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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Schmidt, Karl Eugen: Der Salon der "Artistes Franc̨ais", (Schluss) [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0392

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ZZ2

Die Aun st-Halle.

Nr. 22

falschen Henner: Adam und Eva aus dem Paradies
vertrieben, sahnenweiße Menschen in asphaltbrauner
Leiseneinöde; Zules Lefebvre: eine uninteressante Mag-
dalena am Kreuz, dein Heiland, der nur bis zu den
Knieen sichtbar ist, — das einzige Originelle an dem Bilde
— die Füße küssend, und ein sehr hübsches Brustbild,
junges Mädchen in rothem Gewand, darüber herab-
fallendes langes braunes Haar, gelbe Sonnenblumen
in Haar und Hand, koloristisch sehr geschmackvoll und
hübsch; Luc Olivier Merson: eine Verkündigung, Maria
am Lenster eines hinter blühenden Obftbäumen ver-
borgenen Häuschens, der Engel eben durch die Thür
tretend, ein sehr anmuthiges Lrühlingsbild; Bougereau:
ein nacktes Mädchen am Meeresstrande, Glas und
Zucker, und eine Jungfrau mit dem Rinde und einem
Schäfchen, wobei das runde Lormatnoch zu der Täuschung
beiträgt: man möchte schwören, einen großen Porzellan-
teller vor sich zu haben, glat, geleckt und süß bis zum
Uebelwerden, trotz dem unverkennbar sehr großen
Zeichentalent des Malers; endlich Raphael Tolin mit
zwei sehr hübschen und geschmackvollen weiblichen
Phantasiebrustbildern.
Zn der Skulptur sieht es öde aus, nicht nur in
diesem Zahre, sondern immer. Zch wollte, die Bildhauer
fänden endlich einmal ein anderes Thema als ihre ewige
nackte Dame, die einmal Musik, dann Lrankreich, dann
Patrie, dann Lriede, dann Amazone, dann Danae heißt
und sich sonst immer so fürchterlich ähnlich bleibt. Und
gut wäre es auch, wenn man aufhörte, patriotische
und andere Monumente zu bestellen. Der beste und
begabteste Künstler kann aus einem solchen Auftrage
nichts Interessantes machen. Mein Trost im alljährlichen
Meere der Skulptur des großen Salons ist und bleibt
die Thierbildnerei. Hier leisten die französischen Bild-
hauer wirklich Ausgezeichnetes. Damit will ich nicht
sagen, daß sie aus andern Gebieten nicht ebenso hoch
ständen, aber bei ihren Denkmälern und nackten Lrauen
kann man weiter nichts als ihre technische Geschicklich-
keit und ihren unermüdlichen Lleiß bewundern. Bei
ihren Thieren aber freut man sich daran, wie sie in
die Seele des dargestellten Wesens eindringen und durch
die meisterhaft wiedergegebene Oberfläche das innere
Leben durchscheinen lassen. Ganz ausgezeichnet sind in
dieser Beziehung die kleinen Kätzchen von Louis Richs.
Zn Bronze, Lithographenstein und Wachs hat der
Künstler die geschmeidigen Bewegungen des häuslichen
Naubthieres festgehalten und dabei die Materie mit
außerordentlichem Geschick seinen Zwecken dienstbar
gemacht. Georges Gardet, gegenwärtig der bedeutendste
französische Thierbildner, ist mit zwei Arbeiten kleinern
Maßstabes vertreten, wobei die Materie wiederum eine
große Nolle spielt: aus einem gläsernen Wasserspiegel,
bestanden mit Pflanzen aus Onyx, taucht der Ober-
körper eines bronzenen Krokodiles auf, während
auf dem Gestade aus gelbem Lithographenstein eine
aus demselben Material geformte Tigerfamilie den
Leind beobachtet. Seine zweite Arbeit zeigt einen von
silbernen Pferden gezogenen silbernen wagen, auf dem
eine elfenbeinerne Victoria steht. Allerlei Ornamente
dabei sind von Gold. Die Tigerfamilie ist weit interessanter
als dieser Siegeswagen, aber beide Arbeiten stehen nicht
auf der Höhe früherer Werke Gardet's. Besser gefällt
mir das aus der Gnyxfluth auftauchende bronzene
Nilpferd von Valton, das den mit elfenbeinernen Zähnen
besetzten ungeheuren Rachen öffnet, und noch besser ist
die lebensgroße Löwin mit ihren Zungen von demselben.
Sehr hübsch sind die Ackergäule von Tourgenieff.
Von den andern Werken der Skulptur nenne ich:
„Träumerei" von Victor Peter, ein überaus anmuthiges

