Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 8.1903

DOI Heft:
Kunstaustellung der Berliner Secession
DOI Heft:
Kunstbrief
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0305

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. H7

Die A u n st - H a ll e.

265

Hinzugetreten zu der großen wuchtigen Farben-
skizze „Das Sachen" des Russen Maljavine, aus der
die rochen, im Winde flatternden Gewänder der
Bäuerinnen wie Flammen herausleuchten, sind noch
nachträglich einige Arbeiten seiner Landsleute Somoff,
Serofl, Röhrig und Wrubel. Seroff zeigt außer der
Studie eines Bauernhofes das Porträt einer eleganten
brünetten jungen Dame, neben deren Kanaxö ein
Hund lagert; es nähert sich in der Art, wie das Modell
im hellgeblümten Ballkleids sich dem Interieur
koloristisch trefflich einfügt, dem vornehmen Geschmack
des Amerikaners Sargent. Lin völlig Anderer ist
Somoff, ein Archaist im Stile des von byzantinischer
Feierlichkeit durchtränkten russischen Rokokos. Man
sieht auf seiner glatt gemalten Leinwand eine ideale
Weinlaube und davor zwei Damen mit einem Kavalier
in der überladenen kostbaren Modetracht jener Epoche.
Neben dieser feierlich stillen frisirten Kunst wirken die
Erzeugnisse der beiden Uebrigen, zumal Wrubel's
schmutzig dunkelbraune Landschaft mit karmoisinrothen
Blumen, zwischen denen die Umrisse von Pferden und
einem Bauer sichtbar sind, wie halbe Barbarei.
Da die Berliner Sezession hier auf die Mit-
wirkung der angewandten Kunst verzichtet, so bleibt
der Rest des Interesses des Beschauers für die Ziemlich
bescheidene Skulpturabtheilung übrig. Außer Nodin's
beiden, schon zu Anfang erwähnten Werken lernen wir
von dem eigenartigen Belgier George Minne ein
Grabmonument kennen, das aus einer seltsam stilisirten
primitiven Sphinxgestalt besteht. Die lebensgroße
Marmorfigur einer Salome von F. Klinisch ist als ein-
dringliche plastische Studie der biblischen Erscheinung
besonders hervorzuheben.
G. G.


Frankfurt a. M
Rundbrief.

m Ausgang der winterlichen Saison ergießt sich noch
einmal eine gewaltige Bilderfluth in die mit kom-
merziellen Perspektiven gesegneten Kunstzentren;
„Kunsthandelszentren" wäre vielleicht in unseren Tagen der
materiellen Bestrebungen die richtige Bezeichnung für Städte
wie Frankfurt, wo die Aussicht auf Bilderumsatz etwa gleich-
bedeutend ist mit dem Zweck der Bilderausstellung.
Im Kunstverein folgte auf eine Kollektion holländischer
Landschaften eine Serie Miniaturen von W. Löwith. Die
erstgenannte Sammlung, die dec Amsterdamer Miss müll er
sandte, zeigte dessen intimes, auf das Zarte und Einfache ge-
richtete Empfinden; man kennt ja die allbekannten Veduten
aus dem licht-, tust-und wasserreichen Lande jenseits der weiß-
rothen Grenzpfähle, und es liegt sicherlich nicht in der rein
malerischen Kunstart unserer modernen Holländer, wenn uns
ihre Bilder nachgerade etwas langweilig erscheinen. Technik
und Mache thut's nicht allein, es muß auch ein Gedanke,
Ideenfülle und geistiger Inhalt dabei sein. Löwith malt
alte Rokokoherren, spielend, rauchend und plaudernd, in
malerischen, dunklen Interieurs, zeigt außerdem Studien aus
alten Bischospalais und bayerischen Schlössern des ;8. Jahr-
hunderts — Alles in der sxitzxinseligen Art Meissonier's.

