungen und naluraliſtiſchen Bilder hat Gerhard
Munthe geſchickt, denen man eigenaxtige und cha-
rakteriſtiſch iordiſche Farbeneffekte, naives Empfinden
und Stimmungskraft nicht abſprechen kann, die aber
ſchließlich doch als maleriſche Kunftwerfe im gewöhn-
lichen Sinne des Wortes nicht in Betracht kommen
können.

Was ſchließlich die ſchwediſche Malerei, betrifft,
ſo iſt der große und geniale, aber ziemlich ſtark pa-
riſeriſch beeinfiußte Schwede Anders Zorn durch kein
Hauptwerk, aber immerhin durch zwei liebenswürdige
und charakteriſtiſche Werke vertreten „Mutter“ und
„Kach dem Bade“, die ſeine Eigenart, die in roſigen
Bingen auf die Geſtalt fallenden Sonnenlichter, zeigen.
Carl Larſſon hat außer einer Oelſtizze zu ſeinem
großen Freskogemälde „Schüler halten militäriſchen
Hottesdienſt ein entzückendes, potenzirt nordgermaniſch
wirkendes Gelgemäide „Siebzehn Jahre“ und em
feines duftiges Aquarell „Die Alten” ausgeſtellt.
Aber auch der herbe und ſtrenge Grundzug des ſkan-
dinaviſchen Nordens kommt bei einer Reihe von hier
 
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