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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 19
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Imhof, Franz: Grosse Berliner Kunstausstellung 1902, [2]
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Lr. 19


der klaſſiſchen Zeit der Kunft, z. B. an van Dycks Kardinal
Bentivoglio, tilgen. Die Fürſtin Lwoff-Parlaghy hat der
Geſtalt des Kanzlers Grafen Bülow ein bürgerliches,
ſchlichtes Gepräge gegeben, ohne indeß einer feineren Pſy-
chologie zuzuſtreben. Zu den beſten Herrenporträts der
Ausſtellung gehört ſonſt etwa noch eine Leinwand von
Bennewitz von Loefen; der vollbeleuchtete Kopf mit dem
nachdenklich weichen Ausdruck ruht hier im Profil auf dem
geſtützten linken Arm. Einen ähnlich ſenſitiven Ausdruck
hat John Philipp (Eamburg) in dem Porträt ſeines
Bruders geſchaffen; leider beginnt die abblätternde Malerei
eine Ruine zu werden. An dem weich modellirten Kopf
des Geigers Florian Zajic von Johanna Engel iſt es
wohl mehr die weibliche Kraftloſigkeit der Malweiſe, die
jenen Zug des Geſichts hervorbrachte und ſo den Eindruck
des friſchen Lebens ſchwächte. Die ſummariſche Art, mit
der ein Moderner wie Fritz Erler, München, die Charakter-
köpfe von G. Hauptmann und Aapellmeiſter Strauß hin-
ſtrich, bringt höchſtens phyſiognomiſche Studien zu Wege,
die ganz gewiß nicht ohne Beiz ſind; aber bis zur Höhe
eines Kunſtwerkes ſind beide Werke nicht gereift. Walter
Thors Köpfe zeigen ebenfalls Eigenthümliches in der
Technik, aber dem künſtleriſchen Werthe hat es nicht Ab-
bruch gethan. Eine feine virtuoſe Leiſtung iſt Paſſinis
kleinere Aquarellfigur des Malers Exzellenz von Harrach.
Walter Peterſens im röthlichen Lichte gemaltes Knieſtück
des Geigers Sauret bringt es zu äußerlichem Effekte.
Jedenfalls liegt hier der Schwerpunkt dieſer Kunſt-
gattung in den Frauenbildniſſen. Und es iſt eine fernere
Beobachtung, daß in unſerer Epoche ſo kräftiger, erfolg-
reicher Frauenemanzipation nicht etwa der Typus des
geiſtig überlegenen, für ſich voll und ganz einſtehenden
Weibes iſt, der den Maler am meiſten reizte und zu einer
zeitgemäßen, bedeutſamen Darſtellung drängte. Sondern
in den Vordergrund drängt ſich dieſes Mal das nur modern
aufgeputzte menſchliche Weibchen, das ſich zur Helligkeit
der Farben und zur erneuerten Empiremode um ſo lieber
bekennt, als beide ſehr geeignet ſind, die forcirte Schlank-
heit ſeines Gliederbaues aufs Beſte und Deutlichſte zu
heben. So präſentiren ſich z. B. die an ſich recht hübſchen
Bildniſſe der K, Ziegler, Konrad Kiefel und G. L. Meyn,
der den Namen der jugendlichen Sängerin Geraldine Farrar
wie ein Firmenſchild dicht über der ſitzenden Figur ange-
bracht hat. Ein Werk von höchſt geſchmackvoller, formaler
und koloriſtiſcher Zartheit und Durchbildung iſt die eben-
falls in Weiß Atlas) gehüllte, dem Beſchauer abgewandte,
junge Gräfin R. H. vom Grafen Harrach. Wie ſehr jetzt
überhaupt die Maler von Damenbildniſſen das weiße
Koſtim bevorzugen, zeigen mehrere durchweg ſehr geſchickt
ausgeführte Arbeiten u. A. von Guſſow, K. Kieſel, £. Encke,
W. Peterſen. Guſſow, der in einer eigenen Technik in
Thonerdefarben malt, ringt mit dem Düſſeldorfer
W. Peterſen um den Preis, dem vornehmen Frauenbilde
das Gepräge wirklichen Adels und erleſener koſtümlicher
Pracht zu verleihen. Mit in der erſten Reihe der Frauen-
darſteller dieſer Ausſtellung ſtehen, außer Lenbach, der
Florentiner Ed. Gelli mit dem eleganten, erſtaunlich ſorg-
ſam gemalten Porträt der Sängerin Bellincioni. Auch
der Münchener G. Papperitz iſt mit einer effektvoll beleuch-
teten, im Ausdruck liebenswürdigen weiblichen Halbfigur
ehrenvoll zu nennen. Der Engländer Frank Daniell hat
eine als „Diane“ bezeichnete Dame in Schwarz, der
Münchener Bichard Scholz eine Dame in Grün, E. Nelſon

