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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Schmidt, Karl Eugen: Der Salon der Société nationale (Champ de Mars), [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0283

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Die A u n st - p a l l e.

Nr. s6

2F5

stehen, daß ersteres Projekt noch mehr gehalten, als
was es anfänglich schon versprochen hatte.
Line zweite, in die Augen fallende Veränderung
bringt dieses Mal auch die mächtige Vorhalle des
Palastes, die zu beiden Leiten des Mittelraumes in
einzelne Kompartimente — zur Linken für die
Zeichnungen des Illustratoren-Verbandes, zur
Rechten für Zwecke der angewandten Kunst — ge-
theilt wurde. Architekt Geßner hat die rechtsliegenden
Räume reizvoll gestaltet. Die prächtige Kuppelmalerei
jenes Mittelraumes, sowie die reiche Pochrenaissance-Aus-
stattung beider Lingangssäle in der Hauptachse wurden
erhalten und renovirt. Die Plastik erhielt als Paupt-
stätte den großen abschließenden Saal der Anlage; doch
zieht sie sich auch schmückend durch die übrigen Räume.
So befindet sich die einzige diesmalige Kollektivausstellung
von Prof. Otto Lessing in einer Nebenhalle.
G. G.


Der 5Zlon öer Zsciete nationale.
(Olmmp äe Nar8.)
von Karl Lugen Schmidt, Paris.
IWm Großen und Ganzen bietet der Salon alljährlich
das nämliche Bild: die nämlichen Aussteller zeigen
ungefähr die nämlichen Arbeiten., und Reberraschungen
werden uns nur sehr selten bereitet. Mährend im an-
stoßenden Salon der älteren und mehr offiziellen Ge-
sellschaft immer noch die dekorative Kunst der „großen
Maschinen" den Pauptraum einnimmt oder doch dieser
Ausstellung ihre bezeichnende Signatur giebt, finden
wir in der Loeikts rmtioimle nur sehr wenig Der-
artiges. Seit dem Tode von Puvis de Thavannes
giebt es hier keinen Künstler, der seine eigentliche Auf-
gabe in der Ausschmückung großer Räume erblickt.
Mitunter erhält wohl ein Kolorist wie Besnard oder
La Touche, ein Freilichtler wie Roll oder Gervex,
einen solchen Auftrag und erledigt sich seiner der künst-
lerischen Veranlagung entsprechend, aber die Säle der
Loeiots imiioiml.6 werden doch nicht mit „großen
Maschinen" angesüllt, wie es bei dem älteren Nachbar
zu sein pflegt. Dort nämlich giebt es immer noch
Leute, die in der Historienmalerei das vornehmste Ziel
der Kunst erblicken, und die demgemäß alljährlich ein
Riesenbild malen, mag es nun bestellt sein oder nicht.
Peuer finden wir im OImmp äs Nm'8, der jetzt eigent-
lich Lalon cl'Kntän heißen müßte, denn die goeioke
NLkionLlk stellt nächt mehr am Marsfelde, sondern in
der Avenue d'Antin aus, nur zwei große Maschinen.
Der französische Staat ertheilt seine großen
dekorativen Aufträge mit verblüffendem Unverstand.
Ls kommt den Auftraggebern dabei nicht im Geringsten
auf die besondere dekorative Veranlagung des Künstlers
an, sondern zeder bekannte Maler muß einen Pappen
bekommen. Das ist der Grund, daß das Pantheon zu
einem nationalen Bilderbuche geworden ist, worin jedes
Blatt das vorhergehende und nachfolgende stört und

