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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Kunstausstellung der Berliner Secession
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Kunstchronik
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Nr. (5

Die K u n st - H a l l e.

233

Materie einer trüben braunen Färbung wie Blei-
gewicht an den poetisch-romantischen Gedankenflug des
Künstlers. Philipp Kleins „Dame und Hund", die —
beide in Weiß — in natürlicher munterer Bewegung
gegen einen bewölkten, aber lichten Himmel gestellt sind,
ist zwar keine tadellose Malerei, aber man sreut sich
über das Gebotene, das in einer kräftigen Entwickelung
steht, H. Hübner's Interieur eines Studirzimmers ist
ein vornehmes Stück Malerei, Ulrich Hübner's blau-
graue Landschaft besitzt den Ton gewisser Schotten;
sowohl dieses Bild, wie die Dame im Negligee und die
andern Arbeiten desselben Malers sind, was sich ferner
gegenüber den Werken von I. Block und G. Mosson
sagen läßt, interessante Studien. Dabei sucht Mosson
in einem Ball-Kehraus, der sich „Morgens" betitelt,
pariserisch elegant zu wirken, während Block die sanfte
Stimmung gutbürgerlicher Behäbigkeit gelingt, worin
er sich mit Jos. Oppenheimer berührt, der einen Besuch
vou „Mutter und Großmutter" dunkeltonig schildert.
Gegen Liebermann, wird dieses Mal Niemand
etwas einzuwenden haben, wenn inan sein charakte-
ristisches Selbstbildnis), wie die beiden koloristisch reiz-
vollen Studien aus der Papageienallee des Amsterdamer
Zoologischen Gartens — von dem ältern seintonigen
Gemälde der „Bleiche" ((882) abgesehen -— lediglich als
das nimmt, was sie gelten dürfen, als Studien keineswegs
außerordentlicher Art, nicht als das, was die gefälligen
Freunde des Meisters daraus zu machen sich bemühen.
Leistikow, der einst, aber nie von uns, verkannte, jetzt
maßlos Neberschätzte, erfreut besonders durch eiu
kräftiges Seestück und eine größere schön belichtete
Grunewaldlandschaft, die, wie diese Arbeiten Leistikows
gewöhnlich, dekorativ sehr fesselt, dennoch feinerer
Qualitäten ermangelt. Die beiden sommerlichen
Landschaften des Halligen-Malers I. Alberts wirken
dagegen etwas konventionell. O. Feld's „Herbst-
anfang" verbindet mit feiner Stimmung ebenfalls eine
tüchtige Durchführung. Paul Baum endlich vertritt
einen sehr sauber gepflegten Impressionismus, dem eine
werbende Kraft für diese sonst oft nichts weniger als
einschmeichelnde Richtung inne wohnt.
Ich glaube, auch auf die Vertreter der Jung-
Berliner Porträtmalerei ist man sehr stolz in diesen
Kreisen. Ob man hier nicht am Ende Nein hold
Lepsins für einen größeren Lenbach hält, weil der im
altmeisterlichen braunen Ton stecken blieb, während
Lepsins — dieses Mal in einem anmuthigen Damen-
porträt — den grauen Modeton für aparter hält.
Natürlich folgt seine Gattin Sabine Lepsius diesem
Beispiel, sodaß das edle schottische Grau gewisser-
maßen als Familienleibfarbe derer von Lepsius anzu-
sehen ist. L. von König bescheert uns die Bildniß-
'figur einer mehr zierlichen als bekannten Malerin;
ganz Biedermaierei in Haltung, Kostüm und Staffage.
Die Herren sind wirklich der naiven Meinung, es sei
verdienstlicher und schwieriger die vormärzlichen Künstler
oder die modernen Schotten zu imitiren, als Antike
oder Hochrenaissance. Manier bleibt das eine wie das
andere. Nur weiß man, daß die früheren Klassizisten
und Akademiker bei all ihren abstrakten Anschauungen
wenigstens im Porträt Kinder ihrer Zeit, ihrer Nation,
Schüler der Natur waren, während man ein gleiches
von jenen Modernen kaum zu behaupten vermag.
K. von Kardorff will dagegen lediglich Naturalist
sein. Seine im Profil auf hellgrauem Fond stehende
schlanke Figur eines Grafen Moltke giebt das Bild
eines älteren Herrn an der Grenze der sogenannten
Klapprigkeit, ganz ohne Beschönigung. Dem Beschauer
muß das ebeu recht sein.