ein in Profil geſtelltes junges Mädchen in Kornblumen-
blau geſandt, die zu den beſſeren Arbeiten dieſer Gattung
gehören. Cairatis (München) „Dame in Boſa“, in der
ſeltſamen Haltung einer Somnambulen, kann den Geſchmack
wohl nur ſehr Weniger befriedigen. Auch die aus einer
Drapirung flott heraustretende ſchlanke Büſte einer Dame
von H. E. Pohle iſt von Manierirtheit nicht völlig frei.
Endlich verdienen die Arbeiten von L. Kolitz, Kaffel, und
Alois Erdtelt, München, Beachtung. —

Wenn das relativ Beſte, was im Bereiche des Männer-
porträts in Berlin neuerdings geſchaffen wurde, der
Fürſtin Lwoff und Prof. Hugo Dogel zu danken iſt, dann
läßt ſich nicht gerade behaupten, daß ſich dieſes Fach bei
uns einer nennenswerthen Blüthe erfreue. Sicherlich iſt
Dogel ein ſchärferer Charakteriſtiker als der verſtorbene
Koner, den man wohl zuletzt etwas überſchätzte; aber er
beſitzt nicht deſſen manuelle Leichtigkeit und friſche Em-
pfänglichkeit, mit welcher Koner wenigſtens dann und
wann das geiſtige Weſen ſeines Modells unmittelbar
packend zur Anſchauung brachte. Die Lücke bleibt alſo
noch fühlbar. Auf dem Gebiete der Landſchafts-
malerei vermochte ſich indeß unſere Berliner Kunſt
neuerdings mehr Geltung zu verſchaffen.

Nichts iſt erfreulicher, als daß die Jugend hierzu er-
heblich beigetragen hat. Einzelne der ſog. Alten beſtehen
daneben mit Ehren. Hans Gudes fein beleuchtete Fjord-
landſchaften, Ernſt Koerners idealiſirte Szenerien und des
verſtorbenen Karl Ludwigs techniſch meiſterhaft durchge-
führte Gebirgsſzenerien ſind den dieſes Mal aus ober-
fränkiſchen Gegenden geſchöpften reizvollen Motiven Albert
Hertels, den virtuos behandelten Mondnächten Douzettes,
den maleriſchen Arbeiten O. Günther-Naumburgs, und
Hoffmann-Fallerslebens anzureihen. Der Letztere liebt es,
kräftig behandelte Motive in größerem Format zu zeigen,
mit denen die Beflexion ein Stück geſchichtlicher Romantik
verwebt, wie es Angeſichts des Bildes „Gpfertiſch in der
Oldenburger Haide“ geſchieht.

Es iſt ſchwer, die Zahl der vorhandenen Landſchaften
nach der gegenſtändlichen Tendenz oder der koloriſtiſchen
Richtung zu gliedern. Ganz entſchieden treten bei uns die
Bilder mit heimathlichen Motiven in den Vordergrund;
theils werden getreue Abbilder einer Gegend geboten, die
durch den Beiz der Beleuchtung oder des tonigen Aus-
drucks eine intime Wirkung, Stimmung verſchiedener Art
erhält, theils ſieht man poetiſirte Schilderungen, gleichſam
maleriſche Dithyramben, etwa auf eine Waldpaͤrthie, in
herbſtlichen Farben komponirt, auf die Leinwand gezaubert.
In erſterer Bichtung erſcheinen von Berlinern beſonders
glücklich: Paul Söborg (Märkiſcher Weiher), Franz Lippiſch
Spreewaldlandſchaft 20.), Mar Fritz (Im letzten Abend-
ſchein), Nicol Bachmann Gerbſt im Chiergarten), Emil
Schwabe (Märkiſcher Waldſee), Karl Holzapfel (Nach dem
Regen), Franz Bombach (Im Gderbruch — Winterſzene),
Müller-Kurzwelly (Frühlingsſtimmung), H. Schnee (Wild-
bach und Harzlandſchaft), B. Paſſig (Haidegegend, Motiv
aus Holſtein), Paul Flickel (Waldinterieurs aus dem Harz)
und Eliſabeth von Eicken.

In der anderen Berliner Gruppe ragt — freilich jetzt
im Saale der Dresdener — Eugen Bracht, der geweſene
Führer einer Gruppe von jungen hieſigen Künſtlern, von
denen mehrere, 3. B. Kapſer-Eichberg, Th. Schinkel,
L. Lejeune, Pigulla, Hans Licht, hier mit anſprechenden
Leiſtungen vertreten ſind, mit zwei ſchon äußerlich auf-
 
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