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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Schmidt, Karl Eugen: Der Salon der Société nationale (Champ de Mars), [1]
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2^6

Die Kunst - Halle.

Ur. f6

inan ohne Uebertreibung sagen, daß Zuloaga sich darin
selber karrikirt. Ganz vorzüglich in der Art, wie er die
Farbe in breiten Flächen nebeneinandersetzt, an sarbige
Holzschnitte des nämlichen Urhebers erinnernd, ist die
„Holländische Beerdigung" von den: Lngländer Bartlett,
der wohl ein Schüler Brangwyn's sein mag. Tottet
bringt eine neue, ebenso gute, aber säst unveränderte
Auslage seiner melancholischen, graugrünen, bretonischen
Landschaften und seiner auf dem graugrünen, traurigen
Vorgebirge regungslos sitzenden, trostlosen, schwarzen
Frauen, die auf das zu ihren Füßen gegen die Felsen
rollende graugrüne Meer hinausschauen. Jean Pierre
Laurens, der Sobn des akademischen Historienmalers,
zeigt ein sehr kräftiges Bild, das er den „Netzkarren"
nennt, und auf dein die Fischerweiber, von der feurigen
Abendsonne gefärbt, einen hoch mit Netzen beladenen
Karren am Strande hinschieben. Lhermitte ist gut wie
immer mit seinen „Wäscherinnen am Flusse" und seinen
„Heumacherinnen auf dein Felde". Der Amerikaner
Alfred Maurer, eine neue Erscheinung im Salon, hat
zwei lebensgroße Figuren, eine Tänzerin und einen
„Trottin", wie man in Haris die Ausläuferinnen der
Modegeschäfte nennt, ausgestellt, beide Arbeiten sehr
kräftig und energisch, in der Art an Manet und Degas
erinnernd. Noll, der sonst die Hellen Lichter der Sonne
nut virtuoser Meisterschaft wiedergiebt, hat sich diesmal
ein anderes Problem gesucht, das ihn einmal mit einem
sungen Mädchen, das eine brennende Kerze in der
Hand hält, mit Gerard Dow in Berührung bringt,
während er auf dem anderen Bilde, das er „To^ouZo
bretonno" nennt, und das inan für eine Zllustration zu
Gocthe's „Lrlkönig" halten könnte, das Grausen der
Nacht darstellt, das den dahinstürmenden Gaul und
den Mann mit dein Kinde gepackt hat.
Von den eigentlichen Landschaftern ist nicht viel
Neues zu berichten: da ist Le Sidaner mit seinen
feinen Abendstimmungcn, wo sich die hell erleuchteten
Fenster eines stillen Hauses in; schlafenden Kanal
spiegeln; Dauchez mit seinen melancholisch düsteren
Ansichten aus der bretonischen Haide; Thudant mit
seinen gespenstische Formen annehmendeu alten Mühlen
und Harkschlössern; Fräulein Dalasalle nut ihren vor-
trefflichen Wasserbildern von Seine und Themse; Henri
Duhem, der in seinen Abendstimmungen genau die
nämlichen Themen mit der gleichen Begabung ab-
wandelt wie Le Sidaner; Maurice Lliot, der Alles
violett sieht und mit dieser Grunduote entzückende
Harmonien schafft; der Belgier Gilsoul mit saftig ge-
malten rothen Ziegelhäusern an einem holländischen
Kanal; Lucien Triveau, dessen melancholische Ansichten
an Tollet erinnern; Gaston Guignard, der bei seinen
Mondlandschaften das Hauptgewicht auf seine Schaf-
herden legt; Thaulow, der außer seinen: beliebten
Motiv rother Ziegelhäuser am fließenden Wasser eine
Harkmauer nut marmornen: Barockthor, eines seiner
schönsten bisherigen Bilder, ausgestellt hat; Alexander
Harrison, der die von der Abendsonne oder von dem
Monde farbig erleuchteten, an: flachen Gestade hin-
rollenden Meereswogen darstellt; der Llsässer Koenig,
der nut grünen Mallen, blauen Himmeln und weißen
Wolken höchst anziehende und kräftige Akkorde erzielt;
Gont-Görard, einer der besten Darsteller der bretonischen
Fischerhäfen mit ihren kleinen Fahrzeugen; Menard nut
seinen poetischen Tempelruinen und romantischen
Bäumen an: Abendhimmel und vor den: mond-
beleuchteten Meere; Meslo und Moulls mit ihren
stimmungsvollen stillen Dünen und Haiden; Naffaelli,
den wir auch bei den Horträtisten finden, mit einer An-
sicht von der Seine und einem Straßenbilde aus Haris,

