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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Gustav, Leopold: Die Ausstellung im Glaspalast 1903, [2]
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Nr. 2^

Die A u n st - D a l l e.

Mncken:
Die Mckellung im tzlarpslsZt 1SVZ.
Von Leopold Gustavs München.

III.
Wir wollen uns setzt den Kollektionen der kleineren
deutschen Künstlergemeinden zuwenden. Ihr Gesammt-
niveau ist ein sehr respektables. Natürlich bieten sie
nicht durchaus Deimatskunst, denn viele Mitglieder sind
dem heimischen Boden ganz entsremdet und kehren nur
als Ausstellende zu ihren Landesgenossen zurück. Schon
äußerlich tritt dies z. B. bei der Gruppe des Frank-
furt-LronbergerKünstlerbundes besonders zu Tage,
wo Gudden und Rob. Doffmann ihre Landschaftsmotive
hauptsächlich aus Spanien bezogen, anscheinend der
Lichteffekte wegen. Auch Klimsch und Brütt gehen,
wenn auch in anderer Weise, Beleuchtungserperimenten
nach. Der letztere malte abermals einen dämmernden
Schwurgerichtssaal, in dem vom eben angezündeten
Kronleuchter markaute Schlaglichter aus den Angeklagten
und das Iustizkollegium fallen. Von nicht minder
flüssiger Malweise ist sein „Christus in Gethsemane"; noch
sublimere Lichttöne findet Brütt in dem prunkvollen
Barockvestibül, auf dessen Treppe ein rothgekleideter
Kirchensürst hinabschreitet. NudolfGudden's „Zigeuner-
straße von Jimena", die für die Pinakothek angekauft
ist, giebt grelle Sonne mit überzeugender Kraft; man
merkt, daß die Leinwand an Ort und Stelle unter dem
ersten starken Eindruck entstanden ist, aber mehr Studie
als fertiges Bild ist. Gudden's „Mann auf der Treppe"
löst ein Problem doppelter Beleuchtung mit spielender
Technik. Lin guter Lichtmaler ist Paul Klinisch,
seine „Kühe im Stall", das plastisch wirkende „Gespann
auf dem Acker" und der „Seehund im Aquarium" sind
mit solch frischer Farbigkeit gesehen, daß sein Blick für
atmosphärische Luftwirkungen dem der Zügelschule nicht
nachsteht. Vornehme Porträtkunst bietet Mttilie Röder-
stein. Schlicht und diskret im Vortrag, liebt sie doch
koloristische Probleme, wo solche harmonisch zu lösen
und den kontemplativen Charakter des Ganzen nicht
alteriren. Max Roßmann und Happ bieten Lfflmats-
kunst; der Lrftere zeigt viel Empfindung für die feinen
Linien anmuthiger Gebirgsthäler, und Jakob Lsapp's
Schwälmer Bauerntypen find von durchaus individuellem
Reiz. Der Künstler ist vor allem ein brillanter Zeichner
und paßt die Derbheit seiner Farben zu den schwerfällig-
nüchternen Gestalten recht gut.
Zum zweiten Male erschien die „S ch l e s w i g-
D o l st e i n i s ch e Kunst genossenschaf t", deren
Werke ihr hiesiges Mitglied Nasch wieder in einem gut
abgestimmteu Raum untergebracht hat. Um von Heinrich
Rasch gleich selbst zu reden, so bietet er eine vorzügliche
Einfahrt vlissinger Fischerboote und ein Bild „Auf der
Elbe". Lsier ist die flüssige Malweise des glitzernden
Flußwassers besonders bemerkenswerth und die Tönung
der Wolken spricht nicht nur von getreuster Natur-
beobachtung, sondern giebt dem Gemälde den Reiz tiefer
Ruhe. Den Urväterhausrath nordfriesischer Bauern-
stuben in feiner echt malerischen Pracht schildert Jessen
mit feinem sicheren pinsel; aber obwohl jede Linie nach-
gebildet, als gälte es ein kulturhistorisches Dokument,
wirkt diese Treue keineswegs trocken, und selbst ohne
Beleuchtungskunststücke erscheint alles farbig, leuchtend
und luftig. Sehr fein in die Umgebung hineingestellt
sind Jakob Albert's Bauernhäuser. Den Dampfer im
Treibeis, den Sonnenuntergang in seinen ersterbenden
Farben darzustellen, verstand wieder in technischer Voll-

