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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Heilmeyer, Alexander: Die Münchener Kunstausstellungen 1902 [5] Schluss
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Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0017

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Nr. f

Die Aunst - Halle.

9

Oelfarbe in flotter malerischer Manier ähnliche Wir-
kungen zu erreichen, die unsere Künstler durch rein
zeichnerische Darstellungsmittel erzielen. Durch ersteres
Verfahren wird aber der Charakter der Karrikatur,
welcher vorzüglich in der Wiedergabe der wesentlichen
Merkmale einer übertriebenen künstlerischen Vorstellung
zu liegen scheint, verwischt.
Humoristische Zeichnungen von Oberländer und
Busch muthen uns an wie geniale Improvisationen.
Der Charakter der künstlerischen Improvisation ist vor
allem auch der italienischen Kunst eigen, aber er äußert
sich hier weniger in genialen Einfällen und geistreichen
Erfindungen, als in einer bewunderungswürdigen tech-
nischen Virtuosität. Der modernen italienischen Kunst
gehen so ziemlich alle die Eigenschaften ab, welche die
Größe der älteren Kunst ausmachen. Man möchte sie
nut einem putzsüchtigen koketten Mädchen vergleichen,
das allen Thorheiten der Mode folgt und sich allem
und jedem hingiebt. Außer Laureuti, Sartorelli und
Mezetri können wir keine ansühren, denen ein ernsteres
Streben zu Grunde liegt. Die pflege echter künstlerischer
Kultur macht sich am ehesten in den Werken der eng-
lischen Landschafter geltend. Wir fühlen darin, daß
den ästhetischen Bedürfnissen einer Gesellschaft Rechnung
getragen wird, die den Werken der Kunst volles Ver-
ftändniß entgegenbringt. Ein seingebildeter Geschmack,
der sich in der vornehmen Ausstattung von Wohn-
räumen äußert, sowie ein empfänglicher Sinn für land-
schaftliche Eindrücke, der noch durch eine ausgebildete
Gartenkunst fördernde Anregung empfing, ist sicher nicht
ohne Einfluß auf die Produktion gewesen. Die eng-
lischen Landschaftsmaler, die in der Sezession ausgestellt
haben, zeigen uns zu harmonischer Bildwirkung abge-
klärte Werke. Experimente und Studien zu Bildern,
wie sie auf unseren Ausstellungen zu Dutzenden an-
getroffen werden, fehlen hier ganz.
Die Schotten (6U3,8Z-orv Olroup und cklls Losisty
ok Lootckisll Krtist.8) haben im Glaspalast ausgestellt.
Sie wandeln immer noch die alten Wege; einer tritt
in die Fußtapfen des andern. Das Meer, die Küste,
das Hochland im wechsel der Jahreszeiten kehren in
ihren Bildern immer wieder. Jäger, Fischer, Schiffer
und Landwirthe, deren Leben auf das innigste mit der
Natur verwoben ist, scheinen hier ein homerisches
Dasein zu führen. Ein lyrischer Zug ist alleu diesen
Werken eigen. Ganz im Gegensätze dazu stehen die
Darstellungen einiger Antwerpener Künstler, wie die
von Dierickx, Schildt u. a. m. In nicht weniger poetisch
gefühlten Bildern schildern sie die Prosa des Lebens.
Als solche gemüthvolle Prosaisten erscheinen uns auch
die Maler der schleswig-holsteinischen Gruppe. Be-
sonders gilt als solcher Jessen mit einem Interieurstück.
Er zeigt uns eine sogenannte gute Stube, wie sie sich
dauernd dort noch aus der Großvater-Zeit erhalten
hat. Dettmann, die modernste und bekannteste Er-
scheinung in diesem Kreise, führt uns in seinen Mel-
Aquarell- und Pastellbildern Land und Leute in reicher
Abstufung vor. Etwas wie Heimathsgefühl, frische
Seeluft und kräftiger Erdgeruch der Scholle weht uns
auch aus den Werken von Feddersen, Westphalen,
Burmester und Rasch entgegen.
Einen ähnlich originalen und einheitlichen Zug,
wie er dieser Gruppe eigen ist, läßt die Ausstellung
der Berliner Künftlergenofsenschast und der vereinigten
Berliner Klubs vermissen. Die Wände dreier Säle
sind mit Bildern dicht behangen, aber es können nur
wenige Werke für voll genommen werden. Boshafte
Zungen behaupten, es gäbe hier überhaupt keine eigen-
artigen Erscheinungen, die Gesammtproduktion entbehrt

