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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Grosse Berliner Kunstausstellung 1903
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Schmidt, Karl Eugen: Der Salon der "Artistes Franc̨ais", (Schluss) [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0391

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Nr. 22

Die Nun st-Halle.

von Christian Behrens hervorzuheben und zu bewundern
wäre. Gustav Lberlein schuf eine große Bronzegruppe,
wie Gottvater dem Adam den Odem einhaucht.
Weiterhin sieht man von Cuno von Uechtritz einen etwas
konventionellen marmornen Grabengel, von Ferdinand
Hartzer eine seingeistige Porträtbüste des Professors
von Behring, von Arthur Lewin-Funcke die vom Künstler-
hause her bekannte schöne Tänzerin, von H. kV. von
Glümer eine temperamentvoll durchgebildete Gruppe
des mit der Brunhilds ringenden Siegfried, von Otto
Richter die kleine Gruppe einer mit ihren Rindern heim-
kehrenden Frau, vom Abendfrieden sanftselig umfangen.
Aus andern Arbeiten von akademischer Nichtigkeit sticht
der kolossale Michelangelo-Kopf von Hermann volz-
Rarlsruhe gewaltig hervor. Aber, wie gesagt, zu einer
rechten Schauensfreude will und kann man in diesem
Chaos nicht gelangen.
was endlich die Bildwerke des Auslandes anbe-
trifft, so kämen nur die drei Arbeiten des Turiners
Pietro Canonica und die belgische Gruppe des
Näheren in Betracht. Canonica steht auf derselben
Höhe wie im vorigen Jahre, nur nach anderer Richtung
hin, und wiederum erweist er sich als fast einzigartiger
Feinplastiker. So in einen: weiblichen, knieenden Marmor-
torso ohne Ropf und Arme und in einem marmornen
Rinderkopf voll sprühenden Lebens. Interessant ist aber
auch die Bronzebüste einer Bäuerin aus den: Alpenthale
Gressoney, in welcher der Künstler an Eleganz der
Formengebung, an Noblesse der Technik und durch den
feinen Gedanken, das Gesicht nicht zu xatiniren, sondern
helltöniger zu xoliren, seinen großen Vorgängern des
(Quattrocento sich würdig an die Seite stellt. Vor dem
jungen Künstler, der zum ersten Rial in Deutschland
voll gewürdigt wurde, scheint sich eine bedeutende Zu-
kunftsperspektive aufzuthun. Inmitten der belgischen
Skulxturengrupxe, die geschickt in eine Nische eingeordnet
ist, prangt die Bronzefigur eines krummbeinigen und
in seinen Kleidern schlotternden Arbeiters von Constantin
Rkeunier. Gewiß handelt es sich hier um einen
naturalistisch echten Typus, aber die auch Heuer zur
Schau getragene Begeisterung der Sezessionsanbeter
scheint mir weniger echt zu sein, ich kann mich für diese
mittlerweile zum Schema erstarrte Kunst nicht erwärmen
und meine, daß die goldenen Tage Meunier's und
seiner Richtung vorüber seien. Auch den porträt-
plastiker Jules Lagae wollen wir nicht überschätzen,
wie das in Berlin entschieden der Fall ist. Die guten
Leute hier haben so eine Glocke läuten hören, daß
Belgien sich der glänzendsten Bildhauerschule zu be-
rühmen hat, und daher kommt es, daß alles Belgische
als extraordinär gepriesen und angestaunt wird. Sicher-
lich hat Lagae die Gabe, den Lharakterzug eines Menschen
mit den einfachsten Mitteln lebensvoll hervorzukehren
und zum Greifen unmittelbar zu gestalten. Aber dieses
Genie ist ein vorwiegend äußerliches, das Innerste
eines Menschen holt er nur selteu aus jenen Tiefen,
die sich dem wahren Genie erschließen. Das gerade
können wir an dem Porträt Schönleber's kontrolliren.
von der außerordentlichen plastischen Kultur Belgiens
zeugen viel eher die kleinen bronzenen Gildesiguren von
Julian Dillens, welche Nachbildungen von dekorativen
Statuen am Genter Nachhause sind, und ferner die
mystische Figur desselben Meisters, das Schweigen des
Grabes sympolisirend. Hier offenbart sich allerdings
eine Meisterschaft über Form und Gedanken, die sonst
in der Welt nicht häufig zu finden ist. Auch von
Thomas Vinxotte, dessen Stärke im Marmor liegt, sind
drei Arbeiten vorhanden. Eine marmorne Medusa, die
gegen ihre Vorgängerinnen wegen der kleinlichen und