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endung Kallmorgen; dann wäre hier Leipold's
Dämmerung und Burrnester's farbenschillernder Wald
zu nennen, D^ns Glde's winterlicher Strand zeigt
ziemlich Abhängigkeit von Monet, die Staffagefiguren
sind von kokettirender Unzulänglichkeit in der Zeichnung.
Stärker individuell weiß Feddersen Schnee und Lis in
dämmernder Beleuchtung zu malen, von den sonstigen
Landschaftern möchte ich noch Claudius, Dittmann und
Conrad Fehr nennen. Die Welt des Genres vertritt
neben dem tüchtigen Mohrbutter besonders wilckens.
Dieser besitzt scharfen Blick für das Charakteristische,
auch Isumor, ohne sich zu Uebertreibungen verleiten zu
lassen, ferner einen feinen Farbensinn, der auch das
Buntscheckigste in Einklang zu bringen weiß. Mehr
von Beleuchtungsproblemen geht August Westfalen aus;
ihm ist es z. B. ausgezeichnet gelungen, die brennenden
Altarkerzen und das frühliugshelle Grün, das durch die
Kirchenfenster blickt, luministisch zu bewältigen. Vornehme
Porträtkunst pflegen Maria Slavona und Elisabeth
Krüger, die beide freilich mit ihrer malerischen
Empfindung nach Paris gravitiren.
Bei den Karlsruhern vermißt man Dans Thoma.
In den Reihen der Württemberger fehlt Kalkreuth und
Reiniger. Im Karlsruher Künstlerbund wäre
vor allem ein feingestimmter, mondbeschienener Kanal
von Gustav Schön leber zu nennen; sein künstlerischer
Einfluß ist es auch, der das Beste der übrigen beherrscht.
Da ist Gustav Kampmann, der für die Dämmerung
eine sehr ausdrucksreiche Palette besitzt, Osthof mit
einem famosen Mondscheinbilde, Leiber, der für die
Töne, die die sinkende Sonne am Dorizont bildet,
stimmungsvollen Ausdruck findet. Bergmann's farbig
gesehene Rinder stehen unserer Zügelschule nahe; auch
in seinen rein landschaftlichen Motiven herrscht die
Betonung der Atmosphäre an erster Stelle. Fein-
gestimmte Landschaften bringen noch der dem Idyllischen
zuneigende Des Coudres und der famose Wolkenmaler
Dans von Volkmann. Gegen diese fein gestimmten
Sachen wirken die Säle der Karlsruher Künstler-
genossenschaft etwas bunt. Ferdinand Keller und
Otto Propheter spielen dort die Dominante; ins-
besondere Keller's böcklinisirende Koloristik ist von starkem
Einfluß auf die anderen gewesen. Wenn man Keller's
phantastische Gebilde mit denjenigen der anderen Künstler
im Glaspalast vergleicht, auf die Böcklin's überragende
Meisterschaft eingewirkt hat, — Sandreuter und
Dermann Urban — so erscheint er nur doch als der
Aeußerlichste. Freilich seine leuchtenden Farben haben
etwas Einschmeichelndes, die dekorative Wirkung ist
eine prächtige. Auch sein Bildniß des Großherzogs ist
durch die starke Betonung des mit dem langen Barte
kontrastirenden gelben Ordensbandes von eminent raum-
schmückender Wirkung. Auch Propheter gilt als
Porträtist der eleganteu Welt: Technisches Raffinement,
schmeichelnde Farben und Beschränkung, der Charakteristik,
wenn sie den vornehmen Eindruck hindert. Auch Wielandt
weiß in diesem Kreise, trotz des Keller'schen Einflusses
seine Persönlichkeit zu wahren. Köster malt Enten im
Wasser in einer famosen flüssigen weise. Als ernst
zu nehmende Porträtkünstler haben wir noch Segisser
und Straßberger zu nennen, mit Männerbildnissen,
die mit einfachen Mitteln Charakteristisches bieten. In
der „Freien Vereinigung Württemberger
Künstler" sind es fast ausschließlich Landschafter, die
interessiren oder solche, die die Thierwelt in engstem
Zusammenhang mit der sie umgebenden Natur schildern.
Außer A. von Otterstedt, der sich in Buntfarbigkeit
entschieden zu viel thut, sind sie über die flotte Studie
hinaus zum Bildmäßigen gelangt. Vor Allem wäre
 
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