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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Gagliardi, Ernesto: Altes und Neues aus Pompeji
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Brosch, L.: Venedig: V. Internat: Kunstausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0317

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Nr. s8

Die A u n st - Ls a l l e.

275

scheinen lassen? Noch mehr wie auf der Akropolis
leuchtet es Jedem in Pompeji ein, daß jenen Völkern
der Schönheitssinn als Naturgabe verliehen war, der
bei uns zum Zeitvertreib, oft zur Pose geworden ist.
Zum Schluß möchte ich noch flüchtig der verdienst-
vollen Arbeits-Dynastien gedenken, denen in drei Ge-
nerationen die delikate Aufgabe der Wiederauferstehungs-
arbeit anvertraut wurde. Die Enkel tragen den sorg-
fältig durchsiebten Schutt in kleinen Körben auf dem
Kopf fort, die Väter gebrauchen einsichtsvoll packe und
Schaufel, die Großväter schieben auf engen Pfaden
beim denkbar größesten Raummangel die kleinen Hand-
karren, in denen man das wegbefördert, was wirklich
untauglich ist, unterstützen hinfällige Wände, wachen
Nachts bei glimmenden Kohlenbecken bei den neuauf-
gedeckten Malereien, leisten allerlei Thürhüter- und
Aufseherdienste. Zn letzter Zeit hat man aus den:
Ertrag des amtlichen Verkaufs von Photographien und
Ansichtskarten eine Pensionskasse errichtet, die am besten
für die Enge der Verhältnisse und den patriarchalischen
Ton dieser eigenartigen Arbeiterkolonie — sie besteht aus
höchstens 200 Mann — zeugt. Ferner ist es eine an-
erkennenswerthe Neuerung, daß man an jedem Gebäude
Zettel mit dem Namen und dem Datum seiner Auf-
deckung angebracht hat. Bei vielen ist der Name einer
fürstlichen Person, die sozusagen bei der Ausgrabung
pathe gestanden hat, hinzugefügt. Dadurch erinnert
das Ganze zuweilen an einen Auszug aus dem Gotha-
ischen Pofkalender, denn die Fürsten zieht es nach
Pompeji, dieser Kraftprobe einer Elementargewalt, wie
gewöhnliche Sterbliche. Für den Besuch Kaiser wilhelm's
war bereits Alles vorbereitet; es sollte eine Art Staats-
aktion werden. Die Wände jenes pauses waren frei-
gelegt, der Schutt reichte nur noch bis zum Sockel der
Säulen. Das Aufsuchen von Mosaiken und sonstigen
Kunstgegenständen, die etwa unter dem Fußboden
liegen, war gleichfalls bis zur Ankunft des Monarchen
aufgeschoben. . . .
Nicht immer gelingt zwar solch ein Erperiment
nach Wunsch, im günstigen Fall jedoch ist es zugleich
eine seltene puldigung für den, unter dessen Augen sich
der erhoffte Erfolg vollzieht.

Venedig:
V. Mernsl. XlmrtsiiLckelllmg.
Von L. Brosch, Venedig.


s ist das fünfte Mal, daß die internationale bil-
dende Kunst sich ein Stelldichein in der Lagunen-
stadt giebt. Für das Ausland sind diese Aus-

stellungen, wie ich an dieser Stelle schon früher betont,
ziemlich belanglos geblieben, pür Italien haben sie die
ersehnten Früchte nicht getragen. paben sie doch zur