Ligürchen, das früher schon in Gips gezeigt worden ist
und jetzt definitiv als Marmor wiederkehrt; „Zugend"
von dem Altmeister Thomas, eine sehr hübsche Züng-
lingsgestalt, das Ligürchen Amors lächelnd betrachtend;
sodann die technisch guten, aber langweiligen Monumente
von Laravanniez für den Seehelden Surcouf, von Lremiet
für den amerikanischen Obersten Howard, von Lham-
peil, Desca und einigen andern für die im letzten großen
Krieg Gefallenen, von Ernest Dubois für den rumänischen
Patrioten Bratiano, eine Numania, umgeben von Bratiano
und rumänischen Soldaten, von Paul Ducuing für das
Volkslied von Toulouse, eine Volkssängerin der sanges-
frohen Stadt in einer etwas komisch wirkenden Pose
darstellend, von Richard Kisling für den Schweizer
Helden Benedict Lontana, ein bärtiger starker Mann
vor Schanzkörben, Säbel in der Hand, hergebrachte
Heldenpose, von Pech für den General Zaurss, von
Soules für die Stadt Mont-de-Marsan, eine Dame im
mittelalterlichen Kostüm, sehr wirkungsvoll und tüchtig.
Der Argentinier prurtia hat Rodin's Geiseln von Talais
nachgeahmt mit seinen Sünderinnen, die in der Gesammt-
anordnung, wie in den Einzelbewegungen an die bekannte
Arbeit Rodin's erinnern. Zwei blutdürstige Leute lassen
Menschen von Löwen verzehren, einmal ist es ein
christlicher Märtyrer — wenn man uns doch endlich mit
den christlichen Märtyrern der römischen Kampsspiele
verschonen wollte! — das andere Mal eine moderne
Löwenbraut. Mercis hat eine Grabfigur des Prinzen
Heinrich von Orleans geschaffen: Der Prinz liegt auf
dem Todtenbette, hat den Oberkörper erhoben, um noch
einen Blick auf eine in der Hand gehaltene Karte zu
werfen, finkt aber erschöpft zurück. Eine schöne Brunnen-
anlage ist die Danaidengruppe von Zean Hugues,
Houdain's Drei starke Männer, die einen Hebel nieder-
drücken, war fiüher schon in Gips ausgestellt und sieht
jetzt in Marmor noch besser aus, Hinterseher's Statuette
eines fortschreitenden, die Arme ausbreitenden Zünglings
erinnert sehr an die Bronzefiguren Stuck's, der wahr-
scheinlich der Lehrer Hinterseher's gewesen ist, die
marmorne Schnitterin von Deschamxs ist eine sehr
hübsche, energische und frische Arbeit, die Statuette
des kleinen Mädchens von Brou ist reizend, und
Becquet's graingebeugter, resignirt vor sich hinbrütender
Mann, den er „T'stsruslls vietims" nennt, hat Tharakter
und Tiefe.
von den Zeichnungen und Pastellen verdienen
Erwähnung : das Bildniß der Malerin Delphine Bernard
von Zules Breton, das uns daran erinnert, daß der
greise Maler, der letzte Ueberlebende der großen Schule
von Barbizon, vor einigen Monaten ein Buch über diese
im jugendlichen Alter vor einem halben Jahrhundert
verstorbene Künstlerin veröffentlicht hat, von deren
Werken nichts in die Oeffentlichkeit gedrungen ist; eine
Zeichnung von Henri Martin, vermuthlich eine Skizze
zu seinem oben beschriebenen großen Gemälde, einen
heimkehrenden Schnitter darstellend; drei vorzüglich be-
leuchtete und kräftig charakterisirte Matrosenköpfe von
dem oben schon erwähnten Desirs Lucas, zwei sehr
hübsche Studien nach bretonischen Mädchen von Henri
Guinier und ein gutes männliches Bildniß in Pastell
von pharaon de Winter, dem Leiter der Kunstschule
in Lille. Unter den Griffelkünstlern ragt der in Paris
lebende Engländer Albert Belleroche hervor, dessen
Lithographien technisch bei weitem die interessantesten
Arbeiten in dieser Abtheilung sind, und der in seiner
impressionistischen Art ganz erstaunliche und unerwartete
Wirkungen erreicht. Die besten Griginalradirungen
sind ebenfalls von Ausländern gesandt worden: vor-
treffliche Ansichten aus Holland und Paris von dem
 
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