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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Frankfurt. a. M. Kunstbrief
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Münchner Brief
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Nr. s2

Die Kunst-Halle.

f83

Schräg-München ist eine Serie landschaftlicher Szenerien von
seiner Naturbeobachtung und intimer Auffassung; die Serie
von Kurt Martin zeigt den gegenwärtigen Stand der
Weimaraner Kunst auf dem Gebiet des Aquarells, das in
neuerer Zeit leider nicht mehr jene sorgfältige pflege erfährt
wie noch vor einem Jahrzehnt.
per in es brachte mit einer Kollektivausstellung des
Schweden B r uno L ilj e so rs eine fesselnde Probe der neueren
skandinavischen Kunst. Liljefors ist Maler und Weidmann
zugleich; in der Einsamkeit der nordischen Wälder und Fjorde
verbringt er seine Tage und der Thierxsychologe wird an
diesen Bildern seine besondere Freude haben. Keine röhrenden
Kirsche, äugende Rehe, lockende Auerhähne und was der denk-
baren Requisiten der üblichen „Jagdmalerei" mehr sind:
Liljefors belauscht den Uhu, der zur Nachtzeit mit großen
Flügelfchlägen durch den nordischen Urwald fliegt, die Enten,
die am Abend im Röhricht des Meerufers Deckung suchen,
die Möven und Wildgänse, die am Frühmorgen, da der Pimmel
noch eine zartgelbe Färbung zeigt, ihr Gefieder in den weiß-
schimmernden Wellen netzen. Das Format der Bilder ist
meist recht groß und so ist auch die Technik von einer etwas
dekorativen Art, aber in der koloristischen Wirkung immer
originell und von schlagender Wirkung. — Non dieser Probe
realistischer Kunstübung zu Böcklin's idealer Landschafts-
auffassung ist ein weiter Schritt; die „Ueberfallene Burg am
Neer" — ein Bild im Format von etwa 5 qm stammt aus
dem Jahre ;886 und war eine perle der Penneberggalerie
in Zürich; man athmet ordentlich auf, wenn man nach den
vielen sog. „Böcklin's" mit denen wir in letzten Jahren
regalirt wurden, endlich einer Schöpfung begegnet, aus
welcher uns der hehre Geist dieses wunderbaren Farbenpoeten
wie eine Offenbarung entgegenstrahlt. Olga wiesinger-
Florian ist ihrer alten Art treu geblieben, malt Blumen-
stillleben von pikantem Reiz, Landschaften sBuchenallöe) von
frischer sympathischer Naturwahrheit. Otto Sinding's
„Don Ouichote" ist eine neue Variante des unsterblichen Ritters
ohne Furcht und Tadel, Stuck's „Laster" darf als eine neue
Auflage feiner sattsam wiederholten „Sünde" gelten, während
Lenbachs Köpfe, von Rich. Wagner und Bülow neben ver-
schiedenen Frauen- und Kinderbildnissen, niemals ihre Wirkung
verfehlen.
Die Galerie des Staedel'sch en Museums war noch
vor wenigen Jahren in einer fast mißlichen Lage bezüglich
der Vermehrung und Vervollkommnung der Bilderschätze.
Der Fond Sieser Privatgalerie reichte nicht aus, um die
systematische Vermehrung der Galeriewerke zu ermöglichen.
Der vor einigen Jahren gegründete „Staed el'sch e Museums -
Verein", der der Initiative hiesiger Kunstfreunde seine Ent-
stehung verdankt, hat sich im Laufe der letzten Jahre ganz
außerordentliche Verdienste erworben. Nicht nur, daß vom
Verein Bilderankäufe in recht glücklicher weise bewerkstelligt
wurden, gingen auch außerdem dem Museum reiche Zu-
wendungen an Kunstwerken von Seiten der Vereinsmitglieder
und deren Freunde zu. Erst kürzlich spendete perr L. Gold-
schmidt in Paris neufranzösische Werke, perr I. Schiff
in New-Pork hatte bereits früher durch Proben amerikanischer
Kunst der Galerie Zuwendungen gemacht und eine ganze
Reihe hiesiger Kunstfreunde wäre hier in gleicher weise zu
nennen. Die Kunstfreunde auch anderer Städte thäten wohl
daran, die Gründung einer Vereinigung nach hiesigem Beispiel
in die Wege zu leiten. rr.