der charakteristischen Züge und das Originale sei
importirt. Man sagt, die Spreeathener verstünden es
wohl, mit der Mode zu gehen, aber sie trügen keine
eigenen auf den Leib gemessenen Kleider, sondern ge-
tragene — es wäre Kunst aus zweiter Hand. Dieses
Urtheil ist hart, aber wir werden hier keines besseren
belehrt. Wenn wir Meyerheim, Kiesel, Kamps, Vogel,
Bracht und Oesteritz erwähnen, haben wir der Chronisten-
pflicht Genüge gethan.
Im Frankfurt - Kronberger Künstlerbund bilden
Crübners Werke den Mittelpunkt für das allgemeine
Interesse. Er ist ein erprobter Vorkämpfer der Modernen
und einer der gewandetesten Techniker. In seinen
Pferde- und Aktstudien, sowie in seinen Landschafts-
bildern giebt er frische malerische Eindrücke, wie er sie
in der Natur gesammelt hat, wieder. Wie bei einem
guten Schützen geht bei ihm die Hand mit dem Auge.
Neben Trübner ist noch Gudden zu erwähnen. Ein ge-
sunder kräftiger Realismus spricht sich hier in jeder
Arbeit aus. In der Abtheilung der Karlsruher Kunst-
genossenschaft ist die süßlich romantische Richtung vor-
herrschend. Wüßte man nickt, daß Karlsruhe ein frisch
aufblühendes Kunstleben besitzt, wir würden hier eines
Anderen belehrt werden. Innerhalb der Vereinigung
der Württemberger Künstler sind es die Landschaften
von Reiniger und Werke von pleuer und plock, die
dem Ganzen ein charakteristisches Gepräge geben. Wir
schließen unsere Betrachtung in: Hinblick auf eine
unserer kleinen einheimischen Künstlergruppen, „Die
Scholle". Zumeist sind es Zeichner der Jugend und
des Simplizissismus, die sich zur Pflege gemeinsamer
künstlerischer Interessen zusammengethan haben. Sie
suchen vor allem bodenständige Kunst zu produziren,
und wirklich sind dazu auch schon Ansätze vorhanden.
Zwar zeigt sich in diesem Streben weniger Kunst, als
die Individualität der Künstler.

Miner Allnckcksu.
Künstlerverein.
Das Künstlerhaus eröffnete die Saison mit einer Aus-
stellung von Werken französischer Künstler. Ein selt-
samer Anfang. Im Mittelpunkt steht eine riesige malerische
Dekoration von A. Besnard: „Die glückliche Insel". Vom
bergumschlossenen Festland kommt ein Boot mit Gästen zu
den behaglich genießenden Bewohnern einer Insel. Marr
zweifelt beinahe, ob jener Besnard, der so oft unser Auge
durch die Brillanz feiner Töne blendete, mit dem Urheber
dieses idealen Dioramas, dieser konventionellen, heiter ge-
färbten und mit schlecht gezeichneten Figuren belebten Land-
schaft wirklich identisch sei. Die meisten der andern französi-
schen Gemälde sind mir irr der Thal lieber, z. B. ein älteres
großes Bild ^877) von Daubigny, eine elegisch gestimmte
Abendlandschaft mit Mondschein. Ferner fällt ein kräftig
kolorirtes Bildniß des Malers G. Dors von Carolus-
Duran auf, von welchem auch ein glatt gemalter weiblicher
palbakt da ist. Fein im Ton sind einige Landschaften, theil-
weise mit Figuren staffirt, von Muenier, le Sidaner und
Raffaelli, jedes Stück in der bekannten Eigenart seines Ur-
hebers gehalten. Die Leinwand „Adam und Eva" von Fouris
bietet zumal einen im Fleischton ausgezeichneten weiblichen
Akt. Von Gari Melchers sieht man, außer zwei wenig
besagenden Melftudien, eine kleine, farbig reizvolle Bibehzene
„Christus irr Emmaus", bei der offenbar Rembrandt und
 
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