beide in seiner bekannten Art weiß in weiß, nut dünnen
Strichen gezeichnet und durch winzige rothe und grüne
Flecke belebt; Guillaume Noger, der sich die holländi-
schen Kanäle auserkoren hat und in der Wiedergabe
von hochgiebeligen, alten Häusern und stillen: Kanal-
wasser Meister ist; endlich willaert, der ähnliche Themen
wie Noger behandelt und auch in der Art der Wieder-
gabe Berührungspunkte nut diesen: hat.
Die Stärke der Looioto nationale, die, wie schon
gesagt, weniger als die ältere Gesellschaft für „große
Maschinen" und Historienbilder schwärmt, liegt vor
Allen: in: Bildniß, zu dem wir setzt übergehen. Auch
der Hräsident der Gesellschaft, Tarolus Duran, ist
hauptsächlich Horträtist, obschon er hie und da auch
eine Landschaft mall. Linst vielleicht der interessanteste
und bedeutendste französische Bildnißmaler, ist Duran
längst ermüdet, und seine fetzigen Arbeiten zeigen nur
noch die große handwerkliche Kunst und das jetzt leider
nicht mehr gerechtfertigte Selbstvertrauen des Malers.
Seine diesjährigen Bildnisse verdienen keine eingehende
Besprechung. Zn: nämlichen Saale hängen dis Arbeiten
von Zaques Blanche: fünf ganz vorzügliche, lebendige,
natürliche, famos erfaßte und brillant wiedergegebene
Brustbilder, darunter das ausgezeichnete Horträt von
Lucien Simon. Außerdem hat Blanche :n einer großen
Darstellung der Familie des Dichters Viele-Grisfin den
nämlichen Beweis geliefert, den uns neben ihn: Zuloaga
giebt: daß der Maler nicht auf ein einmal brillant be-
handeltes Thema in der nämlichen Komposition und
Auffassung zurückkommen sollte. Blanche hatte vor
sieben Zähren einen großen und verdienten Lrfolg mit
den: Bildniß des Malers Thaulow mit Gattin und
Kindern im Garten. Genau die nämliche Sache bringt
uns Blanche setzt für Viele-Grisfin, aber eben weil er
in das bereits abgewandelte Thema etwas Neues
bringen wollte, ist das fetzige Bild ungleich schlechter
ausgefallen als das alte. Besnard hat eines seiner
besten Horträts ausgestellt, dabei alle koloristische
Virtuosität beiseite lassend und nur mit den ein-
fachsten Mitteln arbeitend: eine in Schwarz gekleidete
Dame sitzt auf einen: rostrothen Hlüschsessel, der sich von
einen: röthlichen Silbergrund abhebt. Das Gesicht ist
den: Beschauer abgewendet und nur im verlorenen
Hrofil zu sehen, die schlaff herabhängende linke Hand
hält ein gelb umschlagenes Buch. Das zart die Kon-
turen der Gestalt umschmeichelnde und mit den schon
ergrauenden Haaren spielende Licht, die überaus Har-
inonische Abtönung, die liebevolle Modellirung der
Formen, alle diese Vorzüge machen dieses Horträt seiner
Gattin zu einem der schönsten Werke dieses außer-
ordentlich begabten Künstlers. Die anderen Sachen
von Besnard: nackte oder halb bekleidete Frauen beim
Bade im Bache, beleuchtet und gefärbt von der durch
das Gezweig dringenden Abendsonne, sagen uns nichts
Neues, sondern schließen sich den bekannten koloristischen
Studien des Malers an.
Lin ausgezeichnetes Bildniß in seiner bekannten
kreidigen Manier ist „Das junge Mädchen mit dem
Hündchen" von Naffaelli, der setzt nur noch nut seinen
Oelfarbenstiften arbeitet und dabei in ätherischer Zart-
heit das Hastell erreicht. Das junge Mädchen trägt
ein rosa angehauchtes Seidenkleid, hie und da mit blaß-
gelben und grünen großen Blumen bestickt und sitzt auf
einer mattblaugrünen Bank, wie in allen Arbeiten
Naffaelll's ist die ganze Harmonie auf weiß gestimmt,
und die belebenden farbigen Töne sind überaus diskret
und vornehm gehalten. Lin Meisterwerk ist das große
Bildniß der drei englischen Schwestern von dem Ame-
rikaner Sargen t. Zn ebenso origineller wie natürlicher
 
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