SU

entarteten Note stark abfällt. Dann die Büsten des
belgischen Königspaars. Diejenige des Königs be-
rührt nicht sympathisch, in dem Bildniß der verstorbenen
Königin wohnt aber ein großer und vornehmer Zug,
eben dieses echt belgische Können.
M. Napsilber.
W

Zer 5slon Ser „Mrttt franssk".
von Karl Eugen Schmidt, Haris.

(Schluß.)
as beste Porträt dürfte die van Dyck nachem-
pfundene Dame in weißer Seide mit schwarzem
Spitzenüberhang, begleitet von einem weiß und
schwarz gesteckten Windspiele, von Marcel Baschet sein.
Der Ungar Läszlo, der mit seinen beiden großen Bildern
den größten Raum unter den Porträtisten einnimmt,
gefällt mir Heuer sehr weuig: einmal hat er zwei Damen
und einen Herrn, das andere Mal zwei Herren und
eine Dame in einer offenen Harklandschaft dargestellt;
beide Male wirkt er in Anordnung und Farbengebung
sehr wenig vornehm, und seine Personen sehen so starr
und unbeweglich aus wie vor dem Objektiv des Photo-
graphen. Die früher in Paris ausgestellten Brustbilder
Läszlo's waren weit besser und interessanter als diese
großen Gruppenbilder. Gute Bildnisse sind ferner da
von Gabriel Ferrier, der General Andre; Chartran, der
Präsident Roosevelt und eine Dame in weiß mit großem
schwarzen Hut auf Terrasse in Park; Raphael Schwarz,
Kniestück eines Mannes, sehr energisch und charakteristisch;
Humbert, an englische Vorbilder erinnernd, ein Mädchen
weiß im herbstbunten park, und eine Dame in grau-
weiß mit zwei Kindern in ähnlicher Landschaft; Franoois
Flameng, Damenbildniß als blauweißrothe Symphonie,
etwas theatralisch und konventionell; Frederic Lauth,
Dame in schwarz, milchweißes Fleisch, rothes Haar, ein
falscher Henner: Seymour Thomas, Dame in weiß auf
rothseidnem Divan, dunkelgrüner Grund, sehr distinguirt
und vornehm in der Farbe; Max Kahn, ein vorzüglicher
männlicher Kopf mit klugen und energischen Gesichts-
zügen; Charavel, ein junger Mann in gelbem Fechtkostüm;
Frl. Layrut, Dame in weiß in Parklandschaft nach dem
Recepte Humberts, aber sehr hübsch und geschickt aus-
geführt; Roybet, Mann in schwarz an Tisch sitzend,
wobei auf einen über dem Stuhl hängenden Pelzmantel
und auf einige Metallgegenstände auf dem Tische das
größere Taleut angewendet ist; endlich Bonnat, der die
Schauspielerin Frl. Breval und den Bildhauer Guillaume
in seiner bekannten, etwas zu soliden Manier verewigt
hat. Das Bildniß einer Dame in schwarz mit einem
schwarzen Pudel von Rochegrosse wird den gesunkenen
Ruhm dieses Künstlers nicht erhöhen.
Schließlich noch einige Maler, die in keiner der
obigen Kategorien Platz finden konnten: Bergeret mit
einem sehr hübschen Stillleben; Henry Guinier mit
einer blonden Waldnymphe, rothes Gewand, herbstlicher
Wald, sehr fein im Tonund geschmackvoll arrangiert; Hen-
ner mit einer seiner bekannten milchweißen nackten Nymphen
im dunkeln Wald, durch den man auf ein Stückchen
Himmel hinausschaut, uud mit einer Nonne in schwarz
in Elfenbeingesicht; sein Landsmann Zwiller mit einem
 
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