Evidenz bewiesen, daß die italienische Kunst des Fort-
schritts in mancher Richtung durchaus ermangelt. Selbst
das Ausland schleppt hier bedenklich nach und im Bereiche
des Inlandes herrscht die Manier und die drohende
Versumpfung. Durch gute Beispiele belehrt, die
neuerdings auch in Deutschland gegeben wurden, hat
das hiesige Konnte sich endlich entschlossen, die Aus-
stellung mit der dekorativen Ausstattung der Räume in
Einklang zu setzen. Der Einklang wurde scheinbar er-
zielt, nämlich um den Preis, daß die Bilder, was frei-
lich für einige derselben ein Glück ist, von der Dekoration
völlig unterdrückt werden.
Der römische Saal, welcher sich gleich links vom
Eintritt öffnet, ist mit Gold überladen; er wiederholt
im Ornament altrömische Muster: Kutten, die Festous
emporhalten, breite, schwülstige Rahmen, schwere Friese,
die Wände von graugrüner, dazu noch in Falten ge-
legter Seide bedeckt und in der Mitte ein Springbrunnen,
worin bronzene Krabben ihr Wesen treiben. Man ist
also über den antikrömischen Stil nicht hinausgekommen.
Eine volle Wand nimmt in dem Saal Sartorio's
Weideplatz ein, worauf Lämmer grasen, bei deren An-
blick man den Eindruck gewinnt, als seien sie ganz von
einer braunen Sauce überschüttet. Jedes Bild ist an
gewisse Raumverhältnisse gebunden und nicht jedes
Sujet darf willkürlich in die Breite und Länge gezogen
werden, wie es mit diesem Weideplatz geschieht. Sehr
schwach im Ausdruck und in der Mache ist auch ein
Damenporträt desselben Malers; gut hingegen einige
seiner Landschaften, besonders „Die Ruinen des Iupiter-
tempels" und die „Albaner pügel", welche einen vollen
Eindruck des Naturbildes gewähren. Seine Thier-
stücke, Kohlezeichnungen, lassen jedoch völlig kalt, trotz
aller Korrektheit des Konturs. Vor eine Nymphe stellt
uns Tosta: der Akt, die Landschaft, nichts hebt sich auf
der Bildfläche deutlich ab. Sonst verdient nur noch
das kräftig getönte Aquarell von Tabianca Erwähnung.
Im süditalienischen Saal nehmen den ersten Platz
die Zeichnungen des verstorbenen Altmeisters Morelli
und des leider irrsinnig gewordenen Gemito ein.
Anter den Skulpturen fällt die ganz vorzüglich gehaltene
Zigeunerin von Ammendola auf: in dieser Bronzeskizze
pulsirt Leben und ist unverschleierte Wahrheit ausge-
drückt. Trantacoste vergewaltigt die Form, er hat
aber doch verstanden, seinem Kain eine starke Empfindung
einzuhauchen. Sehr farbig und duftig sind die kleinen
Sachen Michetti's gemalt, ebenso die hübsch gezeichneten
Landschaften Tchciaro's, an denen auch Nettes im
Farbenfleck vorkommt. Ein wahrer Greuel hingegen
ist das Bild: „Die letzten Tage Morelli's" von Balestieri,
es schmeckt nach Familienblätter-Zllustration; theilnam-
los wird der hinsinkende Greis von drei Figuren um-
geben, falsch beleuchtet, und nüchtern wirkt das Ganze.
Der Majolica-Fries im Toscana-Saal ist, was die
Keramik betrifft, nicht übel geraten; den Bildern darin
kommt aber das Arrangement nicht zu statten. Die
einzige Leinwand, welche sich dem Saale gut einfügt
und dekorative Wirkung erzielt, entstammt De Karoli's
Pinsel: zwei Engel, Posaunen blasend, umschweben eine
nackte Gestalt; im Hintergrund eine pügellandschaft.
Tampriani's Landschaften erinnern stark an Breton
und sind, was die grauen Uebergänge betrifft, richtig
aufgefaßt, wie Signoriui vor etwa 20 Jahren zu
malen pflegte, ist hier nicht uninteressant zu beobachten;
seine Landschaft, obwohl etwas hart im Tone, läßt
einen gewissen Respekt vor der Natur nicht vermissen.
Alles Andere ist kaum erwähnungswerth.
Die Lombardei macht einen pietätlosen Eindruck,
denn noch nie wurden Interieurs so ungeschickt arrangirt.
 
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