Unter den deutschen Gästen der Ausstellung em-
pfängt man von den Mitgliedern der Münchener
„Scholle", denen ein eigener Raum gewidmet ist, einen
stärkeren Eindruck, der freilich durch das bizarre
Wesen ihrer Kunst mitbedingt ist. Da sieht man, wie
die aus reinkünstlerischen Erwägungen eben nicht ge-
flossene Absicht vorgeherrscht hat, entweder durch auf-
fällige Typen oder Färbung, durch robuste Malweise
statt Großzügigkeit, bei Hellen Landschaften durch ein
mitten in die Leinwand gemaltes schwarzes Fenster-
gerähm dem Beschauer zu imponiren. Aber zumeist
kommt dabei ein dekoratives Priuzip glücklich zur
Geltung, was wohl den Zwecken einzelner, auf dem
Boden der angewandten Kunst thätiger Urheber z. B.
der beiden Lrler fraglos dient. Nur von diesen:
Gesichtspunkt aus mag man F. Lrler's Niesendame
mit Hund auf dem Sopha (betitelt „Grauer Tag")
xassiren lassen. Am meisten gefallen nur Walter
Georgi und Rob. Weise, dessen vornehm graues
Damenbildniß und spielendes Kind auf grünbräunlicher
Wiese zwar ästhetisch sehr befriedigen, aber koloristisch
noch nicht völlige Sonderart repräsentiren. Eher hat
Georgi für seine starke romantische Empfindung kolo-
ristisch bereits den rechten Eigenton gefunden, zumal
in dem Bilde „Abendsonne", Dame in einer Garten-
laube sitzend; während mir sein lebensgroßer Frauen-
akt, den in einer Waldlichtung feurige Sounenflecke
umspielen, zu protzig roh gemalt erscheint. Eichler
und vor allem F. W. Voigt gehören in der „Scholle"
zu den kräftig zugreifenden Darstellern bürgerlicher
bezw. bäuerlicher Menschentypen.
von den hier erschienenen Münchenern sind Strath-
mann und H. Schlittgen unzweifelhaft die namhaftesten.
Schlittgen hat seiner Zugehörigkeit zur „Sezession",
seine allerdings nicht großen Vorzüge, die dem ehe-
maligen Zeichner der „Fliegenden" eigen waren, Liebens-
würdigkeit, Humor und Eleganz des Striches, an-
scheinend geopfert. Dafür bietet er jetzt eine Art ver-
tiefter Physiognomik, die er vorläufig nur am Spiel-
tisch und im Halbdunkel gewisser pariser Theaterlogen
studirt hat, in Bildern, deren schmierige Färbung
weniger von Genialität als von Unzulänglichkeit der
Malmittel zeugen. Der famose Strathmann bringt
drei neue Geduldprobeu seiner absonderlichen orna-
mentalen Malkunst: eine üppig hingestreckte Kleopatra,
einen Ibykus mit fliegenden Kranichen und Musikanten
im Schneegestöber. Dem phantasievollen Urheber wird
erst dann die volle Gerechtigkeit zu Theil werden, wenn
er in einer Geschichte des künstlerischen Marottenthums
den ihm gebührenden imposanten Platz erhält.
G. G.
(Schluß folgt.)


Xunckckronik.
Berlin. Line Gesellschaft zur Verbreitung
klassischer Kunst hat sich im Hause Friedrichstr. etablirt,
die in unserer gährenden Zeit den Muth besitzt, eine Wand-
schmuck - Sammlung von Meisterwerken klassischer Kunst zu
mäßigem Preis herauszugeben. Als Proben liegen uns je ein
Werk von Dürer, Holbein, Franz Hals und Paul Potter aus
den Gallerten von Berlin, Dresden, Petersburg und Haag zur
Beurtheilung vor. Als Herausgeber dieser Publikationen, die
in der That das vollendetste repräsentiren, was bisher in
Tonfeinheit und Drucksauberkeit auf dem Gebiete des Kupfer-
 
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