keines — außer den Arbeiten von puvis de Thavannes
— sich dem Linbande anpaßt. Bekanntlich hatte sogar
Meissonier, dieser Kleinmaler, den man fast einen
Miniaturisten nennen könnte, den Auftrag erhalten, eine
der Niesenwände des Pantheons auszumalen. Zum
Glück für den Künstler und für das Pantheon hatte
der Mann gleichzeitig so viele handgroße Bildchen zu
malen, die ihm von reichen Amerikanern mit Tausend-
frankenscheinen aufgewogen wurden, daß er für das
große Pantheonbild keine Zeit fand. Nun hat Veerts,
ein Mann, der jedes Jahr ein halbes oder ganzes
Dutzend trockner und uninteressanter Porträts in etwa
Viertel-Lebensgröße ausstellt, den Auftrag erhalten, eilt
Gemälde von ungeheuren Dimensionen für die Sorbonne
zu malen. Lr hat sich sehr bemüht, von seinen kleinen
Porträts loszukommen und farbig und dekorativ zu
wirken. Indessen ist ihm das in seinem mittelalter-
lichen Studentenfest nur theilweise gelungen. In
breiten Fläche,', hat er besonders Roth und Blau neben-
einandergesetzt, ist aber dabei eher bunt als farbig ge-
worden. Indessen wird das große Nundgemälde
wenigstens der Sorbonne nichts schaden und einen
Hellen Fleck abgeben. Nicht im Geringsten dekorativ
und geradezu betrübend in seinem schwarzen Asphalt
der Trauergewänder, der Fräcke und des die ganze
Fassade des Pantheons bedeckenden Trauerflores wirkt
die Bestattung Tarnot's von Georges Bertrand. Ls
ist das ganz einfach eine ins Kolossale übertragene
Zeitungsillustration, die weder künstlerischen, noch ur-
kundlichen Verth hat und in Versailles, wo schon so
viele schlechte und inittelmäßige große Schwarten
hängen, ihren würdigen Platz finden wird.
Von wirklich dekorativen Malereien erwähne ich
das in reichster Farbenpracht der purpurnen, bläulichen
und rothen Gewänder, des blauen Meeres und des
dunkelgrünen Laubes leuchtende Bild von dem Nanziger
Prouvo und die matt und stumpf in der Art des puvis
gehaltene Flußlandschaft von Auburtin. Lin Dekora-
teur von eminenter Begabung ist Gaston La Touche,
der in seinen Bildern von bescheidenen Dimensionen
mehr dekorativen und raumschmückenden Sinn bethätigt
als andere Künstler nut riesengroßen Gemälden. Ge-
wöhnlich sucht er sieb dazu die Gärten und Räume der
Rokokozeit, die er mit ebenso kräftigen, wie an-
genehmen Farbenharmonien ausstattet. In diesem
Jahre hat er drei solche Bilder ausgestellt, bei denen
er vielleicht etwas gar zu energisch und heftig vor-
gegangen ist; wenigstens sind seine Harmonien nicht so
sanft und wohlthuend wie in früheren Jahren.
Unter den Darstellern von Land und Leuten steht
Lucien Simon obenan: sein Porträt der Madame S.
mit ihren Kindern ist ein Meisterwerk energischer
Porträtkunst und virtuoser Viedergabe der Licht-
wirkungen im geschlossenen, aber durch große Fenster
hell erleuchteten Raume; auf seinem „Vindstoß" hört
man ordentlich den Wind pfeifen, der die Matrosen
und ihre Frauen die Landungsbrücke entlang jagt, und
in seinem „Altenheim" vereinigt er wieder die Vorzüge
des unübertrefflichen Tharakteristikers in der Wieder-
gabe der greisen Gestalten und Gesichter und des
Lichtmalers in der Ausnutzung des auf die weiße Kalk-
wand fallenden Fensterlichtes und des übrigen Dämmer-
dunkels. Der Spanier Zuloaga, den man vor vier
Jahren als einen aufgehenden Stern erster Größe
preisen durfte, scheint damals schon zu seiner hellsten
Pracht aufgegangen gewesen zu sein. Seine späteren
Bilder erweiterten und verbreiterten nur den ersten
großen Lrfolg, ohne ihn zu vertiefen oder zu erhöhen,
und von den drei großen Arbeiten dieses Jahres kann
 
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