w. Trübner giebt vor seiner Uebersiedlung nach Karlsruhe
einen lleberblick über sein gesummtes „Oorrvvo". Ein Mode-
maler ist Trübner ja nie gewesen; Niemand aber wird be-
haupten wollen, daß Alles, was dieser Leiblschüler geschaffen,
in jeder Hinsicht einwandsfrei sei. Bielleicht hat kein Maler
der Gegenwart so llngleichwerthiges geleistet, im Bildniß so-
wohl, wie im Figurenbild und in der Landschaft. Neben der
„Dame in Grau", bei der Velasquez den Spitzhut gezogen
hätte, sehen wir die allerneuesten Reiterporträts, bei welchen
rothe, grüne, braune und gelbe Farbflecke wie bei einem
Mosaik aneinandergesetzt sind, lieber die Trübner'sche Technik
haben sich schon manche Kollegen weidlich moquirt, aber statt
gemäßigter, ist sie im Laufe der Jahre noch outrirter ge-
worden. Auch Amazonenschlachten, Kreuzigungen und Zentauren-
kämpfe hat Trübner gemalt, in welchen der Maler bis an die
Grenze seiner Sonderart geht. In den Landschaften giebt ein
gewisser bleiern-schwerer Ton die Grundnote an.
Line Düsseldorfer Serie brachte eine Anzahl Proben der
kräftigen, zuweilen fast etwas überderb gerathenen Männer-
porträts von S ch n ei d er-Di dam, ferner der in gleich faust-
kräftiger Manier gehaltenen Genreszenen von Gerhardt
Janssen, der Landschaften von Liesegang, Dirks u. A. m.
wo die Düsseldorfer korporativ erscheinen, darf man immer
auf Darbietungen gut künstlerischer Art rechnen. Zwei neue
Porträts von Max Schüler tragen wie immer dem di-
stinguirten Geschmack der obersten Frankfurter „sooiötö"
Rechnung.
Bei Schneider-Andreas geben uns die Darbietungen
des Berliner Künstlerklubs, wohl eine neue Vereinigung
junger Künstler der Reichshauptstadt, wieder einmal den Be-
weis, daß die Mark Brandenburg, einst „des hl. römischen
Reiches Streusandbüchse", landschaftlich besser als ihr Ruf ist.
Die Herren bringen fast ausschließlich heimische Motive, gut
malerische Veduten von mannigfachem Reiz. Line Kollektion
Jagd- und Thierbilder sandte der in Schliersee lebende Maler
S. Singer. Er scheint sich die urwüchsige, derb-realistische
Art des Schweden Liljefors zum Vorbild genommen zu haben;
er liebt wie dieser große Flächen, eine breitzügige Technik und
ein frisches Pleinair, das sich ziemlich auffällig von der Auf-
fasfungsart unserer meisten „Iagdmaler" der älteren Schule
unterscheidet. In den sommerlichen Stimmungen wäre vielleicht
eine feinere Differenzirung der blauen Schatten zu wünschen!
in den winterlichen Landschaften dagegen ist die Koloristik sehr
glücklich, namentlich in der Darstellung zweier kämpfender
Gemsen auf einsamem Schneefeld inmitten der Gletscherregion.
Die Frankfurter Kunst ist mit Arbeiten der Altmeister Jak.
Maurer ff und Phil. Rumpf wirksam vertreten; auch die
neueren Frankfurter treten hier mit ihren Leistungen an die
breitere Meffentlichkeit. — Als Plastik, die im großen
Ganzen nicht allzu häufig in unseren Kunstsalons vertreten ist,
wäre hier eine Liszt-Büste von Klinger zu nennen. Der
charakteristische Kopf mit der lang herabwallenden Mähne ist
gewiß ein dankbares Motiv künstlerischer Darstellung; ich kann
indeß nicht finden, daß Klinger hier ein in jeder Hinsicht voll-
werthiges Werk geschaffen hat.
Bei Hermes führte der Münchener Benno Becker eine
Reihe dunkeltöniger Landschaften meist italienischen Charakters
vor. Deren Auffassung dürfte Sen künstlerischen Gourmet
befriedigen; für den populären Kunstgeschmack erscheint die
Farbenaskese vielleicht zu reizlos, weit weniger apart in der
Auffassung erscheint diesmal Ferdinand Keller-Karlsruhe.
Seine Serie märchenhafter und phantastischer Szenerien sind
 
Annotationen