Mncliener Zriej.

eber die Berlin-Münchener Freundschaftsküudi-
gungen, die zunächst in den gegenseitigen Aus-
tritten der beiden Sezessionen ihren Ausdruck
fanden, habe ich solange gezögert, ein Wort zu sagen.
Ls heißt ja immer: die Kunstschreiber hätten ein Ver-
gnügen daran, friedfertige Pinselführer gegeneinander
zu Hetzen. Mittlerweile aber fand ich .Gelegenheit,
mich hier mit maßgebenden Persönlichkeiten über diese
bedauerlichen Zustände der jüngsten Zeit auszusprechen.
Die Großen freilich verspüren wenig Lust, in die Arena
des Tages hinabzusteigen; für sie wird überhaupt viel
zu viel geschwätzt, sie preisen Leibl glücklich, der fern
von allem Kunstgeschrei schaffen durfte. Die Saal-
forderungen der Münchener waren zweifellos berechtigt
und die Nervosität der Berliner höchst seltsam. Ich
vermag in alledem nur Symptome tiefergehender Ver-
stimmungen zu sehen. Zweifellos begegnet man hier der
Rivalität Berlins mißgünstig und doch andererseits
verachtungsvoll: Mir sind felsenfest davon über-
zeugt, daß die echte Kunst nur hier gedeihen kann
und lassen uns demungeachtet durch das bekannte
Mort von Münchens Niedergang in dauernde Auf-
regung versetzen. Mir blicken ängstlich Jedem nach,
der eine Berufung erhält, und denen, die des größeren
Kunstmarkts wegen nach Berlin ziehen. Können wir
im Einzelnen nicht mehr leugnen, daß auch in der
Reichshaupstadt für wirkliche Kunst Bedürfniß besteht,
so richten wir unseren Spott mit um so satterem Be-
hagen gegen gewisse mehr patriotische, als künstlerisch
empfundene Erzeugnisse, die uns hier eine unerschöpfliche
(puelle der Belustigung bieten. Indeß gerade als
Freund unserer Münchener Kunst verursacht mir das
forcirte Gelächter, das die nachgerade längst abge-
droschenen Witze über die Berliner Siegesallee hier
überall begleitet, manche Befürchtung. Sagt doch das
Sprüchwort, daß nicht der am längsten und lautesten,
sondern daß der zuletzt Lachende am besten lacht. Und
trotzdem dieses durch nichts getrübte Selbstgefühl
unserer Künstler . . . „Lieber Freund", sagte erst
kürzlich ein sehr angesehener Maler sehr ernsthaft zu
mir, „lassen Sie doch um Gottes willen die Autotypie
meines Bildes hier machen, so was kann man ja nicht
in Berlin." Und er wies schaudernd auf einige
Nummern, die der „Tag" ihm brachte.*)
* *
-r-
Von den Kollektionen des Kun st Vereins dürfen
diesmal in erster Linie eine Reihe Porträts Beachtung
finden. Papperitz' neues Regentenbildniß bringt den
in dem lebensfrischen Greise vorherrschenden Accent
des Liebenswürdig-Gütigen zur Anschauung. Außer-
dem zeigt sich der Künstler wieder als Frauenmaler
par 6xo6ll6uo6. Den Glanz jugendlicher Schönheit und
sublimer Eleganz mit satten, schmeichelnden Farben in
virtuoser Pinselführung darzustellen, das ist seine Freude.
Ganz anders geartet ist der Porträtmaler Meyer-
Lüben, mit dem ihn der Zufall in einer Wochen-
ausstellung vereinigt. Seine Bilder sind sehr gut in
der Zeichnung, ihre meist mattgestimmten Farben sind
nicht ohne Feinfühligkeit gewählt, aber im Ganzen ver-

*) wir geben diese köstlichen Bekenntnisse von Münchener
Seite ohne jeden Kommentar wieder; zudem streifen sie auch nur
den Sachverhalt, ohne auf den Fall „Münchener Kunstgenosfen-
fchaft contra Moabiter Landesausstellungsgebäude" einzugehen.
D. Red.
 
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